Geniales Künstler-Duo Hofmannsthal-Strauss

100 Jahre "Elektra"

Am 25. Jänner 1909 fand an der Hofoper von Dresden die Uraufführung dieser bis heute weltweit gespielten Oper statt, womit gleichzeitig auch eine der engsten und fruchtbarsten Verbindungen zwischen einem Musiker und einem Dichter besiegelt wurde.

Kennen gelernt haben sich die beiden 1899 im Hause des Dichters Richard Dehmel in Berlin, 1900 trafen sie sich dann in Paris, und der erste Stoff, den Hugo von Hofmannsthal Richard Strauss zur Vertonung angeboten hat, war ein Ballett: "Der Triumph der Zeit" - doch der Komponist winkte ab. Dann sah er 1903 Hofmannsthals Theaterstück "Elektra" - frei nach Sophokles - in Berlin..

Bis zur äußersten Grenze

"Als ich zuerst Hofmannsthals geniale Dichtung im 'Kleinen Theater' in Berlin mit Gertrud Eysoldt sah, erkannte ich wohl den glänzenden Operntext (der es nach meiner Umarbeitung der Orestszene tatsächlich geworden ist) und, wie seinerzeit in 'Salome' die gewaltige musikalische Steigerung bis zum Schluss: in 'Elektra' nach der nur mit Musik ganz zu erschöpfenden Erkennungsszene der erlösende Tanz - in 'Salome' nach dem Tanz (als Kernpunkt der Handlung) die grausige Schlussapotheose. (...) Anfangs schreckte mich aber der Gedanke, dass beide Stoffe in ihrem psychischen Inhalt viel Ähnlichkeiten hatten, so dass ich zweifelte, ob ich ein zweites Mal die Steigerungskraft hätte, auch diesen Stoff erschöpfend darzustellen. Jedoch der Wunsch, dieses dämonische, ekstatische Griechentum des 6. Jahrhunderts Winckelmannschen Römerkopien und Goethescher Humanität entgegenzustellen, gewann das Übergewicht über die Bedenken und so ist 'Elektra' sogar noch eine Steigerung geworden in der Geschlossenheit des Aufbaus, in der Gewalt der Steigerungen, - und ich möchte fast sagen: sie verhält sich zu "Salome" wie der vollendete stileinheitlichere 'Lohengrin' zum genialen Erstlingsentwurf des 'Tannhäuser'. Beide Opern stehen in meinem Lebenswerk vereinzelt da: ich bin in ihnen bis an die äußersten Grenzen der Harmonik, psychischer Polyphonie (...) und Aufnahmefähigkeit heutiger Ohren gegangen."

Erfolge in Serie

So schildert Richard Strauss in seinen 1942 aufgezeichneten "Erinnerungen an die ersten Aufführungen meiner Opern" in Kurzform die Entstehung seiner "Elektra", die gleichzeitig auch die Basis gelegt hat für eine der engsten und fruchtbarsten Verbindungen zwischen einem Musiker und einem Dichter im Bereich der Operngeschichte. Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal wuchsen in der Folge zu einem geradezu genialen Künstler-Duo zusammen.

Auf "Elektra" folgten bis zu Hofmannsthals Tod im Jahr 1929 noch "Der Rosenkavalier", "Ariadne auf Naxos", "Die Frau ohne Schatten", "Die ägyptische Helena" und "Arabella". Dabei dauerte es zunächst eine ganze Weile, bis Strauss tatsächlich von einer Vertonung des "Elektra"-Stoffes überzeugt war - zu sehr überwogen doch seine Bedenken bezüglich der Ähnlichkeit mit "Salome".

Zwischendurch stand zum Beispiel "Semiramis" im Gespräch oder auch ein Renaissancestoff: "So ein ganz wilder Cesare Borgia oder Savonarola wäre das Ziel meiner Sehnsucht (...)" Doch Hofmannsthal ließ nicht locker, sah allfällige Ähnlichkeiten mit dem Salome-Stoff "auf ein nichts zusammenschrumpfen (...). Es sind zwei Einakter, jeder hat einen Frauennamen, beide spielen im Altertum (...) ich glaube darauf läuft die ganze Ähnlichkeit hinaus (...) ich sehe in absehbarer Zeit nicht die Möglichkeit, eine andere Dichtung herauszubringen (...)."

Geburtshelfer: Ernst von Schuch

Uraufführungsort wurde -bereits zum dritten Mal nach "Feuersnot" und "Salome" - das Königliche Opernhaus von Dresden unter seinem bewährten Generalmusikdirektor Ernst von Schuch, einem gebürtigen Grazer.

Die Premiere fand am 25. Jänner 1909 statt, als erster Abend einer 'Richard-Strauss-Woche' und wurde wie der Komponist viel später (1942) schrieb 'ein anständiger Achtungserfolg. Angelo Neumann telegrafierte nach Prag sogar "Durchfall'! Jetzt gilt vielen 'Elektra' als Höhepunkt meines Schaffens! Andere stimmen für 'Die Frau ohne Schatten'! Das große Publikum schwört auf den 'Rosenkavalier'. Man muss zufrieden sein, als deutscher Komponist es so weit gebracht zu haben."

Köstliche Anekdoten kursieren über die letzten Proben zu "Elektra", zu denen natürlich auch Strauss persönlich erschienen war: "Gehen's Schuch, lassen's mich amal dirigieren!" Doch es dauert nicht lang, und Strauss - selig in seine neuen Klänge versunken - vergisst völlig, die nötigen Zeichen zu geben, worauf alles in Verwirrung gerät. Darauf der Komponist: "Schuch, gehen's kommen's wieder her. Komponieren hab'i's können, aber dirigieren kann i's no net!"

Elektra in Wien und international

Wenn "Elektra" - international gesehen - auch nicht sofort einen ähnlichen Erfolg wie "Salome" verbuchen konnte, so verbreitete sie sich doch ziemlich rasch: bereits am 6. April 1909 finden wir sie an der Mailänder Scala (in italienischer Sprache), 1910 in New York (auf französisch!), ebenfalls 1910 in London (deutsch), in Budapest (ungarisch), in Prag (tschechisch), 1913 in St. Petersburg (russisch) usw.

Am 24. März 1909 hat unter Hugo Reichenberger die Erstaufführung an der Wiener Hofoper stattgefunden. Sie begeisterte das Publikum und verstörte so manchen Kritiker: "Wenn in 'Elektra' Blut, dieser ganz besondere Saft, wie ein Likör kredenzt wird", schrieb etwa Julius Korngold, "watet die Opernmusik nicht schon lange genug in Blutlachen? Sie hat verlernt, zimperlich zu sein, leider (...). Wie schön war die Prinzessin Salome!"

Hör-Tipp
Apropos Oper, Dienstag, 27. Jänner 2009, 15:06 Uhr