Abkürzungen in der technischen Produktwelt

Im Dialog mit R2D2

Digitalkameras, TV-Geräte oder Computer haben keine Namen mehr: Sie heißen PCM D-50 oder DMC-TZ5. Damit weiß der Laie weder, wovon die Rede ist, noch wie er sich das merken soll. Warum eigentlich dieser kryptische Abkürzungswahn?

Sie wollen sich eine Digitalkamera, ein Aufnahmegerät oder einen Computer kaufen, gehen in ein Elektrofachgeschäft und werden mit Produktnamen beworfen - wie (Sony) PCM D-50 oder (Panasonic) Lumix DMC-TZ5. Wie kann man als Laie solche "Namen" eigentlich mit einem Produkt identifizieren, geschweige denn im Gedächtnis bewahren.

Die technische Welt hat es mit Abkürzungen im Überfluss. Buchstaben- und Zahlenkombinationen bestimmen in der Regel die Namen für technische Geräte und Software-Erzeugnisse. Für digitale Ignoranten, Softwareverweigerer oder Techniklaien besteht diese Welt aus befremdenden Codes, abstrakten Nummern und staubtrockenen Zahlenhaufen. Gibt es etwa eine Poesie der Pixel, Ziffern und Buchstaben? Warum sind die meisten technischen Produktbezeichnungen eigentlich Kürzel und nur selten Eigennamen?

Amilo La 1703 1 GB DDR2 SDRAM, 80 GB SATA....
"Die Dinge benötigen einen Namen, um zu existieren" lautet eigentlich ein Bibelspruch der Marketingberater. Im technischen Feld setzt dieser Glaubenssatz aus, möchte an meinen. Günther Seitz, Kopf der Namensfindungsagentur Namework, predigt: Einen prägnanten Namen kann man gut aussprechen und sich einfach merken. Namen sollen "klingen". Die besten dieser "Klangnamen" hätten lateinische oder griechische Wortwurzeln, wie zum Beispiel "Pentium". Das wäre ein rares Beispiel für einen "guten" Namen aus der Softwarebranche, eine Kunstwortschöpfuing, die sich aber jeder leicht gemerkt hätte. Es blieb bei einem Einzelfall.

Der Sinn hinter den Abkürzungen im Technikbereich, so der Sprachwissenschafter Richard Schrodt vom Institut für Germanistik der Universität Wien, liegt in der Logik der Produktentwicklung: "Für die Vielzahl an technischen Weiterentwicklungen sind Abkürzungen sehr gut. Sie sind eindeutig, stabil und werden in der Technikwelt verstanden. Das Problem beginnt, wenn solche Abkürzungen in die Alltagssprache übergehen."

Anna, Berta und Clara
Es gibt Abkürzungen, die sich verselbständigt haben und zu einem eigenen Markenbegriff geworden sind, wie erwähnter Pentium oder der "Jeep", ursprünglich die Abkürzung GP für "General Purpose". Die Schreibweise Jeep passte sich nach und nach der Aussprache an. Technische Produkte, die sich nicht so prominent aus dem abstrakten Namenskürzelsalat emanzipieren können, und sie sind in der Mehrzahl, bleiben im Konsumalltag auf gute Vermittler, alias Verkaufspersonal angewiesen.

Denn der große Nachteil der Eigennamen sei, dass sie motiviert sind, also Bedeutungen mittragen. Würde man ein Tonbandgerät konstruieren und den Namen "Anna" geben, die erste Weiterentwicklung von "Anna" dann "Berta", die darauffolgende "Clara", so würde man nur Verwirrung stiften, sagt Richard Schrodt. Denn: Wer weiß denn schon, dass die Anna zur Berta gehört?

Also zurück zu Anna 1, Anna 2, Anna 3, aus der dann Anna MK 1, Anna MK2 oder gar A-MK 3 mutieren. Das technische Feld erfordert einfach weiterzuzählen, ohne jeder neuen Generation eines Laptops oder Tonbandgeräts eine eigene Bedeutung aufzusetzen. Da hätten Eigennamen nichts verloren, schützt Richard Schrodt die Funktion von Fachsprachen. Der Namensentwickler Günther Seitz argumentiert die Phantasielosigkeit in der Technikwelt mit dem Tempo der Innovationen: Denn jedem neuen Toaster oder Bildschirm einen passenden Taufnamen zu verpassen, dafür ginge es schlicht zu rasant. Jeder neue Computer ist nach zwei Monaten bereits ein alter Computer.

Mathematik statt Taufe
Auf die Inflation der Nonsenswörter, Abkürzungen und Buchstabenknäuel ohne sprachliche Bedeutung machte Bill Gates auf einem Kongress vor einigen Jahren aufmerksam: Microsoft hat nämlich bei den Abkürzungen für Softwarenamen alle rechnerisch möglichen Buchstaben- und Ziffernkombinationen bis zur vierten und fünften Stelle in Verwendung. Wir sprechen von Milliarden, nicht nur Dollar, sondern auch Milliarden Buchstabenkombinationen, mehr Code als Namen. Die Eindeutigkeit bleibt so gewahrt, auch wenn der Sinn flöten geht. Ob es gefällt oder nicht, mit den technischen Kürzeln wird man weiterleben müssen, d.h. von netten Verkäufern abhängig bleiben oder aber sie zu entziffern lernen. Günther Seitz tröstet: "Im Grunde kauft man ja die Marke und nicht die Teilproduktbezeichnung".

Hör-Tipp
Digital.Leben, Montag bis Donnerstag, jeweils 16:55 Uhr

Übersicht