Die dunklen Seiten des Booms
Der neue Goldrausch
Inmitten der Wirtschaftskrise erleben wir einen neuen Goldrausch. In Kalifornien wimmelt es von Schürfern, die ihr Glück auf eigene Faust versuchen. In Alaska dringen international operierende Minenbetreiber nun selbst in Naturschutzgebiete vor.
8. April 2017, 21:58
Der San Gabriel River, tief im Los Angeles Forest, ist ein Fluss der Träume. Bernie McGrath nimmt seine verstaubte Basecap ab und wischt sich mit sonnengegerbten Armen den Schweiß von der Stirn. "Eins, zwei, drei Schönheiten!", jauchzt der 74-Jährige. Dann greift er vorsichtig in die Plastikschüssel, die er zum Auswaschen benutzt hat, und hält jedes glitzernde Flöckchen einzeln gegen das Licht. Seit zwanzig Jahren sucht der alte Abenteurer nach Gold. Bislang hat er dem Boden ungefähr 500 Nuggets abgetrotzt.
Die jungen Spieler
Als Bernie mit dem Schürfen begann, war die Feinunze gerademal 300 Dollar wert. Inzwischen hat sich der Preis verdreifacht. Deshalb und auch aufgrund der schweren Wirtschaftskrise wird es immer geschäftiger um ihn herum am San Gabriel River. Für viele Goldsucher ist selbst der kleinste Fund ein willkommenes Zubrot. Rick Martin, der unter der Woche Autos verkauft, sagt: "Gold rostet und vergeht nicht, im Gegensatz zu Papiergeld oder Aktienkursen!"
Von der Vergangenheit zur Gegenwart
1849 brach in Kalifornien jener Goldrausch aus, der später auf ganz Nordamerika übergriff. Jetzt scheint sich die Geschichte zu wiederholen. Gold ist wieder Teil des American Dream. Die Gold Prospectors Association of America gewann vergangenes Jahr jeden Tag bis zu 250 neue Mitglieder dazu. Das Fieber in der aktuellen Reinkarnation befeuert aber nicht nur kleine Glücksritter. Auch die große Konzerne wollen ihr Stück vom Kuchen abhaben. Sie verkörpern die Schattenseite des Booms: In den USA dringen sie jetzt sogar in schützenswerte Naturgebiete vor.
Der Fluch des Midas
Die Bristol Bay im Südwesten von Alaska gehört zu den wenigen noch unberührten Flecken der Erde. Bären, Adler, Killerwale und Karibus haben dort ihr Habitat. Die Flüsse sind überfüllt mit anderenorts bereits ausgestorbenen Rotlachsen. Doch mit der friedlichen Beschaulichkeit könnte bald Schluss sein. Das Konglomerat Anglo American PLC will in der Gegend eine der weltweit bedeutendsten Goldminen aus dem Boden stampfen. Bei den Bewohnern geht die Angst um.
Angst vor dem Ökogau
Um Gold zu gewinnen, werden Löcher in die Erde gewühlt, die so groß sind, dass man sie aus dem All sehen kann. Bäume müssen gefällt, Ufer verwüstet, ganze Berge abgetragen werden. Ein einziger Ehering aus Gold produziert mindestens 20 Tonnen Abfall. Außerdem setzen die Firmen hochgiftiges Zyanid zu, um das Gestein vom Metall zu trennen: "Eine Reiskorn-Menge davon reicht, um einen Menschen zu töten!"schimpft der Umweltbiologe Scott Cardiff.
No Dirty Gold
Für Gold wird nicht nur die Natur aufs Spiel gesetzt, für Gold werden auch seit jeher Völker ausgebeutet und vertrieben. Die aktuelle Gier könnte alles noch schlimmer machen. "No dirty gold" nennt sich ein amerikanischer Aktivistenverbund, dem sich selbst namhafte Juweliere angeschlossen haben. Mike Kowalski, Chef des Schmuckhauses Tiffany, reist regelmäßig nach Afrika, wo er unabhängige Förder-Kooperativen unterstützt. Außerdem macht er sich in Washington für eine Überarbeitung der US-Bergbaugesetze stark, die noch von 1872 datieren.
Hör-Tipp
Journal Panorama, Montag, 23. Februar 2009, 18:25 Uhr
Links
Wikipedia - San Gabriel River
Nevada Outback - Goldsuche am San Gabriel River
Gold Prospectors Association of America
Wikipedia - Bristol Bay Alaska
Goldminenprojekt Alaska
"No Dirty Gold"-Kampagne