Paula Groggers größter Erfolg

Die mit dem Grimmingtor

Ein Bestseller wie der Roman "Das Grimmingtor" ist der steirischen Heimatdichterin Paula Grogger nie wieder gelungen - aber sie hat, am Ende ihres mehr als 90-jährigen Lebens, noch ihre Anerkennung abseits aller Heimattümelei erlebt.

Fast war man versucht, sie das Große Alte Mädel der steirischen Literatur zu nennen, wie sie da saß, nein, residierte in ihrem Heimatdorf Öblarn im Ennstal, mit strenger Zopffrisur, und mit beinahe jugendlicher Gestik, hellwach und akkurat formulierend, die Huldigungen entgegennahm, die ihr zu ihren hohen Geburtstagen zuteil wurden.

Als Paula Grogger, die Heimatdichterin, die diese Titulierung gar nicht gern hörte - einfach "Dichterin" war ihr viel lieber - am Neujahrstag 1984 in ihrem 92. Jahr starb, hatte sich ihr Ruhm bereits über Generationen fortgepflanzt. Jenes Werk, dem sie ihn verdankte - der historische Familienroman "Das Grimmingtor", mit stark naturmystischem wie auch katholischem Hintergrund - war damals schon fast 60 Jahre alt und drohte langsam in die heimische Literaturgeschichte der Zwischenkriegszeit zurückzusinken, indes: Paula Grogger, wiewohl sie den Erfolg ihres "Grimmingtors" von 1926 nie mehr auch nur annähernd erreichte, blieb ein lebendiges Denkmal ihrer selbst und ihrer Zeit, dem, spät, aber doch, auch die junge steirische Literatur der 1970er Jahre noch ihre Reverenz erwies (was die alte Dame - das mit dem Mädel vergessen wir wieder, das war nur so ein äußerer Eindruck! - verständlicherweise ganz besonders freute und sie sogar dazu bewegte, für die Literatur etwa der Forum-Stadtpark-Leute weit mehr Verständnis zu bekunden, als es dem strikt konservativen, traditionsgebundenen Dichtertum, wie sie es verstand, eigentlich entsprach).

Überwältigender Erfolg

Paula Grogger, stolze Kaufmannstochter im urbäuerlichen Milieu des Ennstaler Dorfes, das der heutige, touristisch geprägte Markt Öblarn dazumal noch war, wurde vom herrischen Vater als zu praktischen Berufszwecken untauglich zu den Salzburger Ursulininnen in die Schule geschickt, machte eine Lehrerinnenausbildung, unterrichtete aber nur bis 1928. Dann ließ sie sich, gerade 36 Jahre alt, wegen ihres ererbten Lungenleidens frühpensionieren - und hatte zu diesem Zeitpunkt auch keine materiellen Sorgen mehr: der "Grimmingtor"-Roman, nicht in Groggers Heimat, nicht einmal in Österreich, sondern im damaligen Osten Deutschlands verlegt, eroberte - trotz einer über weite Strecken vorherrschenden poetischen Kunst-Mundart - im Nu den ganzen deutschen Sprachraum, erreichte binnen vier Jahren die damals enorme Zahl von 40 Auflagen und wurde, was noch ungewöhnlicher war, ebenfalls binnen kürzester Zeit in neun Sprachen übersetzt. Das Land Steiermark zeigte sich ebenfalls überwältigt und gewährte seiner berühmten Dichterstochter eine lebenslängliche Ehrenpension.

Zahlreiche "Spiele"

Paula Grogger, die schon als Kind von allem Sprachlichen fasziniert war, sehr früh Gelegenheitsgedichte, später dann volkstümliche Schauspiele für Laiengruppen, meist religiösen Inhaltes, schrieb, war in späteren Jahren ein bisschen enttäuscht darüber, dass man ihrem Werk nach dem "Grimmingtor", das sie für reifer, dichterischer im Sinn metaphysisch-gläubiger Ausrichtung hielt, immer und über Jahrzehnte diesen Erstlingsroman vorzog.

