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Memo
Friede - eine Illusion auf Erden?
"Memo" widmet sich den komplexen Themen Frieden und Gerechtigkeit.
19. Dezember 2025, 11:28
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Memo | 01 01 26, 19:05
Friede auf Erden
Friede ist ein Werk der Gerechtigkeit, heißt es bei dem Propheten Jesaja. Doch in der politischen Realität bleibt von beiden oft nur die "Abwesenheit von Gewalt". "Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens." So lautet die Botschaft von Weihnachten, wie sie die "himmlischen Heerscharen" den "Hirten auf freiem Feld" überbringen: "Heute ist euch der Retter geboren", wie es im Lukas-Evangelium heißt.
Was meinen die Engel damit? "Sie meinen damit ganz konkret den Frieden", sagt die katholische Theologin Ingeborg Gabriel: "Da soll man gar nichts hineinspiritualisieren. Das ist der alte Friedensbegriff: Shalom, Friede auf Erden. Und das bedeutet zuerst einmal ganz konkret die Abwesenheit von Gewalt." Doch selbst in dieser Minimalform scheint "Friede auf Erden" eine Illusion zu sein. Und der Gerechtigkeit geht es nicht viel besser. In der christlichen Theologie gelten Gerechtigkeit und Friede daher als "eschatologische Begriffe", sagt Ingeborg Gabriel: "Das heißt, wir werden sie nie voll verwirklichen können."
Abwesenheit von Gewalt
Die Nachrichten aus aller Welt scheinen das Tag für Tag zu belegen. Selbst in Europa ist die Abwesenheit von Gewalt keine Selbstverständlichkeit mehr. "Ich glaube, wir haben uns zu lang in Sicherheit gewiegt", sagt Gabriel. "Das ist für uns alle eine große Enttäuschung, mit der wir fertigwerden müssen." "Nie wieder Krieg" habe lange Zeit als absoluter Grundsatz gegolten (dem tatsächlich niemand öffentlich widersprechen würde). Die politische Realität sieht freilich anders aus, so Ingeborg Gabriel: "Heute sehen wir, dass die Welt nicht so weiterläuft. Und jetzt fragen wir uns: Wie gehen wir damit um?"
Die christliche Theologie hat sich mit diesem Fragenkomplex seit Jahrhunderten intensiv befasst - bis hin zu der Lehre von einem "gerechten" bzw. "gerechtfertigten Krieg", der als Mittel der Notwehr als zulässig gilt (allerdings nur im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zur realen Bedrohung).
Ein "hochkomplexer Prozess"
Die römisch-katholische Kirche begeht seit 1968 den 1. Jänner als "Weltfriedenstag" und greift damit noch einmal die zentrale Botschaft des Weihnachtsfests auf. Der jeweilige Papst veröffentlicht dazu Jahr für Jahr eine eigene Erklärung, die 2026 dem "unbewaffneten und entwaffnenden Frieden" gewidmet ist. Jesus von Nazareth selbst wird, so Gabriel, in eine "hoch gewaltträchtige Situation" hineingeboren. Das Land ist besetzt, es kommt immer wieder zu Aufständen.
Doch das Kind in der Krippe wird sich als erwachsener Mann für einen radikalen Gewaltverzicht entscheiden - vermutlich zur Enttäuschung einiger seiner Anhänger:innen. Dieser Gewaltverzicht wird vom Weihnachtsengel gleichsam vorweggenommen, sagt Ingeborg Gabriel. Auf politischer Ebene bleibe der Friede (damals wie heute) ein "hochkomplexer Prozess": "Wir bewegen uns in Grauzonen, und ganz klare Lösungen gibt es nicht." Aber eines steht für Gabriel fest: "Die Waffenkäufe allein werden das Problem auch nicht lösen."
So viel wie möglich verwirklichen
Aktuell bleibt für Gabriel auch das Wort aus dem Prophetenbuch Jesaja: Friede ist ein Werk der Gerechtigkeit - auch wenn es sich dabei um eschatologische Begriffe handle: "Wir können und wir müssen so viel Frieden und so viel Gerechtigkeit wie möglich verwirklichen, wobei sich die zwei auch manchmal in die Quere kommen können."
Gestaltung
- Markus Veinfurter
