Das erste Weltreich

Persisches Feuer

Der britische Historiker Tom Holland hat sich das "erste Weltreich" der Geschichte, nämlich jenes der Perser, zum Thema gewählt. Unter dem Titel "Persisches Feuer" werden zeitlich ferne Ereignisse aus vorchristlicher Zeit literarisch reanimiert.

"Per aspera ad astra" - "Über raue Pfade gelangt man zu den Sternen" - ist ein Motto, das sich Tom Holland bei der Arbeit an "Persisches Feuer" gut und gerne zu Herzen genommen haben mag. Den Horizont der in seinem Buch geschilderten Geschichte zieht der Autor im Jahr 1250 vor Christus hoch.

Es ist das Jahr der archäologischen Datierung der Ausgrabungsschicht "Troja VII" und damit auch jenes Jahr, in dem der Trojanische Krieg sein zerstörerisches Ende in der Verwüstung Trojas fand. Immer vorausgesetzt natürlich, dass der Trojanische Krieg überhaupt stattgefunden hat. Offensichtlich ist, dass sich Tom Holland mit seinem Buch "Persisches Feuer" in eine Zeit begibt, die in der Sprache der Historiker als "quellenmäßig schwer fassbar" gilt.

In Herodots Fußstapfen

Das Studium der persischen Geschichte beruhte, mehr noch als für die Griechen, auf der genauesten Sichtung der vorhandenen Belege, der akribischsten Quellenkritik und der vorsichtigen Abwägung von Schlussfolgerungen und Alternativen. Auf diesem Gebiet kann fast jede Einzelheit in Frage gestellt werden, und manche Themen, wie etwa der gottähnliche Status der persischen Könige, sind so knifflig, dass angeblich selbst die bedeutendsten Gelehrten mitunter davor zurückschreckten, sich mit ihnen auseinanderzusetzen.

Nicht so Tom Holland. Der 1968 geborene und in Cambridge und Oxford zum Historiker ausgebildete Autor und Journalist hat für die BBC Sendungen über antike Gelehrte gestaltet. Mit Herodot, Homer, Thukydides und Vergil ist er auf Du und Du. Somit ist der Autor auch für die literarische Urbarmachung des Aufstiegs und Falls der Perser bestens gewappnet.

Im Vorwort von "Persisches Feuer" verrät Holland freimütig sein ambitioniertes Ansinnen, nämlich dass er in die Fußstapfen von Herodot treten will. Den antiken Autor hat schon Cicero immerhin als "pater historiae", als "Vater der Geschichtsschreibung", gerühmt.

Ehrgeiziger Kyros

Nach der Heraufbeschwörung des Herodot geht es dann auch schon so richtig los. Mitten ins antike Asien, in eine Gegend, die einst Anshan hieß und allmählich unter dem Namen Paarsa oder Persien bekannt wurde.

Im Jahr 559 vor Christus, noch zur Regierungszeit des Astyages in Medien, kam ein junger Mann auf den Thron dieses aufstrebenden Königreichs. Sein Name war Kyros, und seine besonderen Kennzeichen waren eine Hakennase, unermesslicher Ehrgeiz und fast grenzenlose Fähigkeiten.

Schon ist die persische Geschichte mit einem unschlagbaren Helden versehen, dem König Kyros, der als 70-Jähriger schließlich doch in einer Schlacht zugrunde gehen muss.

Kriegerische Tradition

Unmittelbar nach des Kyros' gewaltsamen Dahinscheiden taucht angeblich jene Königin, der der Perserkönig unterlegen war, den abgeschlagenen Kopf des Kyros in einen mit Blut gefüllten Weinschlauch. Ziel der grausigen Aktion ist es, den Blutdurst des alten Perserkönigs endgültig zu stillen. Tom Holland deutet den Todesmythos des Kyros insofern, als er den Perser-König einen "Dämon der Nacht" nennt. Und solche Dämonen der Nacht spielen - laut Holland - in der Phantasie des Vorderen Orients schaurige Rollen.

Um die Dynastie des Kyros im persischen Königreich einzuzementieren, ist nach dessen Tod Inzest kein Thema für die Hinterbliebenen. Der Sohn des Kyros, Kambyses, heiratet - um Erbstreitigkeiten vorzubeugen - in einem Aufwasch gleich seine beiden Schwestern Atossa und Rhoxane.

