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Punkt eins
Marokko: Fußballfieber und Jugendproteste
Das Gastgeberland des Afrika-Cups im Fokus. Gäste: Steven Höfner, Leiter des Auslandsbüros Marokko der Konrad-Adenauer-Stiftung & Ingrid Heidlmayr, Migrationsberaterin in Rabat. Moderation: Marina Wetzlmaier. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at
22. Dezember 2025, 13:00
Das Land boomt: Es sind Bauprojekte in gigantischen Maßstäben, die in Marokko für den Fußball gerade errichtet werden; die Jugend protestiert dagegen. Mit der EU kommt es zu einer politischen Annäherung und neuen Handelsbeziehungen; der UNO-Sicherheitsrat sieht Westsahara unter marokkanischer Souveränität. Sind das Zeichen für ein neues Selbstbewusstsein einer aufstrebenden Regionalmacht in Afrika?
In Casablanca, der größten Stadt Marokkos, entsteht derzeit das größte Fußballstadion der Welt. 115.000 Fans sollen darin bei der Fußball-Weltmeisterschaft der Männer 2030 Platz finden, die das nordafrikanische Land gemeinsam mit Spanien und Portugal austragen wird. In Stadien investierte Marokko auch als Gastgeber des Afrika-Cups, der von 21. Dezember bis 18. Jänner stattfindet. Von den neun Spielstätten, in denen 24 afrikanische Teams gegeneinander antreten, wurden vier neu errichtet und fünf frisch renoviert. Das Königreich will sich als Fußballnation beweisen. Auf der FIFA-Weltrangliste belegt es Platz 11 und zählt damit bei der Afrikameisterschaft zu den Favoriten. An erster Stelle auf dem Kontinent liegt Marokko bereits im Tourismus mit rund 17 Millionen Besucher:innen in diesem Jahr. Diese Zahl will die Regierung bis zur WM 2030 noch steigern und lässt zusätzliche Straßen, Hotels, Schienennetze und Flughäfen bauen.
Dieser Bauboom sorgte bei Marokkos Jugend für Ärger und zu den größten Protesten seit des "Arabischen Frühlings" 2011. "Die Stadien sind da, aber wo sind die Krankenhäuser?", rufen die jungen Menschen, die sich online über die Gaming-Plattform Discord organisieren. Die Protestwelle begann Mitte September in Agadir, nachdem in einem staatlichen Krankenhaus nacheinander acht Frauen nach Kaiserschnitten gestorben waren. Das Hassan-II-Krankenhaus, benannt nach dem damaligen König von Marokko, wurde 1967 eröffnet und - im Gegensatz zu den Fußballstadien - nie renoviert.
In mehreren Städten gingen Menschen der Generation Z, die zwischen 1995 und 2010 geboren sind, auf die Straßen. Sie prangern Personal- und Materialmängel in den Krankenhäusern an, fordern Investitionen in das Gesundheitssystem, in die Bildung sowie Arbeitsplätze. Ein Viertel der Marokkaner:innen zwischen 15 und 24 hat weder eine Ausbildung noch einen Job. Die sozialen Ungleichheiten im Land spürt die Jugend besonders stark.
Währenddessen konzentriert sich Marokkos Regierung darauf, seine internationale Position zu stärken. Mit der EU kooperiert sie im Bereich Migration und erhält Gelder, um Menschen an der Überfahrt nach Europa zu hindern. Dafür erwartet sich Marokko eine Anerkennung für seine Ansprüche in Westsahara, das es seit 1975 besetzt. Dort kämpft die Frente Polisario mit der Unterstützung Algeriens für die Unabhängigkeit. 14 EU-Länder, darunter Österreich, bekräftigen hingegen Marokkos Plan, die Souveränität über das rohstoffreiche Gebiet Westsahara zu behalten. Auch der UN-Sicherheitsrat sieht darin eine Grundlage für die Lösung des Konflikts und verabschiedete im November eine entsprechende Resolution.
Die Proteste in den Städten Marokkos sind inzwischen weniger geworden. Menschenrechtsorganisationen berichten von willkürlichen Festnahmen und Gewalt durch die Polizei. Während des Afrika-Cups seien Demonstrationen unerwünscht. Die "Gen Z" rief in der Zwischenzeit zum Boykott des Sportereignisses auf.
Welche Perspektiven hat Marokkos Jugend? Wie geht es politisch weiter? Werden sich die aktuellen Ereignisse auf die Parlamentswahlen im September 2026 auswirken? Wie positioniert sich Marokko zwischen Europa, Afrika und der arabischen Welt?
Darüber spricht Marina Wetzlmaier mit Steven Höfner, Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Marokko, und Ingrid Heidlmayr. Die Österreicherin lebt seit 15 Jahren in der marokkanischen Hauptstadt Rabat und ist derzeit in der internationalen Migrationssozialarbeit tätig. Davor forschte sie zu politischen Transformations- und Demokratisierungsprozessen in Marokko.
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