Ausgleich zum schwierigen Alltag
Wem gefriert hier das Lachen?
Doch, es gibt sie, die witzigen Geschichten Afrikas. Trotz Bürgerkrieg, Hunger und Elend, trotz Aids, Cholera und Kindersoldaten. Und es scheint, als würden die Geschichten ihre Leser finden und mithelfen, den schwierigen Alltag zu bewältigen.
8. April 2017, 21:58
Warum sollte man in Afrika keine witzigen Geschichten schreiben? Oder lesen? Ist es nicht vielmehr so, dass wir hier im relativ guten Leben, verglichen mit vielen Regionen in Afrika, die Ohren und den Kopf voll haben mit dem Grauen, das aus Afrika berichtet wird?
Erzählungen am Abend
Lachen, Humor und Satire gehörten immer schon zu Afrikas literarischer Tradition, auch und selbstverständlich damals, als noch nichts aufgeschrieben wurde. Der nigerianische Autor Amos Tutuola zum Beispiel, geboren 1920, begann, während er als Lagerverwalter beim nigerianischen Rundfunk in Lagos arbeitete, die alten Geschichten, die man sich am Abend bei einem oder auch mehreren Bechern Palmwein erzählte, aufzuschreiben und mit eigenen Ideen zu würzen. Das Ergebnis: witzig-phantastische Geistergeschichten, in einem "nicht astreinen" Englisch geschrieben, durchdrungen von Hinweisen auf den Fortschritt und die manchmal durchaus seltsame Gegenwart, erzählt aus der Perspektive eines, der im Jenseits gelandet ist.
"The Palm-Wine Drinkard", 1952 in Nigeria erschienen, erregte auch internationales Aufsehen und wurde noch in den 1950er Jahren in zehn Sprachen übersetzt. Es ist somit das erste Buch eines Schwarzafrikaners, das auch außerhalb von Afrika Beachtung fand.
Geschichten eines Griots
Durchaus vergleichbar ist das literarische Werk des 1906 geborenen Senegalesen Birago Diop. Er sammelte seine Geschichten, während er als Tierarzt in Französisch-Afrika unterwegs war. Weil er sie ausdrücklich als "gesammelte" Geschichten präsentieren wollte, präsentierte er sie in seinem 1947 erschienenen Buch als Geschichten eines Griots, den er Amadou Koumba nannte.
Hinter seinen Geschichtensammlungen steht ein selbst gestellter pädagogischer Auftrag: Birago Diop stand seit seinem Studium in Paris mit den Begründern der Négritude in Kontakt, vor allem mit Leopold Sédar Senghor. Es galt der Welt und Afrika zu beweisen, dass Afrika Kultur besaß.
Fast ein Lehrstück
Ebenfalls im kolonialen Afrika, als Auseinandersetzung mit der Kolonialmacht Frankreich, entstand das literarische Werk des um 1900 in Bandiagara im heutigen Mali geborenen Amadou Hampaté Bâ. Er hatte auf Grund seiner adeligen Herkunft und seines brillanten Verstandes eine gute Position in der Kolonialverwaltung erreicht, als 1937 seine Karriere abrupt endete: Hampaté Bâ war Sufi, Mitglied der politisch auffällig gewordenen Bruderschaft der Tidjaniyya, die von Frankreich verboten wurde.
In der Folge beschäftigte er sich mit dem Erkunden und Aufschreiben der Geschichte seines Landes. Ein "Nebenprodukt" ist der quasi autobiografische Roman "Wangrins seltsames Schicksal oder die listigen Ränke eines afrikanischen Dolmetschers", der 1973 in Paris erschienen ist - ein Lehrstück in Sachen "korrektes politisches Vorwärtskommen". Dieses Buch wurde 1974 mit dem Großen Preis der Afrikanischen Literatur ausgezeichnet, der in Paris von der ADELF, der Association des écrivains de langue francaise, der Vereinigung der frankophonen Autoren, für einen französischsprachigen Originaltext aus Schwarzafrika vergeben wird.
