Aus welchen chemischen Vorgängen entstand das Leben?

LUCA oder der Beginn der Evolution

Die Erde war kurz nach ihrer Entstehung giftig, heiß und fern jeden Lebens. Trotzdem entwickelte sich der Keim der Biodiversität, der Last Universal Common Ancestor, genannt LUCA. Er muss aus rein chemischen Vorgängen erwachsen sein. Doch aus welchen?

Leben entsteht aus Leben, meinte der Chemiker Louis Pasteur. Aber er irrte. Was er nicht wusste: Einst kreiste die Erde als leerer und toter Gesteinsbrocken um die Sonne. Aus rein chemischen Vorgängen entwickelte sich in dieser Ödnis das älteste Glied in der Kette der Evolution, der Vorfahre aller heutigen Lebewesen. Die Wissenschaftler nennen ihn Luca, den Last Universal Common Ancestor.

LUCA muss aus rein chemischen Prozessen hervorgegangen sein. Verschiedene Grundsubstanzen müssen sich also zu neuen Stoffe wie beispielsweise DNA, RNA und Proteine verbunden haben, die im Ergebnis eine vollkommen neue Qualität zeigen: das Leben.

Doch diese chemischen Reaktionen sind nicht sehr wahrscheinlich. Deshalb können Chemiker beispielsweise die Entstehung des Lebens nicht einfach im Reagenzglas nachkochen. Sie müssen in ihren Modellen also klären, weshalb diese Reaktionen auf der frühen Erde, aber kaum in heutigen Labors ablaufen können.

Was die Entstehung des Lebens unwahrscheinlich macht

Die chemischen Reaktionen, die letztlich zur Entstehung des Lebens führten, verletzten verschiedene naturwissenschaftliche Prinzipien. Zum Beispiel den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik: die Ordnung im Universum nimmt ab. Nun ist die DNA jedoch das am stärksten geordnete Molekül der Erde. Sie kann sich nur unter Zugabe von Energie gebildet haben. Energie gab es jedoch auf der frühen Erde in Form von Wärme und Strahlung, beispielsweise von der Sonne.

Die Bausteine der Proteine sind die Aminosäuren, eine Stoffgruppe, die in über 200 Varianten vorkommt. Gerade mal 20 von ihnen, Alfa-Aminosäuren genannt, werden in Proteinen verbaut. Zudem unterscheiden sich diese Moleküle in ihrer Form wie ein linker vom rechten Handschuh. In chemischen Reaktionen bilden sich jedoch beide Arten gleichmäßig.

Doch nur die linksseitigen Aminosäuren können sich zu Proteinen aneinanderreihen. Mischt sich eine rechtsseitige darunter, kann die Kettenbildung leicht abbrechen. Chemiker müssen also eine Reaktion finden, die verhindert, dass sich rechtsseitige Aminosäuren bilden.

Man sagt, die Baupläne der Proteine seien im Erbgut gespeichert. Das Erbgut selbst wird von einer chemisch ähnlichen Substanz namens RNA abgelesen. Dabei muss das Erbgut zuerst jedoch von einem Protein aufgeschnitten werden. Damit entsteht ein Teufelskreis. Ohne Protein kann die RNA das Erbgut nicht ablesen und ohne die Informationen aus dem Erbgut kann sich das Protein nicht bilden. Was war zuerst da: Protein oder Erbgut?

Die Entstehung des Lebens

Heute gehen Wissenschaftler von folgendem Szenario aus, das sie "RNA-Welt" nennen. Die RNA soll die Erde als erstes Biomolekül besiedelt haben. Sie selbst ist lediglich ein paar Nukleinsäuren lang, also viel kürzer und längst nicht so kompliziert aufgebaut wie das Erbgut. Allerdings hat sie eine zusätzliche, sehr wichtige Eigenschaft.

2003 fand der Chemiker Jack Szostak von der Harvard Unversity heraus, dass sich die RNA selbst vermehren kann. Aus zwei RNA-Stücken werden vier, aus denen acht und daraus wiederum sechzehn. Wenn nichts dazwischen kommt, könnte bald die ganze Welt von einer Ur-RNA bedeckt sein

Die Aminosäuren der ersten Proteine, nimmt der Chemiker Uwe Meierhenrich von der Universite Antipolis in Nizza an, stammen aus Kometen. Mit dem Astrophysiker Louis D’Hendecourt von der Universite XI in Paris Orsay baute er das Modell eines Kometen nach, in dessen Eis sich einfache Kohlenwasserstoffverbindungen befanden. Einer simulierten Weltraumstrahlung ausgesetzt zeigte sich, dass sich diese Verbindungen zu einer neuen Art von Aminosäuren zusammenschlossen, die links-rechts-symmetrisch waren. Diese Di-Aminosäuren, so der Fachausdruck, könnten sich auf der Erde zu Proteinen zusammengefunden haben.

Im nächsten Schritt könnte sich eine Membran aus Fettsäure um das RNA-Proteinsystem gebildet haben, sagt der Biochemiker Henry Strasdeit von der Universität Hohenheim. Darin reichert sich die Konzentration der Substanzen an. Später reguliert die Membran, dass nur noch bestimmte Stoffe nach innen gelangen, nämlich solche, die für die Produktion von RNA und Protein notwendig sind.

Die RNA-Moleküle und die Proteine, nimmt Andrei Lupas vom Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie an, könnten sich einander angepasst haben. Die RNA speichert gewissermaßen den Bauplan der Urproteine und die Urproteine vermehren sich mittels RNA. Später legt die RNA die Informationen im Erbgut, in der DNA ab, quasi als chemisches Backup. Das ist die Geburtsstunde der Urbakterie LUCA, dem Last Universal Common Ancestor.

Das Leben

Die Überlegungen der Wissenschaftler haben Modellcharakter. Viele verschiedene chemische Reaktionen sind denkbar, aus denen der Last Universal Common Ancestor, LUCA, hervorgegangen sein kann. Tatsächlich ist schwer vorstellbar, dass das Leben seinen Ursprung in nur einer einzigen Bakterie hat.

Auf der Erde ist kein Biotop bekannt, das nur von einer Art besiedelt ist. Leben besteht nicht nur aus Chemie, sondern auch aus Kommunikation. Selbst heute noch kommunizieren Bakterien, indem sie untereinander Chemikalien austauschen.

Die Einen leben von den Substanzen des Anderen und die Anderen brauchen die Stoffe, die ihnen von den Ersten zur Verfügung gestellt werden. So bilden sich biologische Systeme heraus. Und damit die biologische Evolution: Die Suche nach Nischen in der Umwelt, die das Überleben ermöglichen.

Service

Uwe Meierhenrich, "Amino Acids and the Asymmetry of Life”, Springer Wissenschaft

Universität Marburg - Die RNA Welt-Theorie
sciene.ORF.at - Binäre RNA - Urform des Lebens?