Kognitives Training und das Belohnungszentrum
Die Physiologie der Persönlichkeit
Durch die neuen bildgebenden Verfahren haben Wissenschaftler das Gehirn erforscht und das Bild vom Menschen revidiert. Nun fließen diese Erkenntnisse in die Praxis ein. Und es ist möglich zu überprüfen, ob etablierte Methoden wirksam sind.
8. April 2017, 21:58
Mittels bildgebender Verfahren, wie der Funktionellen Magnet Resonanz Tomographie (FMRT), wird die regionale Durchblutung im Gehirn sichtbar gemacht.
Die stärkere Durchblutung steht für eine Aktivierung bestimmter Netzwerke. Diese neuronalen Netze sind die Informationsarchitektur von Gehirn und Nervensystem. Die Neuronen oder Nervenzellen sind in Form eines Netzes verknüpft. Dort tauschen sie Informationen aus, sowohl auf chemischem als auch auf elektrischem Weg.
Veränderungen können auftreten, wenn Menschen ein Suchtproblem haben, sich ein Schmerzproblem einstellt oder Patienten an Angststörungen leiden. Solche Veränderungen können auch durch Stimulation hervorgerufen werden. Kognitives Training und Psychotherapie verursachen Umbildungen im Gehirn. So können neue Therapieformen entwickelt werden. Und es ist möglich zu überprüfen, ob etablierte Methoden wirksam sind.
Das Belohnungszentrum
Was heißt diese Erkenntnis für die Suchttherapie und warum werden Menschen süchtig? Neurobiologen haben mittels FMRT ein Belohnungssystem im Gehirn sichtbar gemacht. Dieses "Belohnungszentrum" spielt bei der Entstehung von Abhängigkeiten eine große Rolle.
Wenn es angenehme Reize wahrnimmt, werden Glücksbotenstoffe ausgeschüttet. Reize mit Belohnungswert werden vom Menschen gesucht. Bei zahlreichen neurologischen und psychiatrischen Krankheiten wie Depressionen oder Zwangsstörungen, und eben bei Suchterkrankungen, ist dieser komplexe Hirnbereich gestört.
Glaube und Wirklichkeit
Am Institut für Neuropsychologie und Klinische Psychologie der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg wurde die Störung des Belohnungssystems bei Alkoholikern untersucht. Süchtige glauben oft, die Abhängigkeit bereits überwunden zu haben, doch die Reaktionen in ihrem Gehirn zeigen das Gegenteil.
Im Scanner wurden den Probanden störungsrelevante Bilder gezeigt. Dabei handelte es sich um Abbildungen von alkoholischen Getränken. Die Probanden und Probandinnen gaben an, dass diese Bilder ein unangenehmes Körpergefühl verursachen würden. Doch die Bilder der FMRT haben gezeigt, dass das Belohnungssystem trotz Abstinenz noch immer auf diese Reize reagiert. Patienten und Patientinnen, bei denen diese Strukturen stark ausgeprägt sind, haben auch ein höheres Rückfallrisiko. Kognitives Training hilft, diese suchtgeprägten Hirnstrukturen umzubilden.
Wandelbare Persönlichkeit?
Ändert sich durch solche Umbildungen im Gehirn auch die Persönlichkeit des Menschen? Der Hirnforscher, Verhaltensphysiologe und Biologe Gerhard Roth ist skeptisch. Die Persönlichkeit des Menschen, geprägt durch Gene, pränatale Erfahrungen und durch seine Sozialisation wird sich, laut Gerhard Roth, im Erwachsenenalter kaum mehr wandeln.
Er ist pessimistisch, wenn es darum geht Menschen durch Therapien verändern zu können, wenn nicht Gehirnwäsche angewandt wird. Eine komplette Heilung psychischer Störungen hält er nicht für möglich, weder auf therapeutischem noch auf pharmakologischem Weg.
Service
Gerhard Roth, "Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten. Warum es so schwierig ist, sich und andere zu ändern", Klett-Cotta Verlag
Alois Kogler, "Die Kunst der Höchstleistung. Sportpsychologie, Coaching, Selbstmanagement", Springer Verlag