Arthur Conan Doyle wird meist unterschätzt

Mehr als Sherlock Holmes

Jeder kennt Sherlock Holmes, doch wer kennt Arthur Conan Doyle? Den britischen Autor auf sein berühmtes Duo Sherlock Holmes und Dr. Watson zu reduzieren, sei zu kurz gegriffen, meint Sherlock-Holmes-Fan und -Fachmann Michael Ross.

Am Hermeskeiler Platz in Köln ist die wohl kleinste Buchhandlung der Stadt zu finden. Sie trägt den Namen Baskerville - und wer dabei an Sherlock Holmes denkt, liegt richtig. Denn neben Kinder- und Jugendbüchern, aktuellen Romanen und Sachbüchern sind hier vor allem Bücher über Sherlock Holmes und seinen geistigen Vater Arthur Conan Doyle zu finden.

Michael Ross, der die Buchhandlung samt Internet-Shop und Verlag gemeinsam mit seiner Frau betreibt, hatte als 12-Jähriger eine Sherlock-Holmes-Bearbeitung für Jugendliche in die Finger bekommen. 20 Jahre später hat ihn das Thema noch immer nicht losgelassen. Neben der Buchhandlung und dem Verlag schreibt Michael Ross an seiner Doktorarbeit über das Detektivgenre und ist in der Deutschen Sherlock-Holmes-Gesellschaft aktiv.

Der Stoff geht niemals aus

Das Spannende an Sherlock Holmes sei, so Michael Ross, dass man sich auf so vielfältige Weise mit der Figur und ihrem Autor beschäftigen könne. Zwar hat Arthur Conan Doyle nur vier Romane und 56 Erzählungen geschrieben, doch es gibt viele Adaptierungen des Stoffes in Filmen, Theaterstücken, Comics und Computerspielen und unzählige Romane und Erzählungen von anderen, späteren Autoren, in denen Sherlock Holmes als Figur vorkommt.

Darüberhinaus treffen sich Sherlock-Holmes-Fans in Clubs und Vereinen, wie der "Sherlock Holmes Society of London", der US-amerikanischen "The Bakerstreet Irregulars", oder eben der Deutschen Sherlock-Holmes-Gesellschaft und diskutieren mit großem Engagement zum Beispiel über Ungereimtheiten der Erzählungen.

Eine derartige Ungereimtheit ist zum Beispiel, dass Dr. Watson in einer Geschichte eine Kriegsverletzung in der Schulter hat und in einer anderen im Bein. Um diese Ungereimtheit haben die Sherlock-Holmes-Fans schon die wildesten Erklärungen und Gerüchte gerankt, die von wandernden Kugeln bis zu "eigentlich war die Verletzung ganz woanders, aber das war peinlich und deshalb hat Dr. Watson gelogen" reichen.

Das Gesetz der Serie

Die Beliebtheit der Sherlock-Holmes-Geschichten sei aber nicht allein durch diese vielfältigen Möglichkeiten der Beschäftigung erklärbar, meint Michael Ross, ein wichtiger Aspekt sei, dass die Erzählungen zuerst in der englischen Monatszeitschrift "Strand Magazine" erschienen sind und von vielen Menschen zeitgleich gelesen wurden.

Im Gegensatz zu seinen Zeitgenossen schuf Arthur Conan Doyle aber in sich abgeschlossene Geschichten, sodass es nichts ausmachte, wenn man eine Geschichte nicht gelesen hatte. Trotzdem entstand über mehrere Erzählungen hinweg eine gewisse Kontinuität und eine Art Biografie von Sherlock Holmes und Dr. Watson.

Ein weiterer Grund für die Beliebtheit der Sherlock-Holmes-Geschichten sei die gute Lesbarkeit, so Michael Ross. Conan Doyle habe es geschafft, spannend zu schreiben mit einem gewissen literarischen Anspruch, dabei aber nicht zu abgehoben zu werden. Damit habe er viele Menschen angesprochen. Im Gegensatz zu anderen Krimiautoren seiner Zeit habe er außerdem Humor in seine Erzählungen eingebaut.

Schreibtalent in die Wiege gelegt

Schaut man sich die Familiengeschichte von Arthur Conan Doyle an, verwundert dieses Talent für das Schriftstellerische nicht. Das Schreiben von Detektivgeschichten war für ihn nicht, wie in manchen Kurzbiografien suggeriert wird, eine Notlösung angesichts fehlender Patienten in seiner Londoner Augenarztpraxis. Vielmehr war ihm das Geschichtenerzählen in die Wiege gelegt und die Medizin nur eine Zwischenstation in seinem Leben.

