Ein ganz besonderes Etablissement
Luise Kinseher im "Hotel Freiheit"
Die bayrische Kabarettistin Luise Kinseher präsentiert im Jänner 2009 ihr viertes Solo "Hotel Freiheit". Kinseher lädt darin ein, dem Alltag zu entfliehen und in besagtem Hotel gemeinsam mit zahlreichen schrägen Typen Gast zu sein.
8. April 2017, 21:58
Helga Frese ist Stammgast
In ihrer bayrischen Heimat zählt Luise Kinseher zu den erfolgreichsten jungen Kabarettistinnen, jetzt will sie mit ihren satirischen Ein-Frau-Theaterstücken auch das österreichische Publikum erobern. "Für mich", gesteht Luise Kinseher, "ist der Kabarettberuf ein ganz großes Geschenk, weil ich damit all meinen Leidenschaften nachgehen kann: Schreiben, Spielen, Unabhängigkeit, Freiheit."
Am Gipfel des Adlerwipf
Der Titel von Luise Kinsehers neuem Programm, "Hotel Freiheit", ist zugleich Schauplatz der Handlung. Das traditionsreiche Haus am Gipfel des Adlerwipf beherbergt jede Menge kurioser Stammgäste. Etwa die resolute Helga Frese, die ihrem 88-jährigen Mann Heinz ein hartes Lauftraining verordnet. Um sich gegen den drohenden Terrorkrieg zu wappnen hat sie bereits Alarmanlage, Bewegungsmelder, und Selbstschussanlage angeschafft. "Bei einer Selbstschussanlage - wer da nicht laufen kann..."
Luise Kinseher kreist das Thema Freiheit aus verschiedenen Richtungen ein. Von innen und außen. Sicherheitspolitik und Terrorangst werden beleuchtet, aber auch der moderne Freizeitmensch und sein Streben nach Individualismus, die Beliebigkeit der vielen Möglichkeiten, die gar nicht mehr als Freiheit empfunden werden, sondern als Last. "Freiheit" erklärt die unsentimentale Helga Frese "Freiheit ist für mich, wenn Heinz weg ist. Doppelhaushälfte: ja, Doppelbett: wenn's sein muss, Doppelgrab: niemals!"
Feindliche Übernahme befürchtet
Es sind stets die ganz großen Themen, die Luise Kinseher aufgreift. Gleich in ihrem ersten Programm "Ende der Ausbaustrecke" ging es um den Tod, dann um den Heimatbegriff, ums Glück, und jetzt um die Freiheit. Doch die Freiheit, dieses Gut, das man oft erst dann schätzt, wenn es einem genommen wird, die Freiheit ist gefährdet, denn dem in Staatsbesitz befindlichen Gipfelhotel namens "Freiheit" droht die feindliche Übernahme - durch Terroristen oder reiche Russen.
Saboteure seien bereits eingeschleust, vermutet das Hotel-Personal. Ständige Stromausfälle, eine auf halber Höhe steckengebliebene Gondel voller Insassen, die auf Befreiung warten, aber auch einfach nur schmutzige Tischtücher und leere Klopapierrollen - alles eindeutige Zeichen der Bedrohung. Sogar eine besondere Service-Einrichtung des Hochgebirgs-Hotels, die "Sprungschanze für Lebensmüde" sei angesägt worden. "Da will man sich einmal im Leben umbringen - und dann ist es Mord!", empört sich Frau Rösch von der Direktion und macht sich sofort auf die Suche nach dem Saboteur. Bewaffnet mit einer Videokamera durchstreift sie die Sitzreihen des RadioKulturhauses, zoomt sich besonders verdächtige Besucher näher heran. "Ich hab sie jetzt alle im Kasten, wunderbar. Das stell ich ins Internet und unser Herr Schäuble wird dann schon jemanden finden, der sie als Verbrecher identifiziert."
Zimmerschieds Einfluss
Wenn mit dem Publikum frei improvisiert wird, fällt dem geschulten Kabarettbesucher unwillkürlich der bayrische Großmeister der Kleinkunst ein: Sigi Zimmerschied. Er hat einmal ein ganzes Programm ausschließlich im Zuschauerraum gespielt und ist erst zum Verbeugen auf die Bühne gegangen. Ja, bestätigt Luise Kinseher, der Einfluss von Zimmerschied ist nicht zu leugnen, über ihn hat sie einst, als Studentin der Germanistik, Theaterwissenschaft und Geschichte sogar ihre Magisterarbeit verfasst.
"Es gibt da diese Passauer Kabarett-Tradition", erklärt Kinseher, "Bruno Jonas, Ottfried Fischer, Sigi Zimmerschied, Rudolf Klaffenböck. Das ist ein ganzes Nest, eine Richtung, die in den 1980er Jahren entstanden ist, in dieser Enge aus Katholizismus und CSU. Die Tradition ist da, auch die Infrastruktur, die Wirtshausbrett'ln, das Publikum, das sich sowas gerne anschaut beim Bier."
Sechs verschiedene Gäste
Seit rund zehn Jahren bringt Luise Kinseher nun schon ihre dramaturgisch ausgefeilten Satiren auf die Bühne. Ganz ohne aufwändigen Kostümierungsfirlefanz, einfach nur mit variantenreicher Mimik stellt sie ihr Personal dar. "Ihre Figuren", so war in der "Süddeutschen Zeitung" zu lesen, "sind genial-diabolische Sozialstudien aus dem Dunkelfeld der Gesellschaft. Und ihr Humor ist schwarz wie die Nacht."
Sechs verschiedene Charaktere stellt Luise Kinseher im "Hotel Freiheit" dar. Zum Beispiel die stets angeheiterte Maria, die gerade an einem Benimm-Kurs bei Gräfin Donata von Fucke teilgenommen hat. Dort hat sie unter anderem gelernt, dass immer der zuerst grüßt, der den anderen zuerst sieht. "Die spinnt! Wer glaubt denn die, dass ich bin, dass ich wart, bis mich der andere zuerst sieht!"
Kinseher alias Kinseher
Luise Kinseher spielt aber nicht nur die Gäste und Angestellten des Hotels, sondern auch sich selbst; genauer gesagt eine für die Abendunterhaltung engagierte Kleinkünstlerin ihres Namens. Mit bayrischer Dialektkunst hätte sie für harmloses Amusement sorgen sollen. Weil sie aber weder ein Dirndl trägt noch bereit ist zu jodeln, wird sie des Hochverrats verdächtigt und eingesperrt.
Den Hotelgästen geht es kaum besser. Sie werden schließlich vor die Tür gesetzt, denn am Ende kommen sie tatsächlich, die Russen. Ab jetzt gilt das Motto: "Freiheit ist für alle da, aber nur wer am meisten zahlt, bekommt auch ein Zimmer."
Hör-Tipp
Contra, Sonntag, 16. August 2009, 22:05 Uhr
Links
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