Die Finanzkrise prägt den Alltag
USA nach dem großen Knall
Die von den USA ausgehende Finanzkrise beutelt die Welt. Im Alltag trifft sie aber auch viele US-Bürger hart. Hintergrund: Der hohe Lebensstandard beruhte weitgehend auf Pump. Und mit der Kreditwürdigkeit ist es vorbei.
8. April 2017, 21:58
Hintergründe zur US-Finanzkrise
"Jemand Gescheiter hat einmal gesagt: Das Verflixte an der Geschichte ist, dass man nicht weiß, wenn man die großen historischen Ereignisse durchlebt", meint Michael Katz, österreichischer Hedge-Fund-Manager in New York. Doch er ist sich fast sicher, dass diese Finanzkrise in die Geschichte eingehen wird. Für die USA prophezeit er tiefgreifende Veränderungen: "Mit dem Konsum auf Pump ist es vorbei."
Ringen um Superlative
Wie ernst es um die USA bestellt ist, lässt sich an einem vergleichsweise trivialen Ereignis ablesen: In der ersten Oktober-Woche gingen der weltberühmten Schuldenuhr am New Yorker Times Square die Stellen aus, als sie die Marke von 10 Billionen (=10.000.000.000.000) überschritt. So viel beträgt die US-Staatsverschuldung.
Was mit dem Immobilienboom und fahrlässiger Kreditvergabe begann, endete in einem finanziellen Blutband an der Wall Street. Vor einem Monat ging die traditionsreiche, seit 1850 bestehende Investment Bank Lehman Brothers bankrott. Seither fiel ein Finanz-Dominostein nach dem anderen. Der Milliardär Warren Buffet spricht von einem "finanziellen Pearl Harbor".
Folgen im Alltag
Das Nachspiel hat erst begonnen: New York zittert um seinen Status als Finanzzentrum der Welt, die Stadtväter bangen um ihre Steuerbasis, und die Gebäudeinhaber um die lukrativen Mieten. Doch nicht nur in der Finanz-Branche verlieren Zehntausende Amerikaner ihre gutbezahlten Arbeitsplätze und damit ihre Kaufkraft. Im ganzen Land bekommen Kleinunternehmer selbst mit noch so guter Bonität keine Überbrückungskredite, was wiederum ihre Existenz und die ihrer Arbeitnehmer gefährdet. Die Bürger schnallen zwangsläufig den Gürtel enger, denn die wenigsten können auf Ersparnisse zurückgreifen. Das Sparbuch des Durchschnittsamerikaners ist üblicherweise das Eigenheim. Doch derzeit lässt sich keine Bank auf Umschuldungsaktionen ein. Kreditkartenunternehmen kappen den Einkaufsrahmen von Kunden mit zu hohen Außenständen bzw. ziehen die Karten überhaupt ein.
Besinnung auf "wahre Werte"
Sharyn O’Halloran, Politolökonomin an der Columbia Universität bezweifelt, dass die Krise, wie manche anführen, das Ende des amerikanischen Kapitalismus ankündige. Sie prophezeit, dass der löchrige, amerikanischen Flickenteppich von Regulationen durch ein neues Aufsichtssystem ersetzt wird, "das sowohl den Spielraum für exorbitante Gewinne als auch katastrophale Verluste einschränkt."
Man werde sich auf die Werte aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg besinnen, als Banker den Wert einer Investion genauer überlegten, und Bürger erst ansparten, bevor sie sich etwas leisteten.
Hör-Tipp
Journal Panorama, Donnerstag, 16. Oktober 2008, 18:20 Uhr