Das Geheimnis des Gambenspiels

Viola da Gamba

Die Herkunft der Gambe liegt im Orient. Die von den Mauren nach Spanien importierte "Rebab" und die Laute gelten als Vorläufer dieses Streichinstrumentes. Die Viola da Gamba erfährt heute mit dem erwachten Interesse an Alter Musik ihre Renaissance.

Lorenz Duftschmid über die Gambe

Den Namen erhielt sie durch die Körperhaltung, die ihr Spieler beim Musizieren einnimmt. Denn ihren bauchigen Resonanzkörper, der in einen schlanken Instrumentenhals mündet, klemmt sich der Virtuose zwischen die Beine, um den Darmsaiten mittels Bogen oder Fingerspitzen zarte Töne zu entlocken.

Die Viola da Gamba oder "Kniegeige" galt für mehr als 500 Jahre, vom Mittelalter bis zum Barock, als Symbol für die verfeinerte Lebensart bei Hofe.

Ein Individualist unter den Saiteninstrumenten

In Frankreich, Spanien, England oder Deutschland entwickelten sich im Gambenbau regionale Eigenheiten. Kein Instrument war wie das andere. Die Instrumente unterschieden sich in Größe, Form und Verzierungen. In Italien war die Gambe mit sechs, in Frankreich mit sieben Saiten bespannt.

Allen Instrumenten gemeinsam war ihr Klangvolumen über mehr als vier Oktaven, das mit der menschlichen Stimme verglichen wurde. So lobte 1636 der Musiktheoretiker Marin Mersenne in seiner "Harmonie Universelle", übersetzt von Agnes Ploteny, die Viola da Gamba als nobelstes aller Saiteninstrumente.

Harmonie Universelle

Gewiss, wenn man die Instrumente danach bewertet, welches am besten die Stimme imitiert und von allen Künsten jene am meisten schätzt, die am besten die Natur darstellt, dass man den Preis der Gambe nicht verwehren kann, die ihre Stimme in all den Modulierungen und selbst in ihren bezeichnendsten Akzenten der Trauer und der Freude nachahmt. Denn der Bogen der die erwähnte Wirkung zeitigt, hat einen Strich, der etwa gleich lang ist wie der gewöhnliche Atem einer Stimme, und kann also deren Freude, Trauer, Wendigkeit, Sanftheit und Kraft durch Länge, Geschwindigkeit, Lockerung oder Druck imitieren.

Das körperliche Empfinden ist beim Spiel der Gambe wichtig, meint der Musiker Lorenz Duftschmid. Der Musiker spürt die Resonanz des Instrumentes, das er zwischen den Knien hält. Auch für die Gambistin Eva Reiter ist der Körperkontakt zum Instrument bestimmend. Das Geheimnis beim Gambenspiel liegt in der Bogenhaltung. Denn der Bogen ruht beim Gambenspieler in der Handbeuge zwischen Damen und Zeigefinger. Mit dem Mittelfinger spannt der Gambenspieler die Bogenhaare und moduliert damit den Ton.

Der Musiker als Komponist

Beim Gambenspiel wird jeder Musiker auch zum Komponisten. Denn Komponisten wie Claudio Monteverdi oder Diego Ortiz notierten nur das musikalische Grundgerüst. Über dieses wurde improvisiert. Die Art, wie über das Thema improvisiert werden sollte, war in Traktaten festgelegt.

Eines der ersten Traktate erschien 1553 in Rom, und zwar von dem in Toledo gebürtige Spanier Diego Ortiz. Er wurde als Kapellmeister an den Hof des Vizekönigs von Neapel berufen. Dort veröffentlichte er seine "Tratato de Glosas". Das zwei Bände umfassende Werk enthielt detaillierte Anweisungen für den Musiker.

Die siebente Saite

In Frankreich, am Hofe Ludwig XIV., reüssierte ein Musiker: der Komponist und Gambenvirtuose Marin Marais. Er hat die Kunst des Gambenspiels nachhaltig geprägt. In seinen "Pièces de viole" aus dem Jahr 1686 führte er für die Gambe Interpretationszeichen in die Notenschrift ein, die heute noch gebräuchlich sind. Und er entwickelte die siebente Basssaite.

Die Lyral Viol
Auf der anderen Seite des Ärmelkanals, in England, experimentierten die Gambenspieler mit ihrem Instrument. Sie suchten nach neuen harmonischen Systemen, indem sie die Gambe "verstimmten". Dieser Gambenstil wird als Lyral Viol bezeichnet. Im Gegensatz zur französischen und italienischen Schule aber wird auf der Lyral Viol nicht improvisiert.

Als höfisches Instrument war die Gambe nach der französischen Revolution in Vergessenheit geraten. Neue Instrumente mit kräftigerem Tonvolumen wurden gebraucht, um die Orchester in den Konzertsälen zu bestücken. In der bürgerlichen Hausmusik dominierte das Klavier. Doch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erwachte das Interesse für die Alten Meister wieder. Und Instrumentenbauer rekonstruierten nach alten Plänen Instrumente. Die Gambe erlebte eine Renaissance. Für die Musiker bedeutet das, zu experimentieren und auszuprobieren, wie sich auf diesem Instrument musizieren lässt.

Hör-Tipp
Radiokolleg - Viola da Gamba, Montag, 27. Oktober bis Donnerstag, 30. Oktober 2008, 9:45 Uhr