Kein Glück unter Palmen

Böse Spiele

Es sind zwei sich überschneidende Dreiecksbeziehungen, die Michael Stavaric in "Böse Spiele" schildert. Der Roman wartet neben diesem komplizierten Beziehungsgefüge aber auch mit einem veritablen Geschlechterkrieg mit Schlachtszenen auf.

Der Baum der Erkenntnis ist eine Plastikpalme, die ihre Farbe ständig verändert. Jedenfalls ist das in Michael Stavarics neuem Roman "Böse Spiele" so. Unter dieser Plastikpalme stehen der Ich-Erzähler und seine Geliebte immer dann, wenn sie sich voneinander verabschieden müssen. Der künstliche Baum befindet sich direkt unter dem Fenster der Frau, doch kann sie den Mann nie bitten, mit nach oben zu kommen - dort wartet nämlich ihre Familie. Die Beziehung zwischen den Geschlechtern beginnt in diesem Roman also alles andere als paradiesisch, enden wird sie in einer Art Apokalypse.

Leidenschaftliche Affären

Doch der Reihe nach. Es sind zwei sich überschneidende Dreiecksbeziehungen, die in "Böse Spiele" geschildert werden. Einerseits gibt es da die seit Jahren bestehende leidenschaftliche Affäre zwischen dem Ich-Erzähler und seiner Geliebten, die mit Mann und Kind nach außen hin ein normales Familienleben führt. Andererseits kommt dann noch eine "andere Frau" ins Spiel, die den Erzähler an sich binden möchte.

Sie wirkt wie ein Gegenmodell zur bürgerlich-angepassten Geliebten, lebt mit ihren Brüdern und Schwestern im Wald und scheint einer Hexen- und Druidenwelt entsprungen zu sein. Sowohl durch die Konkurrenz der beiden Frauen als auch durch Mordpläne am Mann seiner Geliebten, die der Erzähler zu schmieden beginnt, kommt Bewegung in die anfangs etwas statische Geschichte.

Imaginierte Gespräche

Ob man überhaupt von einem Ich-Erzähler sprechen kann, ist übrigens fraglich: Von den einander im Weg stehenden zwei Männern und zwei Frauen wird über lange Strecken in indirekter Rede erzählt, in Form eines imaginierten Gesprächs zwischen dem Erzähler und den Frauen. Was dabei meist fehlt, sind übergeordnete Sätze wie "ich fragte" oder "sie antwortete". Die Folge dieses Verzichts sind Aneinanderreihungen von Nebensätzen, bei denen nicht immer klar ist, wer gerade in welchem Tonfall spricht:

Dass ich vor ihrem Haus warte, bis sie das Licht abdreht und ein Fenster öffnet, die Vorhänge zuzieht und singt, dass sie von oben auf mich herab blickt, dass ich wie ein Tier lebe und in einen Wald gehöre, auf ein Feld, wo sie mich jagen und hetzen: Bis kein Leben mehr in dir ist! Bis sie weint und nicht mehr aufhören kann, bis sie endlich weiß, dass es zu spät ist, dass kein Schmollmund, kein Haare raufen mehr reicht.

Herz und Hirn

Michael Stavarics Erzählverfahren erlaubt verschiedene Lesarten. Das ist ebenso reizvoll wie typisch für den Autor, der auch in seinen drei vorangegangenen Romanen Erzähler mit raffiniert ausgetüftelten sprachlichen Ticks auftreten ließ. Pop-Zitate hat "Böse Spiele" mit seinen Vorgängern genauso gemeinsam wie den strophenförmigen Aufbau und einen Hang zum nicht-linearen Erzählen, zum Wiederaufgreifen bestimmter Sätze, Themen und Motive in immer neuen Variationen.

Eine dieser Variationen ist die Abschiedsszene unter der bereits erwähnten Plastikpalme, die einmal grün, dann wieder rosa oder purpurrot ist.

Am nächsten Tag stehen wir unter einer grünen Plastikpalme, sie trägt ihr Herz links, wo es hingehört, und ich trage es viel zu weit oben, zu nahe am Kopf, und immer habe ich dieses Gefühl, es müsste besser sitzen.

