"Herbst" im Interpretationsvergleich
Haydns Oratorien
"Juchhe, der Wein ist da" singt das Landvolk in Joseph Haydns Oratorium "Die Jahreszeiten". Im Alterswerk des Jahres 1801 wird geerntet, die Hunde schnüffeln, die Vögel fliehen, der Hirsch wird gehetzt - am Ende der Wein und ausgelassener Tanz.
8. April 2017, 21:58
"Der Wein ist da" in drei Versionen
"Trotz der wenig dramatischen Inhalte versuchte Joseph Haydn erfolgreich, jeder Jahreszeit innere Kontraste zu verleihen", schreibt Gottfried Scholz in seinem aufschlussreichen Büchlein "Haydns Oratorien". "In den beiden ersten Teilen war dies durch den Gegensatz zwischen wilden Stürmen und lieblichem Wachstum der Natur gegeben. Im Herbst musste ein neuer Akzent eingeführt werden, und der bot sich aus der österreichisch-ländlichen Tradition unter Einbeziehung von Erntedankfeier, Jagd und fröhlichem Trinkgelage an", so Scholz.
Wenn Sie sich schlau machen wollen über die Entwicklung der musikalischen Gattung Oratorium und über die kompositorischen Besonderheiten in Haydns Chorwerken als Wegbereiter zu den Oratorien "Schöpfung" und "Die Jahreszeiten", ist dieses Buch ein hilfreicher musikalischer Werkführer.
Panorama von Haydns kreativem Leben
Es ist ein Alterswerk, die Komposition eines Mannes, der auf die 70 zuging und während des Schreibens Angst hatte, dass ihm die Kraft und die Ideen ausgehen könnten, was mitnichten der Fall war. "Die Jahreszeiten" wurden ein sehr erfolgreiches Werk und ein würdiger Nachfolger der "Schöpfung".
Die Uraufführung fand am 24. April 1801 in Wien, im Palais Schwarzenberg statt. Der Andrang des Publikums war so gewaltig, dass es zu einer zweimaligen Wiederholung in den nächsten Tagen kam. Am 24. Mai folgte dann eine Privataufführung am kaiserlichen Hof, im Dezember desselben Jahres fanden zwei Aufführungen im Burgtheater statt.
Große Orchesterbesetzung
Textdichter war - wie bei dem Oratorium "Die Schöpfung" - Freiherr Gottfried van Swieten, der eine freie Bearbeitung von James Thomsons aufklärerischem Lehrgedicht "The Seasons" gestaltet hatte. Haydn wählte eine große Besetzung: Drei Solostimmen, drei Figuren, die mit Unterstützung des Chores den Ablauf der Jahreszeiten kommentieren, der Pächter Simon, seine Tochter Hanne und Lukas, der junge Landmann. Großes Orchester lässt Haydn auffahren: je zwei Holzbläser, also Flöten, Oboen, Klarinetten, Fagotte, die Trompeten und Posaunen besetzt er dreifach, die Hörner gar vierfach. Außerdem gibt’s auch ein Kontrafagott. Pauken und anderes Schlagwerk sieht die Partitur vor, dann natürlich Streicher und Basso continuo.
Hören Sie in unserem Audio eine Stelle aus dem letzten Chor, "Der Wein ist da" in drei Interpretationen. Zunächst gesungen vom amerikanischen Chor The Minnesota Chorale: Weit entfernt vom Feeling eines österreichischen Landlers. Der Brighton Festival Chorus unter Antal Doratis Stabführung ist da schon musikantischer und in der Agogik mit dem Dreiertanz vertrauter, das englische schimmert durch bei "die Kannen" oder "die Becher leer". Der Arnold Schönberg Chor ist im dritten Teil unsere Audios mit den Wiener Symphonikern unter Nikolaus Harnoncourt zu hören. Der Tanz vermittelt sich deutlich. Hier sieht man die Paare sich drehen, erdig, mit vitalem Zugriff.
Hör-Tipp
Ausgewählt, Mittwoch, 29. Oktober 2008, 10:05 Uhr
Buch-Tipp
Gottfried Scholz, "Haydns Oratorien. Ein musikalischer Werkführer", C.H.Beck
CD-Tipp
Joseph Haydn, "Die Jahreszeiten", Arnold Schönberg Chor, Wiener Symphoniker, Nikolaus Harnoncourt, Decca
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