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Radiokolleg spezial
Welthandel neu verhandelt
Handel als Machtspiel: US-Präsident Donald Trump mischt mit Zöllen und Deals die Weltwirtschaft auf – vom Konflikt mit China bis zu Milliardenpaketen mit Großbritannien. Während neue Allianzen wie die BRICS-Staaten erstarken, bröckelt der Glaube an ‚Wandel durch Handel‘. Ökonom Nikolaus Kowall warnt: Auch autoritäre Regimes können Kapitalismus – mit Folgen für die globale Ordnung.
27. Oktober 2025, 15:27
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Trump und die neuen Handelsdeals
Es ist alles nur ein Deal, und es gibt einen großen „Dealmaker“: US-Präsident Donald Trump ruft im Sommer 50 Prozent Zölle auf indische Produkte aus. Als Strafe dafür, dass Indien noch immer russisches Öl kauft. Dann wird verhandelt.
Der Handelsstreit mit China eskaliert: 145 Prozent Einfuhrzölle auf Waren aus China. China droht mit Gegenmaßnahmen. Wenig später ein „Durchbruch“ bei den Handelsgesprächen. Trump lässt TikTok in den USA zu, dafür setzen die Chinesen den amerikanischen Chipherstellern nicht mehr so zu.
Die USA und Großbritannien schnüren ein Milliardenpaket: das größte Investitionspaket in der Geschichte Großbritanniens. Tech-Riesen werden auf der Insel investieren, die Engländer produzieren dafür Medikamente in Amerika.
Sicherheit mit Amerika, Handel mit der Welt
Die transatlantischen Beziehungen sollen gefestigt werden. „Ohne Amerika geht gar nichts“, sagte die britische Politologin Melanie Sully auf Ö1 und meint damit die Sicherheitspolitik. „The west against the rest“ – der Westen gegen den Rest der Welt – könnte bald der Vergangenheit angehören. In Südostasien wird schon das Ende einer Ära gefeiert: Für den indischen Politologen Amitav Acharya „eine gute Sache“. Er sieht nach 300 Jahren der Vorherrschaft des Westens ein Zeitalter heraufkommen, in dem sich neue Allianzen bilden werden. Und tatsächlich: Neue Handelsmächte stehen bereit, unter anderem die BRICS-Staaten – allen voran Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika.
Trumps Zollpolitik und ihre globalen Folgen
Die USA waren in den vergangenen Jahrzehnten einer der größten Betreiber und zugleich einer der größten Profiteure der wirtschaftlichen Globalisierung. Doch Zölle, Handelsbarrieren und wirtschaftliche Abschottung werden massive Folgen für die Weltwirtschaft weit über die USA hinaus haben. Trump verspricht den Amerikaner:innen ein Wiederaufblühen der US-Güterproduktion nach dem Motto „America first“. Doch die erratische Zollpolitik sorgt vor allem für Verunsicherung – bei Konsument:innen und Unternehmen.
Wenn Handel keinen Wandel bringt
Der Welthandel war einmal mit einem großen Ziel angetreten: Wandel sollte durch Handel eingeläutet werden. Die deutsche Regierung unter Willi Brandt rief in den 1970er Jahren das Credo „Wandel durch Annäherung“ aus. Die Spannungen im Kalten Krieg mit Russland sollten durch den Austausch von Waren verringert werden. „Seit den 1980er Jahren und bis in 2010er Jahre war die Vorstellung, dass ökonomischer Wohlstand und politische Freiheit Hand in Hand gehen, ein Stützpfeiler westlicher Weltsicht“, sagt Nikolaus Kowall, Autor des Buchs Raus aus der Globalisierungsfalle. In den 1990er Jahren rief Francis Fukuyama sogar optimistisch das „Ende der Geschichte“ aus, weil sich in allen Staaten Marktwirtschaft und Demokratie durchsetzen würden. Ein Irrtum, wie wir heute wissen.
Freier Handel, fester Machtblock
Freier Handel sollte in Russland und in China Wohlstand und Demokratie bringen. Der Wohlstand stieg, doch statt demokratischer Marktwirtschaft nutzten die Autokratien den wirtschaftlichen Aufschwung, um ihre Macht auszubauen. Nun gehen sie gemeinsame Wirtschaftsbündnisse ein und festigen ihre Machtblöcke.
Kapitalismus ohne Freiheit
Mit dem 24. Februar 2022 – der Invasion Russlands in die Ukraine – kollabierte ein zentraler Baustein liberaler Weltsicht. „Wandel durch Handel“ erwies sich als Illusion. Westliche Werte ließen sich nicht einfach so nebenbei mit westlichem Kapital exportieren.
Der Ökonom Nikolaus Kowall sieht die Zukunft nicht sehr optimistisch: „Auch Diktaturen können Kapitalismus. Und das ist erschütternd, weil das heißt, Produktivität steigern zu können, unfassbare Ressourcen zur Verfügung zu haben. Im schlimmsten Fall könnten in wenigen Jahrzehnten die wichtigsten Zentren der kapitalistischen Weltwirtschaft autoritäre, antiliberale und aggressive Regimes sein.“