Dass die Frau das Herz immer am richtigen Fleck hat, der Mann hingegen kopflastig ist, das klingt ein bisschen klischeehaft, und tatsächlich scheut Michael Stavaric in "Böse Spiele" weder populärpsychologische Gemeinplätze noch Kalauer: Da machen sich Frauen ab einem bestimmten Alter auf die verzweifelte Suche nach Samenspendern, Männer sind hingegen Nomaden mit Bindungsängsten, die nicht über Gefühle sprechen können. Männer liegen gerne unter ihren Autos, dafür aber auf ihren Frauen, während Frauen, die an die potenzfördernde Kraft von Krebsfleisch glauben, dieses ihren Männern zuerst servieren, "um sich danach alles einzuverleiben".

Allerlei Klischees

Der Roman wartet neben einem komplizierten Beziehungsgefüge aber nicht nur mit allerlei männlichen und weiblichen Klischees auf, sondern auch mit einem veritablen Geschlechterkrieg. Immer längere Schlachtenszenen werden eingeblendet, die die ursprüngliche Geschichte schließlich ganz überlagern. Es ist die Rede davon, "dass wir in den Krieg ziehen, weil die Männer sich zu bewähren haben, die Frauen kleiden uns ein und schütteln ihre nackten Brüste, damit wir wiederkehren nach geschlagener Schlacht." Dieser ziemlich pathetisch geschilderte Krieg beginnt offenbar als Männersache, irgendwann stehen einander aber ein männliches und ein weibliches Heer gegenüber, die sich mit allen Mitteln bekämpfen.

Und ich sah, wie viele Steine geschleudert wurden, dass sie von Katapulten in die Lüfte schnellten und der Schwerkraft trotzten, dass sie sich senkten und die Menschenleiber zermalmten; dass sich beide Seiten aller Waffen bedienten, dass die Männer zu Splitterbomben griffen und die Frauen zu Napalm. (...) Und ich sah die Frauen ihre Sarissen umklammern, dass sie damit den Sturmlauf der männlichen Streiter zum Erliegen brachten. (...) Dass sich diese Lanzen an beiden Enden zuspitzten, um in der Vorwärtsbewegung auf gefallene Gegner einzustechen; dass die Frauen schrittweise vorrückten und die am Boden kauernden Männer pfählten.

Es handelt sich bei diesen "Sarissen", die hier zum Pfählen eingesetzt werden, um die Infanterielanzen der Truppen Alexanders des Großen. Auch an Zaunpfählen, die aus dem Text herauswinken und bei der Deutung des neo-antiken Schlachtenfreskos helfen sollen, mangelt es nicht. Die häufig wiederholte Wendung "Und ich sah" ist der Apokalypse des Johannes entlehnt, die altgriechischen Waffen und ein dem Roman vorangestelltes Zitat aus Homers "Ilias" verweisen auf antike Epen, an die Michael Stavaric offenbar anknüpfen will.

Eindruck schinden

Was dieses Geschlechter-Armageddon mit der ursprünglichen Geschichte zu tun hat, bleibt allerdings unklar. Darin geht es ja weniger um den Kampf Männer gegen Frauen als um die Konkurrenz zwischen den jeweiligen Geschlechtsgenossen. Das Schlachtengedöns hat dieselbe Wirkung wie die Gipsstatuen an den Fassaden historistischer Gebäude, die Eindruck schinden wollen und doch nur überflüssiger Ballast sind.

Alles in allem sind es zwei Dinge, die Michael Stavaric in seinem neuen Roman vorführt: Zum einen, dass er virtuos mit Sprache umgehen kann, ob es sich nun um geschickte Spiele mit der Grammatik handelt oder um das Imitieren und Montieren alter Epen. Zum anderen, dass es vom hohen zum hohlen Pathos nur ein kleiner Schritt ist.

Hör-Tipp
Ex libris, Sonntag, 8. März 2009, 18:15 Uhr

Mehr dazu in oe1.ORF.at

Buch-Tipp
Michael Stavaric, "Böse Spiele", C. H. Beck Verlag

Link
C. H. Beck - Böse Spiele