Das aktuelle Warietee-Programm

Lukas Resetarits' Osterreich

In seinem aktuellen Programm versucht Lukas Resetarits die Umlautstriche aus der deutschen Sprache zu tilgen. Osterreich ist auch das Land der Luge und der Verdrangung und somit gerustet, in der internationalen Liga der Weltmachte mitzuspielen.

Menschliche Telefonwarteschleife

In der Pose des Strizzi-haften Jahrmarkt-Conférenciers - mit schillerndem Goldzylinder und Sonnenbrille - lädt Lukas Resetarits in sein Varietee. Es heißt "Osterreich", hat auf dem Weg in den globalen Markt bereits seine Ö-Stricherl eingebüßt und verheißt Attraktionen, an deren Realisierung mit Recht gezweifelt werden darf.

Während der Ausrufer Seiltanz, Jonglierkunst und Verwandlungen in 1000 Rollen nur ankündigt, bleibt die Arbeit an den Protagonisten hängen, genannt Luka Rezezakis und - an den diversen Instrumenten - Roberto Sarasani Castelotti.

Für sein 23. Programm hat Lukas Resetarits einen bewährten Kunstgriff gewählt: Als Einzelpersonenunternehmer müssen sein Musiker, Robert Kastler, und er künstlerischen Lohndienst verrichten - und zwar für den zwielichtigen Varieteebetreiber. Dass man dabei auf der Bühne ins Grübeln kommen kann, das liegt in der Natur der Ausgangslage.

Osterreich, WKO und OMV

Wer mit Umlauten arbeitet, der schafft es nicht auf das internationale Parkett oder in die globalisierte Welt. Deswegen, so vermutet Lukas Resetarits, wurde die ÖMV in OMV umgetauft, deswegen nennt sich die Wirtschaftskammer Österreich in der Abkürzung WKO statt WKÖ. Auf der Bühne des von Ö-Stricherln befreiten Varietees namens "Osterreich" emanzipiert sich Lukas Resetarits schnell von der Ankündigungspolitik des Conférencier und steuert die von ihm bevorzugten Themen an.

Die Evolutionsgeschichte gehört diesmal nicht dazu. Doch als Tribut an das Darwin-Jahr haben sich zwei Requisiten aus Stoff auf die Bühne verirrt: ein Gorilla und ein Vogel. Sie ermöglichen dem Kabarettisten zumindest einen Miniexkurs zum Thema Mensch und Tier.

Keulenförmige Staatsform

Das Varietee als Ort der enttäuschten Erwartungen: Dieses Bild steht als Grundmotiv für das weit verzweigte Netz von Geschichten, die Lukas Resetarits für sein 23. Programm zusammengetragen hat.

Stromlinienförmig und ohne Umlaute steht die globalisierte Welt vor einer ganzen Reihe von Problemen. Die Pisa-Studie gehört da noch zu den kleineren Niederlagen. Für unser Land hätte man sie einsparen können, meint Lukas Resetarits. Anlass dazu gab ihm ein Kandidat eines TV-Quiz', der auf die Frage "Welche Staatsform hat Österreich?" die Antwort "Keulenförmig" gab.

Für seinen Abend hat sich der Kabarettist drei große Themen vorgenommen, denn neben der Frage der Identität von Osterreich und dem Varietee als Metapher für nicht eingelöste Versprechen kommt als weitere Komponente auch die Wirtschaftskrise hinzu.

Fahrradbote ohne Fahrrad

Wer in der Krise nicht untergehen will, der braucht Ideen, sagt Resetarits und denkt in seinem neuen Programm laut über mögliche Auswege nach. Da die technischen Präzisionswaffen eher die Menschen aus dem Weg räumen als die Infrastruktur, hat sich der Krieg als Grundlage für einen Wirtschaftsaufschwung überlebt.

Banaler Vandalismus hingegen könnte die Geschäfte künftig erfolgreich ankurbeln, meint der Kabarettist. Auch die Einsicht, dass Kapitalismus und Markt über dem Einzelschicksal stehen müssen, könnte vieles entspannen.

Um diesem Gedanken in seinem Programm mehr Raum zu geben, hat Lukas Resetarits einen alten Bekannten auf die Bühne zurückgeholt: den überintegrierten Einwanderer aus Ex-Jugoslawien. Er sitzt immer noch in der Straßenbahn, diesmal in der U6, und ist bereits in die Jahre gekommen. Seinen Lebensunterhalt verdient er als Fahrradbote - als Fahrradbote ohne Fahrrad, aber mit einer Jahreskarte für die Wiener Linien ausgerüstet. Vom eigenen Sohn bei der Firma eingespart, findet er dennoch "alles leiwand". Hauptsache der Wirtschaft geht's gut.

Doch nicht nur der Selbstbetrug zugunsten des Kapitalismus' ist Lukas Resetarits einen kurzen Ausflug in das von ihm bereits abgelegte Nummernkabarett wert. Auch die Frage, wie der Mensch kreativ seine Arbeitskraft einsetzen könnte, bringt den Kabarettisten auf originelle Abwege. Anstelle von Thujen könnten künftig arbeitslos gemeldete Personen die Einsicht in unsere Schrebergärten verstellen. Mit lebenden Bewegungsmeldern würde man nicht nur Strom sparen, wer es gerne persönlich hat, dem sei die im besten Sinne des Wortes menschliche Telefon-Warteschleife empfohlen.

Entlegene Plätze der Fantasie

In seinem Varietee-Abend spielt Lukas Resetarits nicht nur mit unterschiedlichsten Ideen, sondern auch mit hohem Einsatz. Wie schon in seinen vorangegangenen Programmen sind Improvisation und spontaner Einsatz von Witz und Schmäh ein wesentlicher Bestandteil seiner Performance. Doch bei so komplexen Themen wie Krise, Markthörigkeit und Einsparung von Ö-Stricherln zugunsten der Globalisierung wird die vordergründig spielerische Erzählform zur Gratwanderung.

Nicht nur der Kabarettist ist gefordert, auch sein Publikum. Beide müssen aufmerksam und auf das Gegenüber konzentriert sein - also das tun, was auch im Alltag eine gelungene Kommunikation ausmacht. Dann sind die gedanklichen Reisen zu den entlegensten Plätzen der Phantasie ein vergnügliches wie anregendes Unterfangen.