Herrinnen und Mägde

Lob der Stubenmädchen

Sie waren die guten Geister, Geliebte und Gejagte - so jedenfalls zeigt sie die Opernbühne. Die Rede ist von den Hausangestellten der großen Namen der Musikgeschichte. Manche haben nachträglich doch noch ein Gesicht, einen Namen, eine Geschichte bekommen.

Im Lebenslauf der Wilhelmine von Bayreuth, Komponistin und Schwester des Friedrich von Preußen und verheiratete Markgräfin von Brandenburg-Bayreuth, fällt nicht nur kompositorisches Talent auf und ihr Mäzenatentum - sie schenkte ihrer schönen Tochter zur Hochzeit ein Opernhaus - sondern auch ein markantes Detail bei der Scheidung.

Sie, die Schwester des Preußenkönigs, musste zwar die Ehe mit dem Markgrafen, der sie mit den Hofdamen betrog, nicht fortführen, bekam sogar ein "fürstliches" Salär ausgesetzt, aber, eines behielt sich der Markgraf vor, er bestimmte ihre Dienstboten, und bewahrte damit die Macht über ihr Leben.

Sie, die sich durch ihre Friedensdiplomatie mit Maria Theresia den Groll ihres hoheitlichen Brudes zuzog, musste also zulassen, dass ihr Exgatte weiter Einblick in ihr Leben bekam und es von einer ganz wichtigen Position aus beherrschte.

Herr-Knecht-Problematik

Die Dienenden sind die Herrschenden: das machen Magenta und RiffRaff aus der Rocky Horror Picture Show deutlich. Sie sind die Namenlosen, die, wie wir aus Brahms-Bigraphien wissen, die Gäste erwarten, genauestens über diese informiert sind, die unbemerkt die Sakkos und Westen enger nähen, wenn Brahms den dramatischen Gewichtsverlust am Ende seines Lebens nicht bemerken sollte.

Schönbergs Dienstmädchen

Sie bleiben namenlos und sind erst einer Erwähnung wert, wenn sie fehlen: Schönberg beklagt die Abwesenheit "des Mädels" in Briefen an Zemlinsky, als er nach Mödling übersiedelt. Nahezu 100 Jahre später meldet sich die Enkelin des Mädels bei mir. Der Sohn des "Mädels" Josefine Wally war Landtagsabgeordneter und Hauptschuldirektor geworden, was einmal mehr für die gute kluge Erziehungsweise des Mädels spricht. Wer der vielleicht auch kluge Vater war, verschwieg Schönbergs Dienstmädchen, aber wir dürfen ihn im Kreise der Gäste des Hauses vermuten.

Botinnen der Heimat

Selten genannt und gelobt, ist eine der wenigen Elogen auf die Dienstmädeln, von Bertolt Brecht überliefert, gedichtet auf sein Dienstmädel Mari Hold:

Sie versahen die kleine Wohnung.
Sprechend die Sprache meiner Jugend, Bayrisch
(…)
Freundlich immer
Taten Sie, was zu tun war …


Sie war eine von den Dienstbotinnen, die ihre Herrschaften ins Exil begleiten, die damit Botinnen auch der Heimat waren. Ina Gebauer, die Dienstbotin Alma Mahlers, folgte Alma ins Exil, betreute voll Stolz die alternde, Diabetes erkrankte und alkoholsüchtige Witwe, wachte mit ihr die schlaflosen Nächte durch, wich nicht von ihrer Seite. Almas Tochter Anna nannte sie "eine Leibeigene”.

Klassische Bühnenfiguren

Gejagt auf der Opernbühne von Mozarts Figaro bis Strauss´ Rosenkavalier, gejagt wie die Zofe Mariandel, die sich dann doch als Oktavian herausstellt, sind sie es, die Stubenmädchen, die die Musikgeschichte überliefern.

Überbringerin der guten Nachricht

Als Gustav Mahler 1899 Urlaub in Aussee macht, hört er während eines Spazierganges eine Geige mit Klavierbegleitung. Er bleibt vor dem Fenster stehen, hört eine halbe Stunde Bach-Sonaten und sagt zu seiner Begleiterin: "Das lasse ich mir gefallen, wenn man so Bach spielt, dann ist's ein Vergnügen zuzuhören.”

Die Spielenden, Herr und Frau von Kaiserfeld, merkten nichts vom hehren Zuhörer, hätte nicht ihr Stubenmädchen ihnen davon berichtet. Das macht die Hausfrau außerordentlich froh: "Von maßgebender Seite derart beurteilt zu werden, machte uns natürlich sehr stolz.”

Eine Würdigung

Manche der Dienstmädchen der Musikgeschichte wurden geheiratet, viele taten Geliebten-Dienste, das Recht der ersten Nacht war von der Männerseite schwer verzichtbar.

Ganz anders Doria, die ihre Reinheit nach ihrem Tod sogar schriftlich beglaubigt haben wollte. Trotzdem wird sie von den Eifersüchteleien von Puccinis Gattin Elvira belästigt. Als Doria stirbt, ist Puccini verzweifelt. " (…) wie elend ist mir. (…) Haben Sie Mitgefühl mit mir (...) was soll ich tun?”

Eine Biographie von der Dienstboten-Seite hat Helmut Krausser über Puccini geschreiben. Endlich kommen sie zu ihrem Recht: die beiden Dienstmädchen Doria und Alice, die Köchin Angiolina, der Majordomus Giulio. Sie kommen - ganz ihrer Bedeutung gemäß - vor den Freunden, den Librettisten und Verlegern, vor den Dirigenten, den Künstlerinnen und Künstlern um Puccini.

Tipp
Die Musikliste zum Thema finden Sie in Ö1 Programm

Mehr dazu in oe1.ORF.at

Buch-Tipps
Wolfgang Ebert, "Brahms in Aussee", Bad Aussee 1997

Dietmar Grieser, "Die gute n Geister", Amalthea 2008.

Helmut Krausser, "Die kleinen Gärten des Maestro Puccini", DuMont 2008

Link
Zeno.org - Johannes Brams