Kurzfilme aus der Spielkonsole

Der Geist in der Konsole

Im Herzen jedes Computerspiels befindet sich die Game-Engine, die alles steuert, was in einem Game passiert. Gamer haben entdeckt wie man Zugriff auf diese Steuerungszentrale bekommt und können so mit der Spielekonsole Kurzfilme produzieren.

Die Schweizer Medienkünstlerin Shusha Niederberger hat während ihres Studiums Ende der 1990er Jahre begonnen, sich mit Spielekonsolen zu beschäftigen und auch künstlerisch mit ihnen zu arbeiten. Insbesondere mit der Engine des Games "Unreal Tournament" hat sie sich intensiv auseinandergesetzt und diese als eine Art Bildermaschine schätzen gelernt:

"Das Ganze ist ja eigentlich eine Programmierung, um Bilder zu generieren. Und man kann da sehr viele, aber auch sehr einfach Veränderungen vornehmen. Nur wenn man das Verhalten verändern will, dann wird's kompliziert. Also wirklich die Logik vom Spiel verändern und das Verhalten von dynamischen Akteuren - das ist dann wirklich viel Arbeit. Aber um die grafische Oberfläche und Objekte zu verändern braucht man keine Programmierkenntnisse, das ist nur ein bisschen 3D-Arbeit", so Niederberger.

Vorhandene Bilder durch eigene ersetzen

Der Fachausdruck für die solcherart veränderbaren 3D-Objekte und Texturen lautet "Map". In ihrer Arbeit "Vienna Destruction Map" hat Shusha Niederberger gemeinsam mit dem Wiener Medienkünstler Niki Passath dieses Entkleiden eines Computerspiels und das Ersetzen der vorhandenen durch andere und eigene Bilder exemplarisch vorgeführt:

"Wir haben in der Game-Engine ein Wien-Lookalike nachgebaut, nur ein paar Straßenzüge, aber es kamen die ganzen typischen Sachen vor: Anker-Filialen, Trafiken, Gründerzeithäuser, Sozialbauten", erzählt Niederberger. "Und wir haben das dann so gebaut, dass man mit einer Spraydose bewaffnet durch Wien, durch diese Straßen gehen und die Häuser ansprühen konnte - die Spraydose ersetzte dabei die Waffe im ursprünglichen Spiel. Und wenn man Glück hatte, ist dann ein Haus explodiert und zusammengefallen und hat Platz freigegeben und zum Teil auch ganz neue architektonische Strukturen und total futuristische Gebilde. Und das war so ein bisschen ein anarchistisches Vergnügen, weil solche Dinge in einer Game-Engine sehr einfach möglich zu simulieren sind."

Aus dieser Game-Modifikation haben Shusha Niederberger und Niki Passath auch das Machinima "Ein Wiener Kettensägenmassaker" entwickelt, bei dem Bots aus dem Computerspiel mit Kettensägen ausgestattet und aufeinander losgelassen wurden.

Spaß und Freude

Tipps und Tricks für ihre künstlerischen Arbeiten holt sich Shusha Niederberger gerne aus einschlägigen Internet-Foren, in denen sich die Community der "Modder" und Machinima-Filmemacher trifft. Diese Community handelt aus Spaß an der Freud und einem Hacker-Spirit heraus und ohne dabei allzu große Ansprüche auf Qualität oder Originalität zu erheben.

Allerdings finden sich speziell unter den Machinima-Kurzfilmen immer wieder auch welche, die sehr rasch und originell auf aktuelle Ereignisse reagieren. In diesem Zusammenhang ragt vor allem "The French Democracy" heraus, ein Machinima, das 2005 nahezu in Echtzeit die Unruhen in den Pariser Banlieues nachspielte und thematisierte.

Nur wenige Visualisten arbeiten mit Game-Engines

Grundsätzlich sieht Shusha Niederberger das Potential für den künstlerischen und kreativen Einsatz von Spielekonsolen allerdings nicht im Nachahmen klassischer filmischer Formen, sondern in anderen Bereichen:

"Wir sind vom Kino eine solche Qualität und eine solche Verfeinerung gewohnt, dass wir den rohen Bildern, die Machinimas meist erzeugen, nicht wirklich viel abgewinnen können", meint Niederberger. "Und es ist auch schwierig, mit so einer Engine ein so hohes filmisches Niveau zu erreichen. Bei Live-Videos, also VJing wäre das hingegen ein ganz anderes Setting. Ich denke, es würde fast besser dort reinpassen. Aber interessanterweise wird es dort auch nicht verwendet. Es gibt sehr wenige Visualisten, die mit Game-Engines arbeiten obwohl man damit unglaubliche Bilder generieren könnte.

Hör-Tipp
Matrix, Sonntag, 26. Juli 2009, 22:30 Uhr

Links
Shusha Niederberger
Machinima.com - The French Democracy

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