Ein wildes Jahrzehnt

The Roaring Twenties

Die tollen zwanziger Jahre haben uns in Europa den Einfluss des Jazz ebenso beschert wie Orchesterwerke, die Rugby-Spiele zum Thema haben, fahrende D-Züge und sogar Eisengießereien, aber auch Filmmusik von Schostakowitsch.

Als Schlagwort werden sie gerne der U-Musik zugeordnet, aber wild waren die zwanziger Jahre auch auf der Opernbühne und im Konzertsaal. Viele Komponisten haben alternative Wege beschritten, oder zumindest modisch attraktive.

Man denke nur an den schrittweisen Einzug des Jazz in die europäische Musik etwa bei "Golliwalk's cake walk" in Debussys musikalischer "Ecke für Kinder", die er klanglich subtil für seine kleine ChouChou eingerichtet hat. Seinem "little negro" hätte die Political Correctness von heute sicher den Zutritt verwehrt.

Jazziges

Der Siegeszug des Jazz und des Negro Spirituals hat sicherlich auch die Attraktivität der schwarzen Farbe gefördert, mit der sich der Entertainer Al Jolson für seine Bühnenauftritte geschminkt hat und die dann in den Filmen wie der "Jazz Singer" auch in diesem Medium zu seinem Markenzeichen geworden ist. Sich schwarz schminkende Sänger gab es dann auch in der Oper, wobei der aufspielende Jonny dies in Kreneks "Jazz-Oper" mit einer Geige tut und sich Ernst Krenek selbst gegen den Begriff Jazz in der Oper verwehrt hat, weil hier ja das wesentlichste Element, die Improvisation keinen Platz hat.

Nur Jazz-Anklänge waren beabsichtigt, so meinte er, aber das hat ja Maurice Ravel in seiner Colette-Oper "Das Kind und der Zauberspuk" ebenso getan, wie Hindemith, Strawinsky und viele ihrer Zeitgenossen damals die Modetänze der Roaring Twenties - ob Shimmy, Tango oder Ragtime - in ihren Werken aufgegriffen haben.

Groupe de Six

Einige Mitglieder der "Groupe de Six" gaben sich besonders exklusiv. So hat Darius Milhaud nach einem Südamerikaaufenthalt in seinem Ballett "Le Boefe sur le Toit" (Der Stier auf dem Dach) einen absurden Plot höchst effektvoll mit lateinamerikanischen Rhythmen garniert.

Und um die archaische Wirkung seines Balletts über die Erschaffung der Welt zu steigern, griff er auf afrikanische Musik zurück, versetzte des Ergebnis mit Elementen des Blues und goss es in die Form einer Fuge.

Maschinenmusik

Arthur Honegger hat jeden erdenklichen Instrumentationseffekt eines modernen Symphonieorchesters genützt, um dem Klangeindruck eines
D-Zuges so nahe wie möglich zu kommen, während der Russe Alexander Mossolow sich bei seiner "Eisengießerei" offenbar den Lärm eine modernen Fabrikshalle als Maßstab genommen hat.

Es nimmt nicht Wunder, dass damals der Begriff Maschinenmusik geprägt wurde, womit man aber auch ein so abstraktes Werk meinte, wie Prokofieffs Toccata, in der die Maschine ganz einfach das Klavier ist. Sie beginnt auf dem tiefen D zu stampfen, und dann dehnt sich diese rhythmische Bewegung auf immer weitere Teile der Klaviatur aus.

Neoklassizismus

Viele Komponisten haben sich ihre Inspiration auch aus der Vergangenheit geholt, wie etwa Richard Strauss, der in seinen Jahren als Wiener Operndirektor eine Couperin-Suite schrieb und seine mit Lully-Themen garnierte "Bürger als Edelmann"-Musik abschloss. Mit Neoklassizismus wurde der nächste musikhistorische Karteikasten beschriftet (Egon Friedell prägte damals gerade den Begriff: "Der Wille zu Schachtel"), in den nicht nur Hindemith, sondern vor allem Strawinsky mit dem "Pulcinella"-Ballett eingeordnet wird, für das er in italienischen Archiven thematisches Pergolesi-Material gesammelt hat, das sich bald als apokryph herausstellte.

Satirisches

Aber den Vogel hat das Duo Weill-Brecht abgeschossen, die getrennt voneinander nie wieder so erfolgreich gewesen sind wie 1928 mit der "Dreigroschenoper": Sie entwickelten episches Theater mit sozialkritischer Tendenz, garniert durch Elemente des Jazz und vermischen die Form der Moritat und des Kabarettchansons mit Foxtrott, Shimmy und Tangorhythmen.

Als literarisch-dramaturgisches Rohmaterial diente eine englische Satire aus der Zeit von William Hogarth, dem Maler moralisierender Comic Strips in Öl.

Hör-Tipp
Musikgalerie, Montag, 9. Februar 2009, 10:05 Uhr