Theologe und Nonne als Paar
Abélard und Héloise
Theologe und Nonne als Paar: Die wahre (Liebes-)Geschichte von Abélard und Héloise ist im Briefwechsel dokumentiert, hat Romanautoren inspiriert und auch in der Operngeschichte Spuren hinterlassen - in Gounods unvollendeter Oper "Maitre Pierre".
8. April 2017, 21:58
Ausschnitt aus "Maitre Pierre"
Tom Polum, Greg Cullen und Stuart Marland heißen die Autoren eines "Abelard and Heloise"-Musicals, das noch auf ein aufführungswilliges Theater wartet - im Jänner 2008 gab es in Chicago einstweilen eine konzertante Aufführung. Wird es diesem (schwülstigen) Stück ähnlich ergehen wie vor 130 Jahren der Oper "Maitre Pierre" von Charles Gounod? Diesem Opern-Projekt von Gounod, dem Komponisten von "Faust" und "Roméo et Juliette", gab ebenfalls der Scholastiker und Philosoph des 12. Jahrhunderts Pierre Abélard den Titel.
Pierres Schriften waren bedeutend, er disputierte mit Bernhard von Clairvaux, war Schulgründer, wurde von der Amtskirche vielfach angefeindet bis hin zu Attentaten und öffentlicher Bücherverbrennung in Rom - aber allgemein bekannt geblieben ist sein Name nur dank seiner spektakulären und öffentlich ausgelebten Liebesgeschichte mit Héloise, die er auch in seiner Autobiographie "Historia calamitatum" thematisierte.
Acht Jahrhunderte nach beider Tod wurden im frühen 19. Jahrhundert die Gräber der beiden Liebenden nebeneinander auf den Friedhof Père-Lachaise verlegt, auf Betreiben von Kaiserin Joséphine. Neuer Stoff für Biografienschreiber, die zudem auf den Briefwechsel von Abélard und Héloise zurückgreifen konnten, neue Inspiration für Poeten, bis hin zu Gustav Schwab und Gottfried August Bürger, die beide ihr "Heloise an Abelard" dichteten.
Die besten Skandalgeschichten schreibt das Leben
Der namhafte Theologe Abélard verdingte sich als Hauslehrer, um der knapp über 20-jährigen hochadeligen Nonne Héloise nahe zu sein, es kam zu einer leidenschaftlichen Beziehung, die nicht lange verheimlicht werden konnte, großer Eklat war die Folge. Heimlich ließ Abélard Héloise in sein Kloster schaffen, wo sie ein uneheliches Kind zur Welt brachte.
Die zur nachträglichen Legitimierung arrangierte Vermählung war nicht nach ihrem Willen. Aber es sann ohnehin schon Héloises Onkel auf Rache. In einer Nacht- und Nebel-Attacke ließ er Abélard kastrieren. Dieser überlebte, zog sich aber ins Kloster zurück und vergrub sich in theologische Studien.
Erst ein Jahrzehnt später kam es wieder zu schriftlichem Kontakt, angestrengt von Héloise, die einstweilen die ewigen Gelübde abgelegt hatte. Ein "weltliches" Happy End jedoch gab es nicht. Der Briefwechsel zwischen Héloise und Abélard zeigt sie in dieser Phase emotional, ihn moralisierend...
Abélards Kastration als Stolperstein
Die Presse hat 1878, wie Charles Gounods Plan publik wurde, eine Oper nach diesem Stoff zu schreiben, nur eines interessiert: Wird die Kastration von "Maitre Pierre" behandelt werden? Auch Eduard Hanslick ließ, in einem Interview mit Gounod, nicht locker, und er bekam die opernhafte Lösung des "Problems" verraten: Am Ende des vierten von 5 Akten würde Abélard ermordet werden, um danach Héloise aber noch als Geist aufzusuchen...
Mag sein, dass das ganze Sujet den Autoren dann doch zu brisant wurde: Obwohl die Instrumentation schon zur Hälfte abgeschlossen war, legte Gounod die Arbeit zugunsten von "Le Tribut de Zamora" beiseite und nahm sie nie wieder auf. 1904 bat Gounods Witwe Camille Saint-Saens um Vervollständigung des noch nicht zu Ende komponierten Finalakts, in den 1930er Jahren dirigierte der Komponist, Operetten-, Chanson-Schreiber Reynaldo Hahn eine konzertante Aufführung des Schlussbildes.
Uraufführung 1951
"Großer Gounod", lautete das Urteil über die Musik. Die komplette konzertante Uraufführung von "Maitre Pierre" fand dann 1951 beim französischen Rundfunk statt, dirigiert von Max D'Ollone, dem auch die restliche Instrumentation zu danken ist, mit Geori Boué als Héloise und Henri Le Clezio als Abélard - Sopran und Tenor, als wäre Héloise eine zweite Juliette und Abélard ein zweiter Roméo. Wann kommt die szenische Uraufführung?
Hör-Tipp
Apropos Oper, Donnerstag, 11. Dezember 2008, 15:06 Uhr