Biolandbau - Forschung und Praxis

Nicht nur eine Produktionsmethode

Biologischer Landbau hat positive Auswirkungen auf die Umwelt, die Artenvielfalt, die Gesundheit von Tier und Mensch und er kann helfen, die von Menschen verursachte Klimaveränderung einzudämmen. Der Biolandbau ist aber noch nicht am Zenit angelangt.

Unter dem Motto "Werte - Wege - Wirkungen" diskutieren Mitte Februar etwa 500 Wissenschaftler aus Österreich, Deutschland und der Schweiz bei der Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau in Zürich über aktuelle Herausforderungen, produktionstechnische Fortschritte und gesellschaftspolitisch relevante Auswirkungen des biologischen Landbaus.

Die Wissenschaft werde für das zukünftige Wachstum der ökologischen Landwirtschaft einen ungleich höheren Stellenwert haben als bisher, so Urs Niggli, Direktor des Forschungsinstitut für biologischen Landbau, kurz FIBL, in Frick in der Schweiz. Dies deshalb, weil die Anforderungen an die Landwirtschaft und an Lebensmittel viel komplexer geworden seien und die biologische Landwirtschaft neue Impulse für ihre Weiterentwicklung brauche.

Dabei geht es zum Beispiel darum, wie man höhere Erträge ohne negative Umweltauswirkungen erreicht oder wie man die Belastung des Bodens und den Verbrauch von Energie weiter reduzieren kann, indem man auf eine tiefe Bodenbearbeitung mit dem Pflug verzichtet.

Bodenpflege als zentrale Aufgabe

Der Biobauer düngt den Boden und nicht die Pflanzen, wird der biologische Landbau oft vereinfacht beschrieben. Tatsächlich bemühen sich Biobauern durch den Verzicht auf Kunstdünger und Spritzmittel, die Verwendung von tierischen und pflanzlichen Düngern, die konsequente Fruchtfolge und die Gründüngung mit Leguminosen um den Ackerboden.

Durch biologische Bewirtschaftung steigt der Humusgehalt im Boden nachweislich, das Bodenleben ist artenreicher, die Rückhaltefähigkeit für Niederschläge ist verbessert und die Gefahr von Erosion durch Regen und Wind ist verringert. Ein biologisch bewirtschafteter Boden kann deshalb organischen Kohlenstoff binden, statt ihn freizusetzen - wie beim konventionellen Anbau - und trägt damit zur Verringerung der CO2-Belastung bei.

Kunstdünger wird aus Erdöl hergestellt und unter Verbrennung von Diesel ausgebracht - das erspart sich der Biolandbau ebenfalls. Eine Bodenbearbeitung ohne Pflug könnte diese Bilanz noch verbessern, weil man einerseits Treibstoff für den Traktor spart und andererseits die Bodenstruktur geschont wird.

Mehr Schädlinge durch Klimawandel

Die Klimaveränderung bringt heftigere Niederschläge mit größeren Abständen, trockenere Sommer - vor allem im Süden Europas - häufigere Stürme in mittleren Breiten und im Norden sowie heftigere Gewitterstürme. Das bedroht den Boden und die Ernte. Außerdem tauchen wegen der Klimaerwärmung Schädlinge neu oder plötzlich verstärkt auf, wie zum Beispiel im Jahr 2003 in Ostösterreich die Getreidewanze, berichtet Bernhard Kromp, Leiter des Instituts Bioforschung Austria in Wien.

Die Getreidewanze ist keine Unbekannte, allerdings war sie das letzte Mal 1953 in nennenswerter Zahl aufgetreten und dann bis zum Jahr 2003 unauffällig gewesen. Die Untersuchungen von Bioforschung Austria hätten ergeben, so Bernhard Kromp, dass es vor 1953 und vor 2003 besonders milde Winter gegeben habe, was offenbar die Vermehrung der Wanze begünstigte.

Wenn es dauerhaft wärmer wird, könnte das schwere Einbußen für die Landwirtschaft bedeuten, denn die Wanze saugt an Getreidekörnern und hinterlässt dabei ein Enzym, das die Backfähigkeit des Getreides zerstört.

