Liedermacherinnen und die "Nah-Kunst"

Unvermeidliche Lieder

Üblicherweise getrennt, solo und sehr erfolgreich mit ihren Programmen unterwegs, präsentierten Uta Köbernick und Dota Kehr im Rahmen eines gemeinsamen Auftritts im Wiener Theater am Spittelberg im vergangenen Juni Ausschnitte ihres schönen Schaffens.

Ein unvermeidliches Liedchen

Im Mittelpunkt der "Unvermeidlichen Lieder" stehen zwei junge Damen, die zu den bemerkenswertesten und außergewöhnlichsten Liedermacherinnen und Kleinkünstlerinnen zählen, die der deutsche Sprachraum derzeit zu bieten hat: Uta Köbernick aus Zürich und die Berlinerin Dota Kehr, genannt "die Kleingeldprinzessin".

Die beiden verbindet nicht nur eine persönliche Freundschaft, die Liebe zur Sprache, zur Musik und zur Bühne, sondern auch leichte Bauchschmerzen bezüglich ihrer unvermeidlichen Kategorisierung als "Liedermacherinnen". Mit einem geschickten Schachzug ist es Uta Köbernick immerhin gelungen, Missverständnissen bezüglich ihres eigenen Kabarett-Stils auszuweichen. Sie hat sich den gängigen und Erwartungshaltungen Vorschub leistenden Schubladisierungsversuchen der Presse und der Öffentlichkeit kurzerhand dadurch entzogen, indem sie sich eine eigene Schublade gezimmert hat, und die nennt sie "Nah-Kunst".

Musikalischen Momentaufnahmen mit Tiefenschärfe

Uta Köbernick wohnt in Zürich, ist aber gebürtige Ost-Berlinerin. Sie ist Autorin, Sängerin und Schauspielerin, war einige Jahre unter Peymann am Berliner Ensemble und feiert derzeit mit ihrem ersten Kabarett-Solo allerorten Erfolge.

"Sonnenscheinwelt" ist ein aus Texten und Liedern auf den ersten Blick vielleicht etwas beliebig und zusammengewürfelt anmutendes Programm, doch Vorsicht! Hinter der vermeintlichen Harmlosigkeit lauert Kalkül, denn Uta Köbernicks oberstes Ziel ist es nicht, ihre Zuhörer zum Lachen zu bringen - das passiert stellenweise ganz von alleine - nein, sie will die Lacher zum Zuhören bringen. Mit oft ganz kurzen, bis zur Pointe konsequent zu Ende gedachten Gedanken. Mit kleinen Gedichten, die große Geschichten erzählen, mit musikalischen Momentaufnahmen von unendlicher Tiefenschärfe oder selbstironischen Befindlichkeitsanalysen von beflügelnder Tragflächenweite; gespickt mit Sinnfallen, gewitzten Widerhaken und hinterhältigen Haarnadelkurven. Und das alles mit einer sprachlichen Gewissenhaftigkeit und wortwörtlichen Sorgfalt, die nicht oft anzutreffen ist.

Zauberstab aus Süßholz

Uta Köbernicks Bühnenfigur wirkt aufrecht und völlig ungekünstelt - und ist in Wahrheit doch ein ganz diffizil gestalteter Charakter: Sie ist böse und frech - und bleibt doch immer unschuldig. Sie scheint naiv - und ist doch weise. Jugendlich unbekümmert - und doch voll Lebenserfahrung. Sie hat ihre Schwächen, aber sie verliert nie ihren Stolz. In Summe ergibt das eine Ausstrahlung, der man sich nur schwer entziehen kann.

Noch schwerer ist es, die Qualitäten ihrer Schöpferin auf den Punkt zu bringen. Dem Schweizer Kleinkunstpreisträger Andreas Thiel ist es unlängst folgendermaßen gelungen: "Uta Köbernick schneidet beim ganz normalen Leben die Längen raus. Was bleibt, sind so dicht noch nie gedachte Gedanken. Ihr Schreibstil ist spannungsgeladene Schönheit. Und in ihrem Kopf wohnt ein Schalk mit einem Zauberstab aus Süßholz, der unkontrolliert Funken schlägt." Anders gesagt: Uta Köbernick - ein subtiles Naturereignis.

Lieder für Herz und Hirn

Zusammen mit der Kleingeldprinzessin Dota Kehr trotzte sie im vergangenen Juni in Wien erfolgreich dem Publikumssog und der medialen Übermacht der in ihrem Heimatland Schweiz und in Österreich ausgetragenen Fußball-Europameisterschaft. Ihr erstmaliger gemeinsamer Auftritt im Theater am Spittelberg geriet zu einem stimmungsvollen und umjubelten Konzert.

Mit ihrem Soloprogramm "Sonnenscheinwelt" gastiert Uta Köbernick am 1. November 2008 erstmals in Wien, um 19:30 Uhr im Kabarett Niedermair. In vier Wochen kommt dann auch die "Kleingeldprinzessin" Dota Kehr mit ihrer Band, den "Stadtpiraten", erstmals nach Wien, und zwar im Rahmen der Verleihung der "Deutschen Liederpreise", die am 22. November 2008 in der Szene Wien über die Bühne gehen wird.

Dota Kehr zählt zu den wenigen, denen es gelingt, die deutsche Sprache zum Tanzen zu bringen. Und mit ihren Songs über die großen und kleinen, oft verstrickten Gefühle und Situationen des Großstadt-Alltags trifft sie immer wieder den Nerv unserer Zeit. Lieder für Herz und Hirn. Ganz genau beobachtet, poetisch, wortwitzig gereimt und auf eine höchst unprätentiöse Weise hochintelligent.

Mit der Geschwindigkeit des Schalls

Es ist kein Zufall, dass Dota Kehr schon seit Jahren zu den gefeierten Geheimtipps der Berliner Liedermacherinnen-Szene zählt und in Deutschland unermüdlich landauf, landab Konzerte spielt. Ob solo oder mit ihrer Band den "Stadtpiraten": Mit ihren faszinierenden Texten, ihrer Stimme - federleicht und frei von jeglichem Pathos - und mit ihrer musikalischen Vielseitigkeit - von Bossa Nova über Balkan, Pop, Reggae und Rap bis hin zum klassischen Chanson - lässt die "Kleingeldprinzessin" nie auch nur einen Hauch von Eintönigkeit aufkommen.

Dota Kehr und Uta Köbernick verbindet künstlerisch einiges miteinander, erstaunlicherweise auch, als das Gespräch auf ihre Vorbilder kommt: Dazu gehört der von beiden verehrte und hierzulande noch weitgehend unbekannte Liedermacher Sebastian Krämer.

Hör-Tipp
Contra, Sonntag, 26. Oktober 2008, 22:05 Uhr

Veranstaltungs-Tipp
Uta Köbernick, "Sonnenscheinwelt", 1. November 2008, Kabarett Niedermair,
Ö1 Club-Mitglieder bekommen ermäßigten Eintritt (Vorverkaufspreis an der Abendkasse)

Links
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