Alle wollen alt werden, keiner will alt sein
Gesund altern - Teil 2
Österreich altert unaufhaltsam und es altert schnell. Die Zahl der Über-60-Jährigen wird bis zum Jahr 2030 um 52 Prozent auf 2,81 Millionen steigen. Der Eintritt der Babyboomer ins Pensionistendasein wird einen noch nie da gewesenen Altersschub auslösen.
8. April 2017, 21:58
Die Bedeutung des Alters hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert. Der "Anfang" des Alters wurde früher oft mit dem Pensionsbeginn gleichgesetzt - heute ist er Teil eines individuellen Lebenslaufes. Altern ist ein lebenslanger Prozess von Veränderungen, der von geistigen, psychischen, körperlichen und sozialen Entwicklungen abhängig ist.
Wir altern unterschiedlich
Es gibt nicht einfach das Alter und die typischen Alten. Nicht zuletzt weil sich das dritte Lebensalter über einen Zeitraum von 30 bis 40 Jahre erstreckt - vom 60. bis zum 90. oder gar 100. Lebensjahr.
Wir brauchen deshalb im Alter sehr unterschiedliche Angebote und Ansätze. Das bedeutet auch, dass es ein viel differenzierteres Zugehen zu den älteren Menschen benötigt, von der Politik, von der Soziologie, vom Markt und von Organisationen.
Während nicht wenige alte Menschen fit um die Welt reisen und unternehmenslustig sind, brauchen andere laufend Pflege. Das individuelle Altern wird so auch zu einer gesellschaftlichen und politischen Herausforderung.
Eine Million Pflegebedürftige
Im Jahr 2030 werden fast eine Million Menschen pflegebedürftig sein. Derzeit werden rund 80 Prozent der Menschen zu Hause versorgt. Von Angehörigen und/oder mobilen Hilfsdiensten. Doch die Änderungen in den Familienstrukturen und die steigende Zahl Pflegebedürftiger machen das immer schwieriger. Gleichzeitig haben auch die gesunden, fitten Pensionisten ihrem Alter entsprechend geänderte Bedürfnisse an das Wohnen, das Leben im Alltag und an Unterstützungen.
Neue Betreuungsformen entstehen
Die überwiegende Mehrheit der älteren Menschen wünscht, solange wie möglich in den gewohnten eigenen vier Wänden bleiben zu können und es ist dies auch nach wie vor die häufigste Wohnform älterer Menschen. Derzeit wohnen 480.000 Personen über 60 Jahre in Einpersonenhaushalten, 2030 werden es doppelt so viele sein.
Eine wesentliche Herausforderung für die Zukunft liegt darin, für alte Menschen, die nicht mehr ganz selbstständig leben können, aber auch noch nicht die Rundumversorgung eines Pflegeheimes brauchen, alternative Wohn- und Betreuungsformen zu entwickeln. Denn Soziologen zeigen: wer stark sozial isoliert ist, fühlt sich gesundheitlich schlechter und hat eingeengte Zukunftsperspektiven.
Alternative Wohnformen
Betreutes Wohnen in Seniorenresidenzen oder auch Altenwohnheimen, gehört zu den verbreitetsten Wohnformen für ältere Menschen. Es gibt sie in einer großen Variationsbreite baulicher, konzeptioneller und rechtlicher Konstruktionen. Parallel entstehen aber immer öfter auch alternative Wohnformen, wie Wohngemeinschaften oder generationsübergreifende Wohnprojekte, wo jüngere Menschen ältere betreuen und fitte Pensionisten die Kinder der jungen oder hochbetagte Pflegebedürftige. Kurz: die freigewählte Wohnumgebung ersetzt die immer seltener werdende Großfamilie.
Bei allen Unterschieden lässt sich diese Wohnform aber im Wesentlichen so beschreiben: Betreutes Wohnen ist von der Ausstattung der Wohneinheiten her auf ältere Menschen abgestimmt. Es sichert eine Grundversorgung und bei Bedarf werden weitere Dienstleistungen angeboten oder vermittelt.