Arthur Conan Doyle wurde am 22. Mai 1859 in Edinburgh in eine irischstämmige, streng katholische Familie hineingeboren. Sein Großvater war ein berühmter Karikaturist, die Brüder seines Vaters waren ebenfalls in der Kunst erfolgreich und seine Mutter erzählte ihm als Kind häufig Abenteuergeschichten.

Sein Vater war ebenfalls künstlerisch begabt gewesen, wurde jedoch früh alkoholkrank und verbrachte viele Jahre seines Lebens in geschlossenen Anstalten. Durch einen wohltätigen Untermieter der Mutter, der selbst Arzt war, wurde Arthur Conan Doyle jedoch zum Medizinstudium angeregt. Er arbeitete danach auch einige Jahre als Arzt in Southsea bei Portsmouth.

Der Held, der niemals stirbt

Schon in der Schulzeit galt Arthur Conan Doyle als großer Erzähler, der seine Mitschüler so über den Klippen zappeln ließ, dass sie ihn mit Keksen und Äpfeln bestachen, damit er weitererzählte. Er schrieb als Jugendlicher auch Gedichte und eine Schülerzeitung und verfasste später neben dem Arztberuf erste Abenteuererzählungen, die in Zeitschriften veröffentlicht wurden.

Durch die Beliebtheit der Sherlock-Holmes-Geschichten und sein Verhandlungsgeschick konnte er schon bald vom Schreiben leben und gab den Arztberuf schließlich auf.

Da er nicht nur für Sherlock Holmes, sondern für seine historischen Romane in Erinnerung bleiben wollte, ließ Arthur Conan Doyle seinen Helden nach mehreren Detektivgeschichten bei einem Kampf mit dessen Widersacher Prof. Moriarty bei den Reichenbachfällen in der Schweiz sterben, was zu seinem Aufschrei in der Fangemeinde führte. Das und ein überaus lukratives Angebot brachte ihn dazu, den Helden "wiederzubeleben" und bis 1920 in unregelmäßigen Abständen neue Sherlock-Holmes-Geschichten zu schreiben.

Ein Mann der Öffentlichkeit

Arthur Conan Doyle war zu seiner Zeit recht bekannt und erhielt viele Briefe - teils an ihn persönlich, teils an Sherlock Holmes gerichtet -, in denen Menschen um seine Unterstützung baten. Manches war wohl eher scherzhaft gemeint, zum Beispiel, wenn er bei der Suche nach einer verschwundenen Katze helfen sollte, manches durchaus von Bedeutung. So setzte sich Conan Doyle zum Beispiel für die Opfer von Polizeiwillkür ein, die bekanntesten Fälle waren jene von George Edalji und Oscar Slater.

Er schrieb unzählige Leserbriefe und empfahl den strategischen Bau eines Tunnels unter dem Ärmelkanal im Ersten Weltkrieg. Er hatte sich im Jahr 1900 freiwillig als Arzt für den Burenkrieg in Südafrika gemeldet und darüber anschließend ein Buch geschrieben, das wegen seines Quellenreichtums unter Historikern geschätzt wird.

Er hatte die Rolle Englands in diesem Krieg verteidigt und kandidierte zwei Mal für politische Ämter. Er war in vielen sportlichen Disziplinen aktiv und unternahm Reisen in ferne Länder. Seine Suche nach Spiritualität - den katholischen Glauben hatte er längst aufgegeben - brachte ihn schließlich zum Spiritismus und damit zum festen Glauben daran, dass man Kontakt zum Jenseits aufnehmen könne.

Am 7. Juli 1930 starb Sir Arthur Conan Doyle, der 1902 zum Ritter geschlagen worden war, im Alter von 71 Jahren in seinem Haus in Crowborough in East Sussex an einem Herzinfarkt.

Service

Daniel Stashower, "Sir Arthur Conan Doyle. Das Leben des Vaters von Sherlock Holmes", aus dem Englischen übersetzt von Michael Ross und Klaus-Peter Walter, Baskerville Bücher

Sir Arthur Conan Doyle
Deutsche Sherlock-Holmes-Gesellschaft
Baskerville Verlag