Geld stinkt nicht
Die 100 reichsten Osteuropäer
Das polnische Polit-Magazin "Wprost" ("Direkt") hat die Liste der reichsten Menschen 2008 für die Ländern des postkommunistischen Europas veröffentlicht. Es überrascht nicht, dass die meisten davon aus Russland kommen.
8. April 2017, 21:58
Die ersten 16 Plätze der "Wprost"-Liste belegen zwölf Russen und vier Ukrainer. Der erste Nicht-Russe und Nicht-Ukrainer ist der Tscheche Petr Kellner (Platz 17) mit einem Vermögen von sieben Milliarden US-Dollar. Der reichste Mann des ehemaligen sozialistischen Imperiums ist nach "Wprost" der Russe Sulejman Kerimow, mit einem Vermögen von 24,5 Milliarden US-Dollar.
Interessanterweise ist in der bekannten "Forbes"-Liste der reichsten Menschen der Welt Sulejman Kierimow auf dem 42. Rang mit 17,5 Milliarden US-Dollar zu finden. Nach "Forbes" ist der reichste Mann aus den ehemaligen sozialistischen Ländern Oleg Deripaska, der 2007 diesen Rang auch bei "Wprost" inne hatte.
Unabhängig davon, wie es zu diesen unterschiedlichen Rängen gekommen ist und nach welchen Kriterien die Recherchen durchgeführt worden sind, kann man ganz grundsätzlich überrascht sein vom Vermögen dieser "reichsten Menschen", die aus Staaten kommen, die einst stolz auf ihre gleich armen Bürger waren. Privates Vermögen war unerwünscht und, wenn doch vorhanden, blieb es ohne äußerliche Anzeichen versteckt. Die sozialen Ungleichheiten übte man auf andere Art und Weise aus.
Die neue Elite
Es ist bekannt, dass nach politischen und gesellschaftlichen Änderungen eine neue soziale Stratifikation erfolgt. Die ersten Besucher nach der Wende (Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts) des einst "östlichen Lagers" waren erstaunt, wie groß die Unterschiede zwischen den "durchschnittlichen" Bürgern und der neu entstandenen Elite waren.
Damals, in den noch immer schäbigen Straßen und bei dem noch herrschenden Bild des überwundenen Sozialismus fuhren zwischen Verkehrsmitteln vorwiegend östlicher Herkunft feuerrote Ferraris, Bentleys mit abgedunkelten Scheiben und andere superteure Autos. Dieses Bild konnte man auch in den vom Krieg gezeichneten Staaten Südosteuropas "genießen". Die Neureichen haben ganz offensichtlich ihren Reichtum (nicht nur die tollen Kutschen) den eigenen, nach der Wende noch ärmer gewordenen Mitbürgern zur Schau gestellt.
Vom Apfel zur "Wprost"
Die Legende vom amerikanischen Millionär, der seinen Reichtum mit dem Verkauf von einem Apfel begründete, war sehr beliebt, wenn man in den ehemals sozialistischen Ländern über Reichtum und wie man reich werden kann, sprach. Der Millionär hat seinen Apfel zum Essen bekommen, aß ihn aber nicht auf. Er verkaufte den Apfel, kaufte gleich zwei, die er weiterverkaufte. Er kaufte jetzt vier und so weiter bis zum Ende der Geschichte; dann erbte er ein Vermögen.
Die Neureichen im Osten hatten nichts zu erben, dass sie ihr Vermögen mit Apfelverkauf aufgebaut haben, ist allerdings auszuschließen. Die Frage scheint ihren Mitbürgern auch nicht so wichtig. Sie verfolgen wie in einer Seifenoper das glänzende Leben ihrer neuen Elite. Man weiß fast alles über sie und ist froh, zu sehen, dass das Schiff "ihrer" Reichen größer als die Yacht von einem aus einem anderen Land ist. So berichten, zum Beispiel, bulgarische Medien, dass unter den hundert reichsten Menschen in Zentral- und Osteuropa drei Bulgaren sind (Vasil Bozhkov auf Platz 61, etwas mehr als eine Milliarde US-Dollar schwer).
Self made
Sogar die Zeitschriften, die diese Listen veröffentlichten, zeigen kein Interesse an der Herkunft dieser Vermögen. Bei drei der angeführten reichen Russen beschränkt sich "Wprost" auf eine einfache Anmerkung: "Fortune: self made". Alle anderen einfachen Daten, wie zum Beispiel "Er war die graue Eminenz am Hof von Vladimir Putin" ("Wprost" über Roman Abramowicz) oder "Abramowicz verließ die Schule und machte dann Anfang der 1990er mit einer Serie von umstrittenen Ölgeschäften sein Vermögen" ("Forbes") scheinen den so beschriebenen Personen auch gar nicht zu schaden, ganz im Gegenteil.
Blättert man weiter durch diese Listen, findet man in den Beschreibungen der wirtschaftlichen Aktivitäten viele in Westeuropa wichtige Unternehmen und Institutionen. Erinnert sei an Abramowicz' Besitz des britischen Fußballclubs "Chelsea" und Oleg Deripaskas Anteile am Magna-Konzern Frank Stronachs und Hans Peter Haselsteiners Strabag.
Wie man schnell, sehr schnell, sehr reich werden kann, bleibt dennoch unthematisiert. Faktum ist, dass diese Menschen in kürzester Zeit "vom Tellerwäscher zum Millionär" geworden sind. Ihren ärmeren Mitbürgern erscheinen sie fast als Helden, die aus dem grauen, sozialistischen Leben in die Luxuswelt des Kapitalismus mit großem Erfolg eingetreten sind. Die "kleinen Leute" dürfen davon träumen, dass ihnen das auch gelingen möge.
Der Westen macht mit diesen Businessmännern Geschäfte, denn ihr Geld, wie allen klar ist, stinkt nicht. Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzkrise (nach den jüngsten Berichten: Wirtschaftskrise) dem Vermögen der reichsten Menschen Osteuropas Verluste bringen wird - oder sie vielleicht die Führung der "Forbes"-Liste übernehmen.