Das sozialistische Kuba

Patria o Muerte

In der Nacht vom 1. auf den 2. Jänner 1959 verkündete Fidel Castro den Sieg der Revolution. Dass ein Häuflein Revolutionäre die weit überlegene Armee der Diktatur besiegen konnte, ist eine der großen Unwahrscheinlichkeiten der Geschichte.

Es gibt Staaten, denen man kaum unvoreingenommen oder unbefangen begegnen kann. Kuba ist der Paradefall. Es ist extrem schwierig, vielleicht sogar unmöglich, dem sozialistischen Kuba gerecht zu werden, denn einerseits sind die Errungenschaften der Revolution unleugbar: Bei elementaren Indikatoren wie Lebenserwartung, Säuglingssterblichkeit und Bildung liegt Kuba fast gleichauf mit Westeuropa und sogar deutlich besser als etwa die zu den USA gehörende Karibikinsel Puerto Rico. Andererseits sind es gerade die USA, die die fehlende individuelle Freiheit in Kuba beklagen.

Tatsache ist, dass es wenig Meinungsfreiheit, vor allem aber keine Freiheit der Medien gibt. Doch es lässt sich unschwer ausmalen, was passieren würde, wenn freie Medien erlaubt würden. Die USA würden mit unerschöpflichen Geldsummen die Gründung von Radio-, TV- und Printmedien unterstützen, die alle nur ein Ziel hätten: den sozialistischen Staat zu unterminieren.

Ebenso verhält es sich mit der stark eingeschränkten Reisefreiheit der Kubaner: Die USA würden versuchen, gerade die am besten Ausgebildeten mit verlockenden Angeboten zu einem Verlassen der Insel zu bewegen. Wer würde schon widerstehen, wenn er in Kuba auch als Arzt oder sonstiger Spezialist kaum mehr als 15 Euro im Monat verdient?

Gefahr: Tourismus

Umgekehrt ist es gerade das angeblich freieste Land der Welt, das seinen Bürger und Bürgerinnen bei empfindlichen Strafen verbietet, ein kleines Nachbarland zu besuchen, in dem ihnen keine Gefahr droht, nicht einmal die der ideologischen Indoktrination. Im Gegenteil - nichts würde wahrscheinlich so sehr den kubanischen Sozialismus gefährden wie Massentourismus aus den USA.

Schon jetzt hat der seit den 1990er Jahren intensivierte Tourismus (hauptsächlich aus Westeuropa und Kanada) zu einer Zwei-Klassen-Gesellschaft geführt, verbunden mit zwei Währungen in einem Land: Der Peso Convertible (CUC), mit dem die Touristen zu bezahlen haben, ist das 24-fache des nationalen Peso wert.

Bestechliche Kontrolleure

Der chronische Devisenmangel hat zu bizarren Auswüchsen geführt, zum Beispiel zu den Langustenkontrolleuren. Da der sozialistische Staat die auch in Kuba raren Krustentiere möglichst teuer an Touristen und Touristinnen verkaufen will, dürfen seine Staatsbürger das nicht tun. Und so werden Häuser, in denen Privatzimmer vermietet werden, regelmäßig daraufhin überprüft, ob nicht auch eine schmackhafte Languste auf dem Teller der ausländischen Gäste gelandet ist.

Kontrolle ist besser, aber die Kontrolleure sind meist bestechlich. Die Zurückdrängung des Geldes hat dazu geführt, dass das Geld ganz besonders wichtig ist.

Opferbereitschaft und moralische Werte

Den "neuen Menschen" hingegen, den Che Guevara unermüdlich propagierte, sucht man im heutigen Kuba vergeblich, trotz des Kultes, der um die Person des Che gemacht wird. Wo es materiell an so vielem mangelt, muss an Opferbereitschaft und moralische Werte appelliert werden.

Aber wer besitzt schon die Uneigennützigkeit, für die Gleichheit aller die eigenen Bedürfnisse auf unabsehbare Zeit hintanzustellen - mittlerweile seit 50 Jahren? Am meisten gestützt wird das System paradoxerweise durch die unausgesetzten US-Versuche, es in die Knie zu zwingen. Denn auf den Patriotismus seiner Landsleute kann sich das Regime immer noch verlassen, gemäß der Parole Fidel Castros: "Vaterland oder Tod! Patria o muerte!"