Unmögliches ist möglich, oder: Ich bete mein Leben
Die Ordensschwester und Lepraärztin Ruth Pfau
"Unmöglich" ist ein Wort, das in ihrem Wortschatz nicht vorkommt. Seit mehr als 40 Jahren lebt die deutsche Ordensschwester und Lepraärztin Ruth Pfau in Pakistan und kämpft mit unermüdlichem Einsatz erfolgreich gegen die Lepra.
8. April 2017, 21:58
"Natürlich habe ich ab und zu das Gefühl "Jetzt reicht's! Warum gehen wir nicht nach Hause?". Aber einfach aufgeben und weglaufen geht ja auch nicht", sagt die deutsche Ordensfrau und Lepraärztin Ruth Pfau, die seit 48 Jahren in Pakistan und Afghanistan tätig ist.
An der Seite der "Aussätzigen"
"Unmöglich" ist ein Wort, das in ihrem Wortschatz nicht vorkommt. Seit 1960 kämpft Ruth Pfau mit unermüdlichem Einsatz erfolgreich vor allem gegen die Lepra. Lepra, diese hochansteckende Krankheit, die Menschen bei lebendigem Leib verfaulen lässt und sie zu "Aussätzigen" macht. Ruth Pfau kämpft mit ihren einheimischen Teams in Pakistan und seit einigen Jahren auch in Afghanistan gegen die Krankheit ebenso wie gegen die damit verbundenen Vorurteile, Diskriminierung und soziale Isolation.
Zufällig nach Pakistan
Ruth Pfau wurde am 9. September 1929 in Leipzig geboren und wuchs in einer jüdischen Familie in Leipzig auf. Mit 19 Jahren floh sie in den Westen. 1949 begann Ruth Pfau in Mainz, Medizin zu studieren. In dieser Zeit entdeckte sie den christlichen Glauben für sich. 1951 ließ sie sich taufen und wurde Mitglied der Evangelischen Kirche. Bereits zwei Jahre später konvertierte sie zur römisch-katholischen Kirche.
Nach Abschluss ihres Studiums machte sie im Krankenhaus Winterberg ihr medizinisches Praktikantenjahr und trat 1957 in die Kongregation der "Gesellschaft der Töchter vom Herzen Maria" ein. 1960 ließ sie sich von ihrem Orden nach Indien schicken, wo sie als Frauenärztin arbeiten sollte. Aufgrund von Visaproblemen muss die junge Ordensfrau und Ärztin aus Deutschland jedoch einen Zwischenstop in Karachi, in Pakistan machen.
Dort begegnete sie in einem der Elendsviertel zum ersten Mal leprakranken Menschen; Aussätzigen. Ruth Pfau blieb in Karachi und setzte alles daran, ein Krankenhaus zur Bekämpfung der Krankheit zu errichten. Das Krankenhaus wurde zu einer in ganz Pakistan anerkannten Institution. Parallel dazu baute sie einen flächendeckenden mobilen Lepra-Dienst auf.
Staatssekretärin in einem islamischen Land
Im vergangenen September wurde der mittlerweile 79-jährigen in Karachi ein Herzschrittmacher implantiert. Die engagierte Ärztin und Ordensfrau muss leiser treten. "Ich kann natürlich nicht mehr so wie früher. Aber ich habe ja alle Projekte schon früh auch in einheimische Hände gelegt, falls ich einmal nicht mehr selbst kann."
Die katholische Ordensfrau aus der ehemaligen DDR musste in dem von Krisen und Gewalt geschüttelten Pakistan immer damit rechnen, des Landes verwiesen zu werden. Gleichzeitig ist die ungewöhnliche Frau seit 1980 in der Islamischen Republik Pakistan als Beraterin der häufig wechselnden Regierungen tätig und hat seither den Rang einer Staatssekretärin. Ihr Aufgabengebiet ist das Lepra- und Tuberkulose-Kontrollprogramm.
"Oft werden die Infizierten eingemauert und ihrem Schicksal überlassen. Wenn meine Mitarbeiter von einem Fall hören, reisen wir oft in tagelangen Jeepfahrten in die entlegendsten Dörfer, um zu helfen." Durch ihren unermüdlichen Einsatz haben sie es geschafft, die Zahl der Neuinfizierungen einzudämmen und das Leid der Erkrankten zu lindern.
Pakistan in Zahlen
Das Land ist mit 796.000 Quadratkilometern knapp zehn Mal so groß wie Österreich. In der Islamischen Republik Pakistan leben heute circa 130 Millionen Menschen, etwa 80 Prozent davon auf dem Land. Die Analphabetenrate in Pakistan liegt bei mehr als 75 Prozent; die Kindersterblichkeit bei 14 Prozent. Pakistan ist ein Entwicklungsland. Nach Angaben der Vereinten Nationen leben 17 Prozent der Bevölkerung von weniger als einem US-Dollar am Tag. 23 Prozent der Bevölkerung gelten als unterernährt, besonders Kinder sind davon betroffen.
"Neben all der Unsicherheit und der Gewalt hat eine Teuerungswelle die Situation der Menschen dramatisch verschlechtert und unzählige zusätzliche Menschen in Armut gestoßen", erzählt Ruth Pfau beim letzten Interview vor wenigen Wochen in Karachi.
Weitere Aufgaben
Vor einigen Jahren haben Ruth Pfau und ihr Team neben dem Kampf gegen Lepra und Tuberkulose auch Programme gegen Augenkrankheiten und Impfaktionen gestartet. Und sie kümmern sich auch um afghanische Flüchtlinge in der pakistanischen Provinzhauptstadt Karachi. "Ab vier Uhr früh sind die afghanischen Flüchtlingskinder in den Straßen unterwegs. Die kleinsten sind erst vier oder fünf Jahre alt. So bringen sie ihre Familien durch", erzählt die katholische Ordensfrau und Ärztin Ruth Pfau.
Pakistan selbst ist seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1947 Schauplatz gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Volks- und Glaubensgruppen. Pakistan ist eine Atommacht und liegt zudem ständig in Streit mit Indien, das ebenfalls über Atomwaffen verfügt. Ein riesiges Problem ist auch der wachsende religiöse Extremismus im Land. Seit der Islamisierungspolitik der 1980er Jahre erlebt Pakistan einen rasanten Zuwachs an Koranschulen. An einigen der schätzungsweise 20.000 Koranschulen werden fundamentalistische Anschauungen verbreitet, die zu einer Radikalisierung des Landes beitragen.
Nach der Trennung von Pakistan und Indien verließen viele Hindus das Gebiet des heutigen Pakistan. Derzeit machen sie etwa zwei Prozent der Bevölkerung aus. In Karachi sind sie eine etwas größere Minderheit. Ihnen zu einem menschenwürdigen Leben zu verhelfen ist eine der weiteren Aufgaben, die sich die Ordensfrau Ruth Pfau und ihre Kongregation gestellt haben.