Fotoprojekt für Obdachlose

Mit den Augen der Armen

Im Dezember vor drei Jahren wurde im Wiener Burgtheater Ferdinand Raimunds "Verschwender" aufgeführt. Parallel dazu fand im Foyer eine Ausstellung statt, bei der von obdachlosen Menschen gemachte Fotos zum Thema Verschwendung gezeigt wurden.

Früher waren vor Lebensmittelgeschäften oft Plastiksteigen gestapelt, erinnert sich Herbert Seethaler, mit Obst und Gemüse, das nicht mehr verkauft wurde, weil nicht mehr hundertprozentig frisch. Obdachlose wie er hätten sich damals Äpfel oder Tomaten davon genommen. Seit einiger Zeit sind diese Steigen eingezäunt, ärgert sich der 50-Jährige.

Dieses Motiv hat er damals, während des Fotoprojekts, vergessen einzufangen, erzählt Herbert Seethaler. An aussagekräftigen Motiven habe es ihm aber auch so nicht gemangelt.

Reine Papierverschwendung

Das Foto mit dem Titel "Fanpost der Wiener Linien" von Herbert Seethaler zeigt den "Augustin"-Verkäufer, wie er sich mehrere Schwarzfahrmahnungen der Wiener Linien vors Gesicht hält. Das ist Papierverschwendung, meint er. Jemanden wieder und wieder Mahnungen zu schicken, der zum Leben 400 Euro im Monat hat und dessen Postadresse Barnabitengasse 14, 1060 Wien lautet, der also in der "Gruft" wohnt, einem Betreuungszentrum der Caritas für Obdachlose.

Ein anderes Foto von Herbert Seethaler heißt "Licht und Schatten". Darauf zu sehen: eine halbleere Wasserflasche in einem Mistkübel einer Wiener U-Bahn. Noch genießbare Lebensmittel in Mistkübeln sind nichts Seltenes. Deshalb würden ihn auch bis oben angefüllte Einkaufswägen irritieren. Was von dem, was da alles gekauft wird, wird schon bald wieder weggeworfen werden?

"Wütend wird man da manchmal schon ein bisserl!"

Martin Österreicher war noch nie obdachlos. Seit Jahren lebt er aber weit unter der Armutsgrenze. Mit seinem Foto "Ohne Worte" ist das Fotoprojekt über Verschwendung beworben worden, erinnert sich der 54-Jährige. Darauf ist er selbst zu sehen, wie er sich gerade eine Zigarette anzündet, mit einem brennenden Hundert-Euro-Schein - einem kopierten, sei dazugesagt.

Martin Österreicher hat einige Jahre als Elektrotechniker gearbeitet, dann elf Jahre in einem Würstlstand. Seit sieben Jahren ist er arbeitslos. Als Elektrotechniker brauche ihn heute niemand mehr, dafür sei sein Wissen zu veraltet und in die Gastronomie wolle er nicht zurück.

Natürlich ärgert man sich als ein Mensch, der von der Hand in den Mund lebt, über die allgegenwärtige Verschwendung, sagt Martin Österreicher. Aber die Leute direkt auf ihr Fehlverhalten ansprechen würde er dann doch nicht. Dass er sich von dem Fotoprojekt im Burgtheater, bei dem pro Fotograf zwei Bilder à 50 Euro ausgestellt wurden, von denen aber nur ein Bruchteil verkauft wurde, mehr erwartet hat, möchte er aber schon gesagt haben.

Zukunftsträume

Reich will er ja nicht werden, scherzt Martin Österreicher. Aber zumindest so viel Geld möchte er haben, dass er nicht immer Magenweh bekommt, wenn er sich von seiner Wohnung im vierten Stock aufmacht zu seinem Postkasten und den möglicherweise sich darin befindenden Rechnungen und Mahnungen.

Irgendeine Arbeit wäre schon nicht schlecht, meint auch Herbert Seethaler. Seinen alten Job als Tankwart hat er wegen Alkohol und Spielsucht verloren. Aber wer will schon jemanden einstellen, der in der "Gruft" wohnt?

Hör-Tipp
Diagonal, zum Thema "Verschwendung", Samstag, 27. Dezember 2008, 17:05 Uhr

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