Facetten der jamaikanischen Musik

Was ist Dub?

Dub gehört zu den einflussreichsten Entwicklungen des Reggae in den letzten Jahrzehnten. Geboren Ende der 1960er Jahre machte er sich das kreative Potenzial eines Mischpultes zu Eigen - durch Neuabmischung und Verfremdung bestehender Reggae-Stücke.

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King Tubby, bürgerlich Osbourne Ruddock, ist als Miterfinder einer der Protagonisten der jamaikanischen Dub-Szene. Seine Musikanlage im Kingston Ende der 1960er Jahre galt als das Non-plus-Ultra. Ähnliches erzählt man sich über sein für damalige Verhältnisse supermodernes Studio. Mit seinem Mischpult definierte er die Idee eines Songs neu: Der Remix, die Neuabmischung eines Stückes, war weniger Mittel zum Zweck als das Ziel selbst.

Der beste Ska, Reggae und Dub entwickelte immer auch einen enormen Anteil spiritueller und populistischer Elemente. Was die Produzenten in den legendären Studios einspielen und voicen - also besingen - ließen, stand im Verhältnis zur Stimmung der schwarzen Bevölkerung Jamaikas.

Rastafari

Sozialkritische Protestlieder stellten Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre beständige Facetten der jamaikanischen Musik dar. Immer mehr Sänger und Gruppen thematisierten die Befreiungsphilosophie von Rastafari in ihrer Musik.

Die Rastafari-Philosophie entstand in den 1930 Jahren in den Slums von Kingston. Ihr Name kommt von Ras - also Prinz - Tafari, der im November 1930 zum Kaiser von Äthiopien, Haile Selassie, gekrönt wurde. Er sieht sich als direkter Nachkomme des biblischen Königs Salomon und der Königin von Saba. Für die Rastafari ist er Gott, Jah und laut Bibel der König der Könige und der siegreiche Löwe aus dem Stamme Judah. Die westliche Welt der Sklavenhalter, Kapitalisten, Ausbeuter und Rassisten wird als Babylon gebrandmarkt.

Rastafari als schwarze Kulturkritik

"Rastafari fordert die Gesellschaft heraus. Dieser Umstand resultiert aus der Ambiguität unserer afrikanischen Herkunft, unseres schwarz Seins." Wissenschaftler wie der Ethnologe Barry Chevannes sehen in Rastafari ein wichtiges Transportmittel für afrokaribische, schwarze Kulturkritik, abseits von Marihuana-schwangerer, langlockiger "zurück zur Natur-Romantik" - die immer noch das Hauptimage von Rastafari in der medialen Öffentlichkeit bestimmt.

Chevannes hat in seiner wissenschaftlichen Publikation "Roots and Ideology. The social Origin of the RastafarI Movement in Jamaica" die Ursprünge der Bewegung erforscht.

Schwarz heißt göttlich

"Einerseits werden schwarze Sachen dämonisiert und diese Minderbewertung ist teilweise sowohl in unser Selbstkonzept und in unseren Beziehungen mit anderen internalisiert", so Chevannes. Das lockige Haar sei schlecht, das weiche Haar gut. Es gebe eine Marotte bei karibischen Frauen, die Haut zu bleichen, mit Chemikalien das Melanin loszuwerden.

Rastafari sage im Gegensatz dazu: Schwarz zu sein, bedeutet ein König zu sein. Von den Schwarzen stammen alle Kulturen ab. Schwarz ist die Urquelle: "Rasta hat jedem Schwarzen eine göttliche Identität gegeben."

Alltag kommentiert

Die jamaikanischen DJs der 1970er Jahre waren keine Plattenaufleger im heutigen Sinn. Vielmehr toasteten, also sangen und/oder sprachen sie den jamaikanischen Alltag kommentierend über spirituelle Roots-Reggae-Nummern.

Gegen Mitte der 1970er Jahre gab es dann gewaltige Schlagzeug- und Bass-Remixes mit diversen Spezialeffekten wie Hundegebell oder berstende Fensterscheiben. Sie sollten das unterdrückerische Babylon bis auf den Grund seines Herzen mit Dread, also Furcht, erfüllen. Dieselben Melodien wurden in den Studios in einmal mehr, einmal weniger abweichenden Variationen auf Platten gepresst. Dieses Recycling mit Delay war gleichzeitig die Geburt von Dub.

Dub als postkolonialer Weckruf
Ska, Rocksteady und Reggae waren eingebettet in die traditionellen Konzepte von Kultur, linear erzählter Geschichte und das durch das Christentum geprägte Schema von Gut und Böse. Die Ankunft von Dub hat diese Konstrukte unterwandert, lautet eine These des Musikethnologen Michael Veal in seiner Untersuchung des Phänomens Dub.

So wie die mächtige Bass-Trommel für traditionelle, religiöse Praktiken verwendet wird, um mit den Toten in Kontakt zu treten, schreibt er, wecke der treibende Bass im Dub die Jamaikaner auf, sich ihrer offiziell für tot erklärten kolonialen Sklavenvergangenheit zu besinnen.

No Slackness with Dub
"Nicht ich verwende Dub, Dub verwendet mich", betont der jamaikanische Sänger Fitta Warri die anhaltende Aktualität dieser Musikrichtung: "Wenn sich das Spirituelle mit dem Dub-Rhythmus vermischt, fallen mir die Texte automatisch ein. Von all den Spielarten jamaikanischer Musik wie Reggae, Dancehall, Ragga, sagt mir der spirituelle Dub-Sound am meisten zu. Man kann dazu einfach keine unguten Texte singen."

Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 16. Februar bis Donnerstag, 19. Februar 2009, 9:45 Uhr

Links
King Tubby
Fitta Warri