Bringt die Wirtschaftskrise mehr staatliche Regulierung?
Der Staat wird’s schon richten
Banken, Autofirmen und andere Industriebetriebe in aller Welt halten derzeit die Hand auf und bitten den Staat - also die Allgemeinheit - um Milliardenhilfe. Was vor einem Jahr absurd und undenkbar gewesen wäre, ist heute Wirklichkeit.
8. April 2017, 21:58
Prof. Friedrich Schneider, Universität Linz
Mehr Staat und weniger Privat, oder doch mehr Privat und weniger Staat? Dieser Streit lässt sich bis ins 18. Jahrhundert zurück verfolgen, seitdem mit Adam Smith der Wirtschaftsliberalismus seinen Siegeszug rund um die Welt begonnen hat. Immer wieder wurde seither der Untergang der Marktwirtschaft vorausgesagt, es waren vor allem die immer wieder kehrenden Wirtschaftskrisen, die den Ruf nach dem Staat laut werden ließen. So verwundert es kaum, dass die Menschen auch jetzt ihre Hoffnung wieder verstärkt auf den Staat setzen, auf jene übergeordnete Macht, die zumindest vorgibt, Sicherheit und Zukunft garantieren zu können.
Staat oder Markt - wer hat versagt?
Deshalb gleich von einem Versagen des Marktes zu sprechen, lehnt Prof. Friedrich Schneider, Volkswirtschafter an der Johannes-Keppler Universität in Linz, ab: "Die Marktwirtschaft versagt dann, wenn ich sie unreguliert laufen lasse, wie das in Amerika am Finanzmarkt geschehen ist. Der unregulierte Finanzmarkt, die unregulierte Volkswirtschaft, führt sehr häufig dazu, dass es dann zum Marktversagen kommt, das dann vom Staat und von der Allgemeinheit korrigiert werden muss. Marktwirtschaft pur versagt, weil sie fast immer von einzelnen systematisch ausgenützt wird und dann alle davon einen Schaden haben. "
Nicht der Markt, sondern der Staat hat diesmal versagt, glaubt Claus Raidl, Vorstand der Böhler-Uddeholm AG und Vorsitzender des Generalrates der Österreichischen Nationalbank. Raidl hat im Lauf seiner beruflichen Karriere auch in führender Position bei der ehemals verstaatlichen Voest gearbeitet und bekennt sich zum Wirtschaftsliberalismus. Der Staat habe versagt, weil er verabsäumt hat, dem Finanzsektor strengere Regeln zu geben. Trotzdem sei es gerade jetzt der Staat, der gefordert ist, sagt Raidl. "Da muss man zur Kenntnis nehmen, auch als Anhänger der Marktwirtschaft, dass der Staat jetzt eine neue Rolle bekommt, nämlich die als temporärer Stabilisator. Er muss hineingehen, um diesen Sektor zu retten, und soll sich dann wieder zurückziehen.
Grundsätzlich bleibt Raidl dabei, dass der Staat ein schlechter Eigentümer von Unternehmen sei. Denn Politiker hätten nur Stimmenmaximierung im Sinn. Das vertrage sich oft nicht mit der Führung eines Unternehmens, die manchmal auch unpopuläre Entscheidungen verlange.
Staat ist mehr als Retter in der Not
Ganz anders sieht das der frühere Finanzminister Ferdinand Lacina. Der Fehler sei gerade gewesen, den Staat aus seiner Ordnungsfunktion zurück gedrängt zu haben. "Ich würde nicht den Staat haftbar machen, sondern ganz bestimmte politische Kräfte. Das beginnt bei Frau Thatcher, Herrn Reagan und endet bei Herrn Schüssel. Es ist diese Ideologie damals gepredigt worden, es ist geradezu eine Hetze gegen den Staat gelaufen."
Wer auch immer Schuld hat, jetzt geht es ans Aufräumen. Wie das genau geschehen muss, dafür gibt es aber keine Rezepte. "Wir sind alle sprachlos" formuliert es Prof. Friedrich Schneider und übt damit vor allem Kritik an der eigenen Zunft. Die Wirtschaftswissenschaft hat es verabsäumt, rechtzeitig Antworten auf Fragen zu finden, wie man beispielsweise das Vertrauen der Banken wieder herstellen kann.
Tatsache ist, dass das viele Geld, das die Staaten derzeit in Finanz- und Konjunkturpakete investieren, eigentlich nicht vorhanden ist. Es werden Schulden gemacht, Schulden, die irgendwann einmal zurück bezahlt werden müssen. Ferdinand Lacina, der ehemalige Finanzminister, hat damit kein Problem. Schulden zu machen, sei gerechtfertigt, wenn es darum geht, Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, hält es Lacina mit Bruno Kreisky.
Der Abbau der hohen Staatsverschuldung hat allerdings schon damals viele Jahre gedauert. Und auch diesmal steht das dicke Ende sicherlich noch bevor, mahnt Prof. Friedrich Schneider. Bisher sind der Staat beziehungsweise seine Repräsentanten, die Politiker, aus der Krise ganz gut heraus gekommen. Umfragen zeigen, dass die Zufriedenheit der Bevölkerung mit der Politik zuletzt gestiegen ist.
Hör-Tipp
Saldo, Freitag 27. März 2009, 9:45 Uhr
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Institut für Höhere Studien
Universität Linz