Kambyses setzt die kriegerische Tradition der Perser fort und erobert sogar das Reich der Pharaonen am Nil. Die Perser sollen bei diesem Kriegszug Katzen auf ihre Schilder gebunden haben. Den ägyptischen Bogenschützen gelten die Katzen als heilig und durch diese brutale Irritation werden die Ägypter kampfunfähig und unterliegen.

"Krämerseele" Dareios

Weiters erfährt man bei Holland, dass der persische König Dareios wegen seiner akribischen Steuerpolitik als "Krämerseele" abgetan worden ist. Neben dem Aufbau der Finanzwirtschaft erobert Dareios aber auch die Landschaften Skythien und Thrakien und lechzt nach weiteren Feldzügen. Die kriegsgebeutelten Regionen des Perserreichs bringen als ideologische Antwort die Religion des Zoroaster hervor, eines legendenumrankten Visionärs, der dem Kampf zwischen Gut und Böse zu Leibe rückt.

Als der Prophet seine neuen Glaubenssätze weiterentwickelte, lehrte er, dass die Zyklen der Weltordnung sich nicht ewig fortsetzten, wie man sonst annahm, sondern sich vielmehr auf ein machtvolles Ende und einen Weltuntergang zu bewegten. Dann endlich werde die Wahrheit jegliche Falschheit vernichten und auf ihren Trümmern ein ewiges Reich des Friedens errichten.

Babylon, Stadt der Freude

Tom Holland führt neben den Persern, ihren Sitten und Gebräuchen, ihrer Expansionslust und ihren Königen in sehr plastischen Darstellungen in das sogenannte Persische Weltreich. Auch der 250.000 Einwohner zählenden mesopotamischen Metropole Babylon stattet "Persisches Feuer" eine Visite ab.

Babylon, die Stadt des Überflusses; Babylon, die Stadt, deren Bewohner mit Reichtum überschüttet sind; Babylon, die Stadt der Feste, der Freude und des nie aufhörenden Tanzes. Selbst durch die dunkelsten Seitengassen, so sagte man, konnte man Ishtar gleiten sehen, die Göttin der Liebe, die ihre liebsten Anhänger in Tavernen und auf offener Straße besuchte, sodass die ganze Stadt Feste und erotische Abenteuer miteinander vermischte und vor Begehren zu glühen schien.

Showdown bei Salamis

Weiter geht es in die Welt der Widersacher der Perser. Da wäre einerseits Sparta, wo die vielgerühmte Freiheit auf der Unterdrückung eines großen Teils der Gesellschaft gründet, nämlich der spartanischen Sklaven oder "Heloten", und andererseits Athen, der Stadtstaat unter dem Schutz einer jungfräulichen Göttin, der auf einem vollkommen anderen Organisationsmodell als Sparta oder das Reich der Perser basiert.

Fachbegriffe, wie die - verhältnismäßig kurze - "Pax Persica" werden in Tom Hollands epischer Darstellung des Persischen Reiches greifbar. Auch das System der Satrapen des Dareios wird aufgezeigt. Die Satrapen sind vom politischen Zentrum weit entfernte Statthalter, die die Vorstellungen des Königs umsetzen sollen. Dank des Autors umfassender und plastischer Schilderung sind die Leser bestens in die Situation der alten Welt eingeführt und steuern bereitwillig auf das historische Showdown bei Salamis zu.

Schon bald erhob sich ein Geschrei der Marinesoldaten an Deck: Die Barbaren kamen näher. Eine riesige Menge von Schiffen, Schmuck und leuchtende Farben der dekorierten Schiffsschnäbel, höhnisches Geschrei, barbarische Kampfgesänge" - so konnte man die vorrückenden Perser sehen und hören, wie sie sich über die ganze Breite der Meerenge auffächerten.

Flüssige Erzählung

"Persisches Feuer" ist eine Erzählung, in der Machtkämpfe und Krieg die Hauptrollen spielen. Der Bogen wird vom Trojanischen Krieg bis zum Kampf um den Peloponnes gespannt. Tom Holland kennt seinen Gegenstand nicht nur aus der Literatur. Er hat die Schauplätze der persischen Geschichte eingehend bereist, und er weiß die Quellen zu deuten. Vor allem aber versteht es der britische Autor auf das Beste, die Worte der antiken Schriftsteller in eine flüssige und nachvollziehbare Erzählung zu fassen.

Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr

Buch-Tipp
Tom Holland, "Persisches Feuer. Das erste Weltreich und der Kampf um den Westen", aus dem Englischen übersetzt von Andreas Wittenburg und Susanne Held, Klett-Cotta

Link
Klett-Cotta - Tom Holland