Karl-Heinz Grasser

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Punkt eins

Politiker:innen vor Gericht

Die Mächtigen und der Rechtsstaat. Gast: Univ.-Prof. Dr. Georg Kodek, Präsident des OGH. Moderation: Xaver Forthuber. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at

Das Urteil gegen den ehemaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser ist seit gut zwei Wochen rechtskräftig. Der Vorwurf der Untreue und Geschenkannahme in einem Immobiliendeal hatte die Justiz gut 21 Jahre lang beschäftigt - aber auch die Politik und die Öffentlichkeit, schließlich stand unter anderem ein hochrangiger Politiker und seine Amtsführung vor Gericht.

Die Angeklagten hatten von einem "Fehlurteil" gesprochen, von einer "parteiischen" Besetzung des Erstgerichts. Dem Obersten Gerichtshof obliegt es, solche Vorwürfe über Verfahrensmängel zu prüfen - im Fall BUWOG/Terminal Tower wurden sie letztlich großteils verworfen. Angesichts der "exorbitant hohen Verfahrensdauer" wurde das Strafausmaß aber deutlich reduziert.

Aufsehen erregte auch die Verurteilung der französischen Politikerin Marine Le Pen wegen der Veruntreuung von EU-Geldern - zumal sie nun auch für fünf Jahre ihr passives Wahlrecht verliert. Sie und ihre Anhänger:innen sprachen umgehend von einem "politischen Urteil". Ein schwerer Vorwurf im Rechtsstaat, der aber häufig in den Raum gestellt wird - auch in Deutschland und Österreich, wenn Politiker:innen sich vor Gericht verantworten müssen. "Mein Werkzeug ist das Gesetz, das ist alles, was ich habe, und danach habe ich zu urteilen", konterte die Vize-Präsidentin der Internationalen Richtervereinigung, Sabine Matejka, vergangenes Jahr in einem Fernsehtalk. Also: gleiches Recht für alle - auch für die Mächtigen.

Was passiert, wenn die Justiz tatsächlich zum politischen Instrument wird, kann man in der Türkei sehen, wo Oppositionspolitiker:innen kurzerhand inhaftiert und von der Politik ausgeschlossen werden. Doch auch in den USA geraten Angehörige der Justiz, die ihre Unabhängigkeit und Kontrollfunktion ernst nehmen, zunehmend unter Druck. Die Exekutive unter dem zivil- und strafrechtlich verurteilten Präsidenten Donald Trump sät öffentlich Zweifel an der Objektivität der Justiz, nutzt aber auch gezielt ihre Möglichkeiten, in das Justizsystem hineinzuregieren - etwa bei der Bestellung von Richter:innen und Staatsanwält:innen.

"Die Menschen erwarten zu Recht von den Angehörigen der Justiz, dass sie erforderlichenfalls einen Gegenpol zur politischen Mehrheit bilden, wenn diese das Recht ignoriert", schrieb der Richter Florian Zillner zuletzt in einem Gastkommentar für die Tageszeitung Der Standard.

Eine unabhängige Justiz stellt sicher, dass niemand über dem Recht steht. Dazu braucht sie auch die Resilienz, sich gegebenenfalls politischem Druck entgegenzustellen. Zeigt sich der Rechtsstaat in dieser Hinsicht vertrauenswürdig? Hat er die notwendigen Ressourcen?

Zu Gast bei Xaver Forthuber ist der Präsident des OGH und Universitätsprofessor für Bürgerliches Recht und Unternehmensrecht an der WU Wien, Georg Kodek. Reden Sie mit: Rufen Sie in der Sendung an unter 0800 22 69 79 oder schreiben Sie ein E-Mail an punkteins(at)orf.at

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