Daniel Spoerris Skulpturenpark

Der Garten von Eden

Der Schweizer Künstler Daniel Spoerri hat im Süden der Toskana ein Grundstück gekauft, um seine Idee zu realisieren, Kunst und Natur in einen erfahrbaren Zusammenhang zu bringen. Die Kunstobjekte in diesem Park stammen von Spoerri und seinen Freunden.

Daniel Spoerri beschreibt einige Objekte aus dem Giardino

Kurz vor Ostern 2008. "Il Giardino di Daniel Spoerri" im kleinen toskanischen Ort Pescina ist offiziell noch geschlossen, der Garten wird nach der Wintersperre traditionellerweise jedes Jahr am Ostermontag geöffnet. Trotzdem ist das Tor zum Park einladend weit offen. Daniel Spoerri erwartet die Lieferung eines riesigen Mamorblocks aus den berühmten Steinbrüchen von Carrara.

Luciano Massari, Leiter des dortigen "Laboratorio di Michelangelo", wird hier ein Kunstwerk installieren, das gleichzeitig ein Fundstück ist. Ein von den Gewalten der Natur ausgehöhlter Stein, eine konkave Wanne, die er mit Wasser füllen will, auf dem ein kleines, vom Wind getriebenes Boot aus Marmor schwimmen soll, hauchdünn gearbeitet, damit es die Wasserverdrängung aushält.

Dazu werden später noch zwei konvexe Fundsteine kommen. Ein Ensemble von "objets trouvés", an die der Mensch behutsam Hand angelegt hat und eine "Isola nell' isola", eine Insel inmitten der Insel in einer Mulde des Gartens, das die drei Elemente Erde, Wasser und Luft repräsentiert.

Inspiriert von Orsini

Es ist nun mehr als zehn Jahre her, seit er den 16 Hektar großen Grund am Fuß des Monte Amiata im Süden der Toskana gekauft hat. Ein unerwarteter Coup des Künstlers, dessen Werke in allen Museen moderner Kunst zu sehen sind. Die berühmten "Fallenbilder", die aus den Momentaufnahmen von Mahlzeiten entstandene "Eat-Art", die den Rest vom kulinarischen Fest von den halbgeleerten Tellern bis zu den Zigarettenstummeln konserviert: alles nur ein Bruchteil dessen, was der 1930 in Rumänien geborene Sohn des jüdischen Dissidenten Isaac Feinstein, dem die Schweizer Abstammung der Mutter Lydia Spoerri das Leben rettete, im Kopf hat. Sein Traum war es, Kunst und Natur in einen erfahrbaren Zusammenhang zu bringen. Besonders inspiriert hat ihn Vicino Orsinis im 16. Jahrhundert angelegter "Park der Ungeheuer" im umbrischen Bomarzo.

Es wäre schön, den Garten gemeinsam mit Daniel Spoerri von Skulptur zu Skulptur und Installation zu Installation abzuschreiten. Das würde aber mindestens sieben Stunden brauchen, wendet er ein und schlägt vor, sich den Kunstwerken mit seinem Auto anzunähern. Natürlich sind Autos hier streng verboten. Aber der Park ist ja offiziell geschlossen, und wer, wenn nicht er, dürfte hier Auto fahren.

Ein Tag ist nicht genug

Zwei von hundert Besucherinnen und Besuchern nehmen sich einen Tag zur Erforschung des Geländes Zeit, erzählt er, um dann verzweifelt nach dem einen Objekt zu fragen, das sie nicht gefunden haben. Nicht wenige laufen allerdings nur einmal um das kleine Restaurant im Eingangsbereich herum, kehren dort ein und sagen: "Wunderbar, was für ein herrlicher Garten." Spoerri stört das nicht: "Diese Gäste machen die besten Werbung für den Giardino."

Erste Station unserer Rundfahrt ist die Klangorgel seines venezolanischen Freundes Jesús Rafael Soto. Ein Kubus von vier mal vier Metern, der aus 400 hängenden Röhren von unterschiedlichem Durchmesser besteht, die feinsten außen, die dicksten im Zentrum. Behutsam bewegt sich Spoerri durch den Klangkörper. Stand dieses tönende Objekt vor Jahren nicht weithin sichtbar auf einem Hügel? Ja, sagt Daniel Spoerri, "aber es gab Nachbarn, und die empfanden die Musik als Geräuschbelästigung". Doch auch hier, im Eingangsbereich des Gartens hat die Klangskulptur "penetrable sonore" mit ihren durchdringenden und ergründbaren Schallwellen einen guten Platz gefunden. Bewacht von einem Kastanienbaum, der einen Teil des Schalls gnädig schluckt.

Im schrägen Zimmer

Vorbei an einem zwölf Tonnen schweren Osterei, einem Bunkerdorf, einem zur Freude der Kinder Feuer speienden Drachen und dem geheimnisvoll-virtuellen Objekt "Zeiträume" der Österreicherin Nora Schöpfer, die farbige Kunststoffschnüre von Baum zu Baum gespannt hat, gelangen wir zu einem der spektakulärsten Ausstellungstücke - Spoerris schrägem Zimmer, das in den Dimensionen und der Anordnung der Möbel seiner bescheidenen Bleibe im Hotel Carcassonne in Paris nachempfunden ist. "Ich war damals bettelarm", erinnert sich Spoerri "es war ein lausiges Zimmer, in einer lausigen Gegend, das ich hier in den Wald geworfen habe."

Aber warum ist das Zimmer schräg, sogar schräg auf zwei Ebenen, sodass es schwer ist einzutreten, ohne das Gleichgewicht zu verlieren? Es ist schräg, weil es nicht nur von Spoerris Zimmer, sondern auch vom berühmten schiefen Haus in Vicino Orsinis "Park der Ungeheuer" inspiriert ist. Daniel Spoerri bewegt sich trotzdem sicher zu seinem Lieblingsplatz, dem ungemachten Bett aus Bronze. Im Sommer erwischt er darauf manchmal nackte Frauen, die von ihren Männern fotografiert werden.

Der Glaube ans Meer

Zum wiederholten Male läutet das Handy. Zum wiederholten Male versucht Daniel Spoerri dem Fahrer mit dem Marmorstein aus Carrara geduldig zu erklären, wie er hierher kommt. Tausende Besucher finden alljährlich problemlos in den Garten. Aber der Fahrer ist schon wieder an der gut beschilderten Abzweigung vorbeigedonnert. Das ist ärgerlich, und wir fahren zum "Tag des Zorns", dem hoch auf einem Hügel liegenden Kunstwerk des Schweizer Bildhauers Olivier Estoppey, das effektvoll neben Olivenbäumen platziert ist. Von diesem Punkt aus soll man sogar einen Blick bis zum Meer haben. Vielleicht ein Trost für die panischen Gänse, die von Trommlern in den Orkus gejagt werden.

Aber es gibt da noch diesen Jungen am Rand der Katastrophe, der eine Gans in der Hand hält. Die beiden sind gerettet. Spoerri persönlich hat sich dafür eingesetzt, das Kind und sein Tier aus dem Zentrum des Geschehens zu nehmen.

Aber wo ist der in Aussicht gestellte Blick aufs Meer? Auch an diesem klaren Tag erscheint das Meer nicht am Horizont. "Das war gelogen", sagt Spoerri, "aber viele Menschen, die hier stehen, glauben das Meer zu sehen."

Hör-Tipp
Gedanken, Samstag, 15. August 2009, 13:20 Uhr

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Daniel Spoerri