All die Fabeln und Legenden, die autobiografischen Erzählungen, all die "Spiele", wie sie sie nannte, kamen gegen jenes "Grimmingtor" nicht auf (wenn man davon absieht, dass eines der Grogger'schen Laien-Festspiele, das Hochzeitsspiel um den Erzherzog Johann und seine Anna Plochl, heute noch in fünfjährlichem Turnus auf dem Kirchplatz in Öblarn aufgeführt wird).

Dichtkunst, Kunsthandwerk oder Kitsch?

Wer heute das "Grimmingtor" liest - die letzte Auflage ist erst vor zehn Jahren bei Styria in Graz erschienen -, den mag das sprachliche Klangweben darin erstaunen, vielleicht auch da und dort befremden oder, über längere Strecken, ermüden. Ob das nun hohe Dichtkunst, Kunsthandwerk oder Kitsch sei, darüber sind Fachleute wie Leser bis heute nicht einig. Ein literarisches und politisches Zeitzeugnis aus dem katholischen Neobiedermeier der 1920er Jahre dürfte Grogger mit dem "Grimmingtor" - eben, weil sie selbst ihre Schreibarbeit daran als halb unbewussten "Ausbruch" empfand - gelungen sein: Die Handlung begibt sich ein gutes Jahrhundert zuvor, im "echten" Biedermeier, und angesichts der napoleonischen Bedrohung...

Einen andern Fingerzeig bezüglich der überwältigenden Akzeptanz des Romans zu seiner Zeit gibt der Umstand, dass besagte Ostdeutsche Verlagsanstalt in Breslau 1933 dem soeben ernannten Reichkanzler Adolf Hitler ein Exemplar des "Grimmingtores" zu übersenden sich beehrte, mit der ausdrücklichen Begründung, der Roman sei ein "wesenhafter Ausdruck deutschen Volkstumes".

Das kann man Paula Grogger gewiss nicht vorwerfen - ihre nicht nur passive Verstrickung in den Nationalsozialismus ist allerdings unbestreitbar.

Sie "tauge nicht für politischen Einsatz" hat sie noch als alte Frau trotzig erklärt - und damit die von ihr verachteten "Staatskünstler" gemeint.

Echte Gefühle

Die derart unpolitische Berühmtheit hatte aber immerhin, gemeinsam mit bekennenden Früh-Nazi wie Max Mell und Bruno Brehm, 1933 die Spaltung des österreichischen PEN betrieben, sich mit den Bücherverbrennern in Deutschland solidarisiert (!), 1936, unter dem katholisch-autoritären Dollfuß-Folgeregime, den "Bund deutscher Schriftsteller in Österreich" mitbegründet und trat noch 1954, beim berühmt-berüchtigten Nachkriegs-Dichtertreffen von Pürgg (gleich unterm Grimming, da hatte sie's nicht weit von Öblarn), zwar ernüchert, aber doch recht selbstbewusst auf. Bruno Brehm zum Beispiel war ja auch da.

"Tendenz", sagte die alte Paula Grogger, "Tendenz liegt mir fern". Sie sagte es auf die Frage eines Interviewers, ob und wie katholisch sie sei.

Auch das gehört wohl zur Summe eines sehr österreichischen, sehr begabten Lebens in diesen Jahrzehnten.

Und: ungewöhnlich an der Schriftstellerin Grogger ist immerhin auch, dass sie nichts aus Kalkül getan hat. Ihre große Sprachbegabung, ihr Heimatgefühl und ihre Hingabe an den Glauben waren und sind höchstpersönlich und echt.

Hör-Tipp
Patina, Sonntag, 25. Jänner und 1. Februar 2009, 9:05 Uhr

Buch-Tipp
Paula Grogger, "Das Grimmingtor", Styria Verlag