Aufblitzendes Lachen
Eine offenbar generell positive Natur dürfte der 1941 geborene Angolaner Arthur Carlos Maurício Pestana dos Santos, besser bekannt unter seinem Nom de guerre Pepetela. Er schreibt zwar auch "ernsthafte" Literatur, Bewältigung von Kriegserlebnissen, Verarbeitung der angolanischen Geschichte oder angolanische Mythensammlungen, aber zwischendurch blitzt immer wieder sein Lachen auf.
1985 veröffentlichte er "Der Hund und die Leute von Luanda", eine Sammlung von Episoden rund um einen herrenlosen Hund, der sich verschiedensten Menschen für eine Zeitlang anschließt, einem Entwicklungshelfer zum Beispiel, einem kleinen Jungen oder einer Sambagruppe, deren erbärmlicher Performance er durch sein Mitwirken zum ersten Preis verhilft.
Pepetelas letzter Coup: die James Bond Parodie um den jungen "Denker" Jaime Bunda - wobei sich Bunda in erster Linie auf das gewaltige Hinterteil des Helden bezieht.
Kritischer Blick
Der kritische Blick auf die Gegenwart ließ auch den Kenianer Meja Mwangi zu Humor und Satire greifen - nach dem Motto "Lachen ist die beste Medizin". Die gutmenschlichen Bemühungen diverser Popstars, die für die Hungernden Afrikas sammeln, sind Ausgangspunkt seines Romans "Mr. Rivers letztes Solo". Die von der Entwicklungshilfe aufgegebene Geburtsstation im kenianischen Hinterland, die resoluten Krankenschwestern, die das Werkl am Laufen halten, sowie die leidenden Väter verewigte er in "Happy Valley" - mit durchaus überraschendem Ende.
Gefrierendes Lachen
Humor pur schreibt Bineka Daniele Lissouba, oder schrieb, denn von ihr ist sehr wenig bekannt. Möglicherweise gehört sie zur großen Familie des ehemaligen Staatspräsidenten des ehemaligen Congo-Brazzaville Patrice Lissouba. Es heißt, dass sie als Journalistin in Gabon bei Radio Afrique Nr. 1 arbeitete, Kindergeschichten schrieb und Dokumentationen verfasste. Jüngste Spuren im Internet orten sie in Quebec, Genaueres ist nicht herauszufinden.
Berufsmäßiger "Humorist" dagegen ist der südafrikanische Rapper und Comedian Tshepo Mogale.
Zu guter Letzt sei noch Abdourahman Waberi erwähnt. Sein Roman "Die vereinigten Staaten von Afrika", in der die Entwicklung der Welt anderes verlaufen ist, in der Afrika die Metropole der Welt und Europa bzw. Nordamerika die verelendete Peripherie, lässt das Lachen im Hals stecken bleiben. Dennoch sehr lesenswert und mit einem überraschenden Ende.
Mehr dazu in oe1.ORF.at
Tshepo Mogale
Afrika als Weltbeherrscher
Die andere Seite Kenias
Hör-Tipp
Terra incognita, Donnerstag, 12. Februar 2009, 11:40 Uhr
Buch-Tipps
Amos Tutuola, "Der Palmweintrinker", Unionsverlag
Birago Diop, "Geistertöchter. Die Geschichten des Amadou Koumba", Peter Hammer Verlag
Amadou Hampaté Bâ, "Wangrins seltsames Schicksal", Lembeck Verlag
Amadou Hampaté Bâ, "Jäger des Wortes", Peter Hammer Verlag
Pepetela, "Der Hund und die Leute von Luanda", Edition südliches Afrika
Pepetela, "Jaime Bunda, Geheimagent", Unionsverlag
Meja Mwangi, "Mr. Rivers letztes Solo", Peter Hammer Verlag
Meja Mwangi, "Happy Valley", Peter Hammer Verlag
Abdourahman Waberi, "Die vereinigten Staaten von Afrika", Nautilus Verlag
Gudrun Honke (Hg.), "Die Mondfrau. Neue Geschichten aus dem frankophonen Afrika", Peter Hammer Verlag
Manfred Loimeier (Hg.), "Yizo Yizo. Storys aus einem neuen Südafrika", Peter Hammer Verlag
Links
Abdourahman Waberi
Kaliber.38 - Pepetela