Qualitätsvolle Pflege
Die Schnittstellen zwischen den Versorgungssystemen (z.B. bei einer Krankenhausentlassung) sind oft Bruchstellen in der Pflege und Betreuung. Durch fehlende Information, fehlende Pflege- und Betreuungsanleitung, fehlende Pflegehilfsmittel etc. kommt es zu unnötigen Belastungen der Betroffenen und ihrer Angehörigen. In der Praxis entsteht dann häufig der so genannte "Drehtüreffekt".
Die unbetreute Spitalsentlassung in jenen Bereich, in dem ein älterer Mensch erkrankte, ist der sichere Weg für eine rasch erfolgende weitere Spitalsaufnahme. Um dieses Problem zu vermeiden, gibt es derzeit an vielen Orten und in vielen Bundesländern Bemühungen, um die Aufgaben und Verantwortlichkeiten an den Schnittstellen klar zu regeln. In Wien ist zudem ein System zum Entlassungsmanagement im Aufbau, bei dem entsprechend geschulte Pflegekräfte den tatsächlichen Bedarf von erkrankten Menschen erheben sollen, bevor diese aus einem Krankenhaus entlassen werden.
Pflegebedarf steigt
Das alles hat das Ziel, den Pflegebedarf möglichst auf das tatsächlich nötige Maß zu senken. Es kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass insgesamt der Pflegebedarf mit der Zahl älterer Menschen steigt. Doch auch dort entstehen zunehmend Ideen und Konzepte, um pflegebedürftige Menschen optimal zu betreuen und möglicherweise auch zu remobilisieren.
Dazu gehören etwa Gedächtnistraining, Biografiearbeit zum besseren Verstehen der Pflegebedürftigen oder Validationstherapie, bei der individuell mit demenzkranken Menschen kommuniziert wird. Parallel wächst nicht zuletzt nach wiederholten Pflegeskandalen das Bewusstsein für eine stärkere Qualitätskontrolle in der Pflege.
Finanzierung als Herausforderung
Derzeit leben wir demographisch gesehen in einem goldenen Zeitalter. Noch nie waren so viele Menschen gleichzeitig im erwerbsfähigen Alter und standen im Berufsleben. Noch nie standen so viele Arbeitende nicht arbeitenden Kindern und alten Menschen gegenüber.
Glaubt man den Ökonomen und Sozialwissenschaftlern wird es auch nie wieder so sein. Die demographische Entwicklung wird in den kommenden Jahren auch die Finanzierung von Altersversorgung und Pflege vor gigantische Herausforderungen stellen.
Kalt und Warm von der Regierung
In ihrem Regierungsprogramm spricht die große Koalition erstmals davon, dass die Solidargemeinschaft zwar für den zusätzlichen Aufwand, der durch Pflege- und Betreuungsbedarf entsteht, aufkommen soll, sie könne aber nicht die gesamten Lebenshaltungskosten pflege- und betreuungsbedürftiger Menschen tragen.
Schon jetzt gibt es aber je nach Bundesland unterschiedliche Angebote, sowie für vergleichbare Leistungen unterschiedliche Kostenbeiträge, die im Einzelfall einen unterschiedlichen finanziellen Aufwand bedeuten. Die Regierung will deshalb auch nach Kritik zahlreicher Organisationen mit einem bundesweiten System der Finanzierung Chancengleichheit für alle schaffen.
Zudem soll ein eigener Pflegefonds eingerichtet werden. In diesem sollen die allenfalls zusätzlichen Mittel für das Pflegegeld, die Förderung der 24-Stunden-Betreuung, sowie Bundesmittel zusammengefasst und verwaltet werden.
Diskutieren Sie mit!
Wenn Sie Fragen zum Thema haben, dann rufen Sie während der Sendung unter der kostenlosen Telefonnummer 0800 22 6979 an, oder posten Sie hier.
- Welchen Bedarf und welche Bedürfnisse haben alte und pflegebedürftige Menschen?
- Welche Betreuungs-, Pflege- und Wohnangebote für alte Menschen gibt es bereits und was brauchen wir in Zukunft?
- Wie wird die Betreuung alter Menschen in Zukunft organisiert und finanziert werden?
- Welche neuen Modelle in der Versorgung alter und hochbetagter Menschen gibt es und wie können wir deren Qualität sichern?
Mehr dazu in der Online-Infomappe
Hör-Tipp
Radiodoktor - Medizin und Gesundheit, Montag 2. März 2009, 14:20 Uhr