Behaglich und selbstgebacken
Maledivas "Lebkuchen"
Auch wenn die Welt Weihnachten nur noch feiert, um Stoßdämpfer, Körperpflegeprodukte und gefriergetrocknete Geflügel-Fertiggerichte verkaufen zu können: Bei Malediva wird noch gesungen und gebacken, und an Advent brennen die Kerzen oder das Haus.
8. April 2017, 21:58
Weihnachtsvorbereitungen à la Malediva
"Eigentlich feiern wir nur wegen meiner Mutter Weihnachten", sagt Tetta Müller, "für meine Mutter ist es unvorstellbar, am 24. Dezember nicht zu Hause zu sein. Wenn es nach ihr gehen würde, kämen wahrscheinlich alle, die nicht zu den Eltern fahren, in die Hölle." "In die "Muttihölle", ergänzt Lo Malinke, "in jene Hölle, in der es kein Feuer gibt, in der aber tausend Mütter stehen und leise im Chor sprechen: Ich bin nicht wütend, dass Du nicht kommst, ich bin nur enttäuscht."
Für alle, die Weihnachten gerne behaglich, aber kitschbefreit feiern wollen, hat die deutsche Kleinkunstformation Malediva eigens ein Weihnachtsprogramm entwickelt. "Lebkuchen" heißt es, ein "Malediva-Special", das die deutschen Entertainer schon 2007 im Advent - in der "Bar jeder Vernunft" in Berlin - aufgeführt haben. Und auch dieses Jahr tun sie das bis Ende Dezember.
Ab jetzt ungeschminkt
Malediva sind Tetta Müller und Lo Malinke, sowie der Pianist Florian Ludewig. Bei "Lebkuchen" steht ein kleiner Weihnachtsbaum am Klavier von Florian Ludewig. Tetta Müller und Lo Malinke zünden ab und zu einen Sternspucker an. Der Pianist im Halbdunkel drückt die Tasten, zwei Spots beleuchten zwei Barhocker, auf denen die anderen beiden Künstler sitzen: eben Tetta Müller und Lo Malinke - und zwar ungeschminkt, denn in ihrem schon erwähnten aktuellen Programm haben sie sich verwandelt: von zwei Kunstfiguren mit weiß geschminkten Gesichtern zu zwei ganz "normalen" Männern. Sie sind sie selbst geworden. So erklärt sich auch der Titel "Ungeschminkt".
"Wir wollten keine Fabelwesen mehr sein, wir wollten das sein, was wir wirklich sind", sagen die beiden, "zwei schwule Männer, die seit 20 Jahren zusammen sind, wahrscheinlich die gleichen Probleme haben wie Heteropärchen, aber vielleicht andere Lösungsansätze gefunden haben, weil wir in keinen genormten Bahnen leben müssen".
Schwul ist sexy
Ihre früheren Programme wie "Große Kundsd", "Malediva leuchtet", "Schaulaufen" und "Ab heute verliebt" waren eher intellektuell ausgerichtet, sagen Tetta Müller und Lo Malinke. "Ungeschminkt" ist bodenständig und hat einen expliziten schwulen Kontext. "Die Leute mögen das", sagt Tetta Müller. "In unserem Gästebuch hat eine Besucherin vor kurzem hineingeschrieben: "Ich wäre auch so gerne schwul!"
Das Weihnachtsspecial "Lebkuchen" liegt irgendwo dazwischen. Die beiden Bühnenfiguren necken und streiten sich, fallen sich gegenseitig ins Wort, sie singen und auch die Geschichten, die sie zur Weihnachtszeit erzählen, stammen vorwiegend aus ihrem Leben. Es sind Erinnerungen an vergangene Weihnachtsfeste, an mehr oder weniger sinnvolle Traditionen, und an abstruse Verhaltensweisen bestimmter Familienmitglieder. Die beiden Künstler berichten von brutalen Cousinen, die am Weihnachtsabend gerne alles kurz und klein schlagen, erzählen ihre Version der Weihnachtsgeschichte, also von den Geschehnisse in Betlehem, und von ihrer Freundin Saskia, die jedes Jahr mit ihren Präsenten den ersten Platz belegt - auf der Hitliste der grauenhaften Geschenke.
Nicht zu bremsen
Als Malediva vor neun Jahren ihren künstlerischen Durchbruch schafften, hat man sie in der deutschen Kleinkunstszene gerne als Nachzügler von Georgette Dee und den Geschwistern Pfister bezeichnet. Ein ambivalentes Kompliment, meint Tetta Müller, denn einerseits waren Stars wie Georgette Dee Wegbereiter dieser Art von Kunst, schwule Subkultur auf die Bühne zu bringen, sozusagen salonfähig zu machen. Andererseits ist es harte Arbeit, aus dem Schatten bekannter Künstler herauszutreten.
Das sei eine Frage der Positionierung, sagt Lo Malinke, und eine Frage des Selbstbewusstseins. Man dürfe nicht in der Szene nach Nischen suchen, die vielleicht noch niemand entdeckt hat, sondern muss seinen eigenen Weg gehen, und das ist harte Arbeit. Die beiden ließen sich aber nicht irritieren, haben weiter ihren Weg verfolgt, ihre Programme und ihre Choreographien perfektioniert. Dafür sind sie 2006 mit dem deutschen Kleinkunstpreis ausgezeichnet worden und haben dieses Jahr eine eigene Fernsehsendung auf 3sat bekommen. "Bannmeile" heißt sie.
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Heimatmelodien
Hör-Tipp
Contra, Sonntag, 21. Dezember 2008, 22:05 Uhr
Veranstaltungs-Tipp
Malediva, "Ungeschminkt", 5. bis 7. Februar 2009, RadioKulturhaus Wien,
Ö1 Club-Mitglieder bekommen ermäßigten Eintritt (zehn Prozent).
Links
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