Zerreißprobe Urlaub
Ende nach Auszeit
Die Urlaubszeit gilt als schönste Zeit des Jahres. Urlaub ist aber auch eine Zerreißprobe für Beziehungen. Nach Angaben des Stuttgarter Instituts für Psychologie wird jede dritte Scheidung nach einer gemeinsamen Reise eingereicht.
8. April 2017, 21:58
Nach Weihnachten ist die Urlaubszeit die stärkste Krisenzeit und Beziehungsdesaster entwickeln sich leider oft um den Urlaub herum, erzählt Eva Mückstein, Präsidentin des Österreichischen Bundesverbandes für Psychotherapie.
Ehepaare, so wird oft beklagt, reden im Alltag keine zehn Minuten miteinander. Aus Zeitmangel. Gespräche gehören aber zu einer guten Beziehung. Im Urlaub verbringen Paare sehr viel Zeit gemeinsam. Eigentlich also ideal!
Konflikte eskalieren
"Viel Zeit miteinander haben heißt halt auch, mehr miteinander konfrontiert sein", so Mückstein. "Das, was vielleicht im Alltag, wenn man mit anderen Dingen beschäftigt ist, nicht so spürbar ist, wird dann spürbar, wenn man mehr Zeit miteinander verbringt."
Spürbarer werden etwa unangenehme Eigenschaften des Partners oder die Unfähigkeit des Paares, Kompromisse zu finden. Der Urlaub ist selten der Grund für Beziehungsprobleme. Es is eher so, dass er einiges Potenzial enthält, bereits vorhandene Konflikte eskalieren zu lassen. Dabei wird vom Urlaub nicht selten das Gegenteil erwartet, nämlich, eine bereits brüchige Beziehung zu kitten.
Hohe Erwartungen
Ein anderer Grund, der für Streitereien im Urlaub sorgt, sind aber sicherlich die hohen Erwartungen an die "schönste Zeit des Jahres". Alles, was während des Jahres verabsäumt oder aufgeschoben wurde, soll nun in kurzer Zeit intensiv nachgeholt werden.
Sexualität sei sicher auch ein wichtiges Thema, weil Sexualität immer auch an Zeit füreinander gebunden ist, meint Mückstein: "Der Urlaub wird sehr oft idealisiert in dem Sinn, dass romantische Ideen entstehen, ein romantisches Bild von einer idyllischen, harmonischen Beziehungszeit, aber auch idealisierte Vorstellung von stressfreiem und angenehmen Zusammenleben. Dabei wird aber übersehen, dass in den Urlaub ein ganzer Rucksack von Problemen mitgenommen wird."
Eigentlich könnte man doch zumindest davon ausgehen, dass die Menschen im Urlaub entspannter sind und daher auch dem Partner entspannter begegnen können. Aber auch das ist weit gefehlt, meint Mückstein. "Viele fahren mit einem hohen Stresspegel in den Urlaub und dieser Stresspegel muss erst mal abgearbeiet werden. Wenn sich da jetzt noch die Erwartungen und idealen Vorstellungen draufsetzen, die aber nicht so ohne Weiteres in Erfüllung gehen, ist es sehr naheliegend, dass es zum Crash kommt."
Beziehung braucht Pflege
Jede Beziehung hat eine Geschichte, die nicht mit Urlaubsantritt abgelegt werden kann. Und jede Beziehung braucht Pflege. Je besser die Beziehungsarbeit schon im Alltag geleistet wird, desto günstiger für die gemeinsame Urlaubszeit, denn wer möchte schon im Urlaub arbeiten?
Man könne durchaus den Urlaub auch nützen, um anstehende Konflikte und Probleme zu besprechen, meint Mückstein, allerdings nur, wenn beide das wollen.
Rücksicht auf Bedürfnisse
Gemeinsam schöne Dinge zu erleben und Neues kennenzulernen wäre durchaus geeignet, eine Beziehung zu beleben. Damit der Urlaub verbindend statt trennend wirkt, sollte das Paar zuallererst die Frage klären, was es sich von dieser gemeinsamen Zeit erwartet, meint die Psychotherapeutin Eva Mückstein: "Man kann vor dem Urlaub daran arbeiten, indem man sich die möglichen Probleme bewusst macht, gut plant und auf die welchselseitigen Bedrüfnisse Rücksicht nimmt."
Oft genügt es schon, die erhöhten Erwartungen daheim zu lassen, etwa jene, dass ein Streit im Urlaub an sich schon eine Katastrophe ist. Oder die Erwartung, dass man im Urlaub ständig alles gemeinsam machen muss. Eine noch konsequentere Form, Trennung nach dem Urlaub zu vermeiden ist: getrennter Urlaub! "Es gibt Lebenssituationen, da ist das wahrscheinlich viel eher angesagt, als mit dem Partner Urlaub zu machen.