Gebäude der WKÖ Wirtschaftskammer in Wien

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Punkt eins

Wirtschaftskammerflimmern

WKO nach Mahrer: Personalrochade oder Neuaufstellung? Gast: Thomas Paster, Associate Professor, Department of Social Sciences and Business, Roskilde University. Moderation: Xaver Forthuber. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at

"Frischer Wind für verstaubte Wirtschaftskammer" - titelte die Tageszeitung "Der Standard" zum Amtsantritt von Harald Mahrer als Wirtschaftskammerpräsident im Mai 2018. Dem "Mann mit dem modernen Image", der schon die ÖVP "von innen heraus verändern" wollte, wurde zugetraut, "mit raschen Innovationen träge Systeme bewegen" zu können. Ein möglicher Befreiungsschlag für die WKO, die auch damals schon für sperrige Strukturen und das Prinzip der Pflichtmitgliedschaft in der Kritik stand.

Am vergangenen Donnerstag bestätigte Mahrer nun seinen Abgang von der WKO-Spitze und auch als Wirtschaftsbund-Chef. Der interne Druck war zu groß geworden - selbst ÖVP-Granden kritisierten öffentlich die geplante und dann verschobene Gehaltserhöhung der WKO-Belegschaft, hohe Entgeltsteigerungen in den Präsidien der Bundes- und Länderkammern sowie die verunglückte Kommunikation Mahrers dazu. Mehrere Landespolitiker:innen wollten einen "Vertrauensverlust unter den Mitgliedern" wahrgenommen haben. "Der Zorn der Unternehmer:innen über den aufgeblähten, teuren Apparat der Wirtschaftskammer ist nun offen zutage getreten", meinte auch die Grüne Wirtschaft in einer Aussendung. Insbesondere die Ein-Personen-Unternehmen unter den Kammermitgliedern hätten sich schon seit Jahren nicht vertreten gefühlt.

Mahrers Verhalten sei lediglich der Auslöser einer tieferliegenden Debatte um strukturelle Interessenskonflikte innerhalb der Wirtschaftskammer, sagt auch Thomas Paster - er lehrt Politikwissenschaft an der Universität Roskilde in Dänemark, ist Mitglied des Arbeitskreises Sozialpartnerschaft an der JKU Linz und hat zur Rolle und zum Selbstverständnis der Wirtschaftskammer innerhalb des sozialpartnerschaftlichen Interessensausgleichs geforscht. Er macht darauf aufmerksam, dass 76 % der Kammermitglieder mittlerweile Einzelunternehmen sind, rund drei Fünftel sind überhaupt Ein-Personen-Unternehmen, beschäftigen also gar keine Mitarbeiter:innen. Die Industrieunternehmen machen dagegen nur 0,6 % der Mitglieder aus.

Das sei im Hinblick auf die Kammerwahlen relevant - und für Thomas Paster auch eine wesentliche Stärke des sozialpartnerschaftlichen Systems etwa gegenüber den USA, wo Industriegiganten und Groß-Parteispender:innen die Wirtschaftspolitik beeinflussen. Wenn dagegen in Österreich versucht wird, "die Wirtschaft" in ihrer Ganzheit zu vertreten - am besten "stark und glaubwürdig", wie Niederösterreichs ÖVP-Chefin und Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner anmahnte - stellt sich allerdings die Frage, wie das zu schaffen ist. Denn innerhalb der Wirtschaftstreibenden stehen sich die Interessen oft sogar diametral entgegen.

Kann eine neue Führung die Wirtschaftskammer entsprechend aufstellen, muss sich die Organisation auch strukturell neu aufstellen, oder muss die ganze Institution oder gar die ganze Sozialpartnerschaft überhaupt hinterfragt werden? Und was davon könnte in der österreichischen Praxis überhaupt passieren? Thomas Paster ist zu Gast bei Xaver Forthuber. Reden Sie mit ihm darüber, was die WKO für Sie ist und/oder sein sollte, welche Interessen sie vertreten kann und wie sie ihre Rolle im Wandel der Zeit und der Wirtschaft wahrnimmt. Rufen Sie in der Sendung an unter 0800 22 69 79 oder schreiben Sie ein E-Mail an punkteins(at)orf.at

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Gestaltung

  • Xaver Forthuber