Im Jahr 2003 ist auch der Zuckerrüben-Derb-Rüssler, ein Rüsselkäfer aus dem Schwarzmeeergebiet, seit 20 Jahren erstmals wieder aufgetreten. 2004 habe er große Probleme und Kosten verursacht, so Bernhard Kromp, und er werde jetzt auch für den Biolandbau relevant, weil es seit vergangenem Jahr einen Biozuckerrüben-Anbau in Österreich gibt.

Sind die neuen, durch die Klimaveränderung begünstigten Schädlinge eine größere Belastung für den Biolandbau als für den konventionellen Landbau? Schließlich kann ein Biobauer ja nicht mit der Pestizidkeule gegen neue Schädlinge vorgehen. Nein, sagt Bernhard Kromp, denn durch den gesunden Boden könne sich das System besser auf Veränderungen einstellen.

CO2-Einsparungsprämien für Biobauern?

Die Bodenpflege, die ja auch zur Kohlenstoffbindung und damit zur Eindämmung der Klimaveränderung beiträgt, sollte auch belohnt werden, meint der Hamburger Klimaforscher Hartmut Graßl.

Damit könne man vielleicht auch mehr Bauern dazu bringen, durch geänderte Bewirtschaftungsmethoden dieses Potential zur CO2-Reduktion zu nutzen. In den Nachfolgeprotokollen zum Kyotoprotokoll werde das wohl berücksichtigt werden müssen.

CO2-Einsparung durch resistente Sorten

Über eine CO2-Einsparungsprämie würde sich auch Fredi Strasser freuen, der sein Weingut Cultiva in Unterstammheim südlich des Bodensees in der Schweiz seit 20 Jahren biologisch-dynamisch betreibt. Er hat ausgerechnet, dass er in diesem Zeitraum auf seinen viereinhalb Hektar Weingärten fast 50 Tonnen Kohlendioxid eingespart hat, weil er nicht gespritzt hat und damit auch viele Traktorfahrten nicht unternehmen musste.

Sein Geheimnis sind pilzresistente Rebsorten und eine veränderte Kulturform. Beim Anbau, der Verarbeitung und der Vermarktung musste der Biowinzer allerdings umlernen, weil die pilzresistenten Sorten anders wachsen und zum Beispiel andere Säuregehalte haben als die traditionellen Sorten.

Innovative Biobauern - überzeugte Konsumenten

Diese Experimentierfreudigkeit und die Bereitschaft, sich Wissen anzueignen und immer wieder neue Wege zu gehen, ist von jeher typisch für Biobauern, hat Simone Helmle vom Fachgebiet landwirtschaftliche Beratung und Kommunikationslehre der Universität Hohenheim in Stuttgart festgestellt. Sie hat für eine Studie Interviews mit Biolandbau-Pionieren geführt, die bereits in den 1950er oder 1970er Jahren auf ökologische Bewirtschaftung umgestellt hatten.

Innovative und risikofreudige Landwirte, hartnäckige Wissenschaftler und der Austausch zwischen Forschung und Praxis haben dafür gesorgt, dass der Biolandbau sich in den rund 50 Jahren seines Bestehens enorm modernisiert hat. In Zukunft soll der Biolandbau Ressourcen noch sparsamer nützen, noch mehr und noch bessere Lebensmittel liefern, die Umwelt schützen und schonend mit Tieren umgehen.

Nachfrage nach Biolebensmitteln stark gestiegen
Die Forscher können aber sicher sein, dass sich die Mühe auszahlen wird, denn die Nachfrage nach Biolebensmitteln ist in den vergangenen drei Jahren stark gestiegen - sogar so stark, dass sie das Angebot teilweise überschritten hat.

Bauern, die bisher skeptisch gegenüber dem Bioboom gewesen seien und gedacht hätten, das sei bloß ein kurzfristiger Hype, würden jetzt vermehrt auf Bio umstellen, beobachtet Ulrich Hamm, Professor am Fachgebiet Agrar- und Lebensmittelmarketing der Universität Kassel. Auch die momentane wirtschaftliche Lage bedeute keinen Einbruch beim Biomarkt. Wer Biolebensmittel aus altruistischen Motiven kaufe, bleibe seinen Idealen treu, auch in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten.

Hör-Tipp
Dimensionen, Dienstag, 17. Februar 2009, 19:05 Uhr

Link
Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau