Nach langer Schließzeit wieder geöffnet
80 Jahre Museum für Völkerkunde Wien
Ein Teil des Völkerkundemuseums ist nach langer Schließzeit wieder geöffnet. Die geplante Neuaufstellung der Schausammlung hat mit der Abteilung "Süd-, Südostasien und Himalayaländer" begonnen. Ein Gesamtkonzept liegt in der Schublade des Direktors.
8. April 2017, 21:58
Die Völkerkunde erzählt uns von den Eigenschaften naher und ferner Menschen, von Wohnung, Kleidung, Nahrung, Waffen der Mitbewohner des Erdballs, sie ist es, die jedes Volk davor behütet, sich selbst zu überschätzen, die anderen gering zu achten, sie beweist, wie viele Notwendigkeiten des Lebens uns allen gemeinsam sind.
So heißt es in der Rede des Direktors Friedrich Röck anlässlich der feierlichen Eröffnung des Wiener Völkerkunde Museums am 25 Mai 1928. Schlusssatz:
Die Völkerkunde ist völkerverbindend, ist völkerversöhnend.
Und das sei auch heute noch eine Aufgabe dieser Völker beschreibenden Wissenschaft, erklärt die heutige Kuratorin für Sub-Saha Afrika Barbara Plankensteiner.
Wandel der Disziplin
In den nunmehr 80 Jahren seines Bestehens habe das Museum für Völkerkunde nicht nur den Wandel der Ethnologie zu einer sozialwissenschaftlichen Disziplin, sondern auch ein verändertes Verständnis der Kulturen reflektiert - und zwar im Lichte einer kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit und der kulturellen Fremdrepräsentation.
Ein Palast der Schätze
Das in der Wiener Hofburg untergebrachte Ethnomuseum zählt mit einem Bestand von etwa 220.000 materiellen Dokumenten aus Kulturen der außereuropäischen Welt, etwa 70.000 ethnografischen Fotografien und einer 140.000 Bände umfassenden öffentlichen Fachbibliothek zu den weltweit bedeutendsten ethnologischen Museen - und das nicht nur auf Grund der Größe, sondern vor allem auch aufgrund der Qualität seiner Sammlungen.
Das Haus steht seit 2001 unter der administrativen Verantwortung des Kunsthistorischen Museums und war seit März 2004 über vier Jahre lang für Besucher geschlossen. Wegen Generalrenovierung. Am 19. November 2008 schließlich wurden mit einer Dauer- und drei Sonderausstellungen zwölf Prozent der insgesamt 3.200 Quadratmeter Ausstellungsfläche eröffnet.
Götterbilder oder die spannende Qual der Wahl
"Es waren an die 1.000 Leute bei der Eröffnung. Und das war schon angenehm, mal wieder so viel Publikum im Haus zu sehen", meint Christian Schicklgruber. Er ist verantwortlich für die Süd-, Südostasien- und Himalayaländer-Abteilung und der glückliche Kurator, der den Ausstellungsreigen im generlsanierten Museum beginnen darf. Er musste sich für die Neuaufstellung seiner Schausammlung, wie die Dauerausstellungen nun genannt werden, für 300 aus den über 30.000 Objekten seiner Abteilung entscheiden.
Der seit 15 Jahren im Museum tätige Kustos hat sich für das Thema Religion entschieden. Die unter dem Titel "Götterbilder" präsentierten Objekte umfassen einen Zeitraum von 2.000 Jahren. Die Schau will zurechtrücken, so der Kustos, was auf der Esoterik-Schiene kommend oft verzerrt dargestellt werde. Sie soll ein Gegengewicht zu den zusammengebastelten Vorstellungen sein, die oft nicht der gelebten Realität in Asien entsprächen.
Ethno-Relaunch
Das Wiener Völkerkunde-Museum galt immer als etwas verstaubt, nicht zuletzt wegen mangelnder Öffentlichkeit. Entweder man kennt es überhaupt nicht, oder es ist, was für die letzten paar Jahre gilt, geschlossen. Während Schauräume, Vitrinen und auch die Büros und Depots renoviert beziehungsweise neu gestaltet wurden, waren aber die wissenschaftlichen Mitarbeiter nicht untätig, wie Direktor Christian Feest betont.
Neben der Darstellung der Verhältnisse in neun ausgewählten Regionen soll ein innovativer Schwerpunkt der Neuaufstellungen in sechs thematischen Segmenten liegen, die sich in allgemeinen Fragestellungen in kulturvergleichender und kulturübergreifender Perspektive widmen. Die Neuaufstellung ist nicht als ständige Ausstellung konzipiert, sondern soll bei einer Durchschnittslaufzeit von sieben Jahren laufend erneuert werden.
Es schaut also ganz gut aus, dass die große Chance zum Relaunch des Museums genützt wird, denn schon in den letzten Jahren habe man sich weiterentwickelt, betont Barbara Plankensteiner. Man habe sich geöffnet und arbeite mit den Ländern, aus denen die Objekte stammen, gut zusammen - nicht nur in punkto Ausstellungen, sondern auch in der heiklen Frage des einen oder anderen geraubten Kulturgutes, das in den Museumdepots auf die Chance wartet, Teil einer Ausstellung zu sein.
Hör-Tipp
Dimensionen, Montag, 29. Dezember 2008, 19:05 Uhr
Link
Museum für Völkerkunde