50 Jahre nach der Flucht des Dalai Lamas

Ungeduld und Hoffnungslosigkeit

Der große Aufstand der Tibeter gegen die chinesische Besatzung führte am 17. März 1959 zur Flucht des Dalai Lama nach Indien. Inzwischen sind zwei Generationen Tibeter im Exil herangewachsen. Sie lehnen den friedlichen Kompromisskurs des Dalai Lama ab.

"Meine richtigen Eltern sind in Tibet. Hier habe ich Pflegeeltern. Wir sind alle zu Fuß aus Tibet gekommen, über Berge und Berge", erzählt Taro. Sie besucht die zehnte Klasse der Tibetan Homes School in der nordindischen Stadt Mussoorie. Neben dem Eingangstor ihres Wohnheims hängt ein Schild, das den Hermann Gmeiner Fonds Deutschland als Unterstützer nennt. Taro ist eines von 7.000 tibetischen Kindern, die heute in den von SOS Kinderdorf geförderten Heimen in Nordindien eine Unterkunft finden. Zahlreiche Patenschaften werden auch von Österreichern und Österreicherinnen finanziert. Die Kinder werden von ihren Eltern nach Indien geschickt, da sie dort eine gute Bildung und guten Tibetisch-Unterricht bekommen können.

Niemand rechnete mit so langem Exil

Auch der Dalai Lama, das spirituelle und politische Oberhaupt der Tibeter, war 1959 über die Berge nach Indien gelangt. "Im April 1959 kamen wir nach Mussoorie. 1960 begannen wir mit der Schulbildung", erinnerte sich der Dalai Lama bei einer Pressekonferenz im vorigen Jahr. Insgesamt ein Jahr verbrachte der Dalai Lama in Mussoorie, bevor er seinen permanenten Exilsitz weiter im Nordwesten Indiens, in Dharamsala, errichtete. An ein 50-jähriges - und, wie es derzeit aussieht, wohl noch viel längeres - Exil des Dalai Lama dachte damals allerdings niemand.

Autonomieabkommen nicht eingehalten

Nach der Gründung der Volksrepublik China 1949 war die Volksbefreiungsarmee 1950 in Tibet einmarschiert. 1951 schloss eine tibetische Delegation unter Zwang mit China das so genannte 17-Punkte-Abkommen zur "friedlichen Befreiung Tibets" ab, das dem Land innere Autonomie garantierten sollte. Dieses Abkommen wurde von China jedoch nicht eingehalten.

Berichte von neuer massiver Gewalt der chinesischen Besatzer in Osttibet sowie Gerüchte über eine drohende Entführung des Dalai Lama führten am 10. März 1959 zum Aufstand. Am 17. März 1959 entschied sich der Dalai Lama zur Flucht nach Indien. Zehntausende seiner Landsleute folgten ihm. Heute leben ca. 130.000 Tibeter und Tibeterinnen im Exil.

Internationale Sympathien, aber keine Unterstützung

Unter den jungen Tibetern wächst die Ungeduld. Zwei Generationen sind seit der Besatzung Tibets durch die Chinesen heran gewachsen. Doch was haben die Tibeter und Tibeterinnen in all diesen Jahren erreicht? Weltweit große Sympathie zweifelsohne, doch wenig tatkräftige politische Unterstützung. Denn welche westliche Regierung wollte es sich mit der Volksrepublik China verscherzen? Zu groß sind die wirtschaftlichen Interessen.

Manch ein Tibeter fragt sich, wohin der Mittlere Weg des Dalai Lama führen wird. Mit seinem Bekenntnis zum Mittleren Weg hat der Dalai Lama Ende der 1980er Jahre den Anspruch auf die Unabhängigkeit Tibets aufgegeben, das Ziel ist nun, auf dem Pfad der Gewaltlosigkeit eine echte Autonomie Tibets innerhalb Chinas zu erreichen. Die Chancen darauf stehen nicht gut. Eine Reihe von Gesprächsrunden zwischen China und dem Dalai Lama verliefen ergebnislos. Ende November 2008 erklärte China erneut die Gespräche mit dem Dalai Lama für gescheitert.

Nervosität in China vor dem Jahrestag

Mitte Jänner 2009 lancierte die chinesische Regierung in Tibet eine Kampagne des, wie es hieß, harten Durchgreifens. Vordergründig ging es um die Bekämpfung von Verbrechen wie Diebstahl, Raubüberfälle und Prostitution. Doch die tibetische Exilregierung sieht in der Kampagne einen Versuch, die Tibeter und Tibeterinnen vor dem 50. Jahrestag des Aufstands von 1959, der zur Flucht des Dalai Lama führte, einzuschüchtern.

An die 100 Personen wurden nach Angaben von chinesischen Medien verhaftet, tausende wurden von der Polizei einvernommen. Die tibetische Exilregierung äußerte die Sorge, dass es, wie im März 2008, zu Protesten und Gewalt kommen könnte. Im Vorjahr wurden nach Angaben der tibetischen Exilregierung in Dharamsala mindestens 200 Tibeter und Tibeterinnen getötet, mehr als 1.000 verletzt und tausende festgenommen.

Das tibetische Neujahr am vergangenen Wochenende wurde daher in sehr gedämpfter Stimmung begangen. Der Dalai Lama brachte in seiner Neujahrsbotschaft die Hoffnung zum Ausdruck, dass sich eine Lösung für die gerechte Sache der Tibeter und Tibeterinnen finden möge. Er bekannte sich erneut zum Weg der Gewaltlosigkeit.

Hör-Tipp
Journal Panorama, Dienstag, 3. März 2009, 18:25 Uhr

Links
Save Tibet - Gesellschaft zur Hilfe an das Tibetische Volk
Tibetergemeinschaft in Österreich