Clemens Berger besucht seine Heimatstadt

Ich komme nicht vom Zuckerhut

"Und hieb ihm das rechte Ohr ab" heißt der neue Erzählband des jungen in Oberwart aufgewachsenen Schriftstellers Clemens Berger. Die fünf Kurzgeschichten handeln von Grenzen und deren Übertretungen. Inspirationsquelle ist seine burgenländische Heimat.

"Eine Bratwurst und ein Cola". Clemens Berger steht an einem Würstelstand am wöchentlichen Mittwochsmarkt in Oberwart. Die bestellte Wurst taucht er in scharfen Senf und frisch geriebenen Kren. Der junge Schriftsteller blickt sich um: "Das Schöne an Oberwart ist ja, dass es so hässlich ist", sagt er schmunzelnd, während er auf das 14-stöckige Hochhaus an der gegenüberliegenden Straßenecke und die einstöckigen Zweckbauten entlang der Hauptstraße blickt.

Am Zuckerberg, einem Hügel, der sich hinter dem Bahnhof erhebt ist der heute 29-Jährige aufgewachsen. Clemens Berger lebt heute in Wien, in seinen Büchern kehrt er aber immer wieder zurück ins heimatliche Südburgenland. Im städtischen Freibad wäre er einmal beinahe verunglückt, liest man da, von der Rutsche stürzte er auf den harten Asphaltboden. Im Moor, der Sicklau, seinem liebsten Spielplatz am Rand von Oberwart, kam einer seiner Freunde fast zu Tode.

Das Moor als Inspirationsquelle

"Das Moor hat mich immer schon fasziniert, das hat so etwas Zwielichtiges, Verschwommenes und Doppelbödiges." Während seiner kindlichen Streifzüge durch die Sicklau konnte Clemens Berger den Abenteuern seiner Helden nachspüren, die er aus Jugendbüchern wie "TKKG" oder "Die fünf Freunde" kannte. "Diese Bücher waren meine große Inspiration", meint er heute.

Im Moor haben sich in diesen Büchern oft zwielichtige Personen herumgetrieben und Verbrechen begangen. Auch die Sicklau wird bei Clemens Berger zu einem unheimlichen Ort, an dem sich Verbrechen ereigneten - Verbrechen, die während der Nazizeit in Oberwart verübt wurden.

Trotz seines jugendlichen Alters hat Clemens Berger bereits zwei Romane, zwei Theaterstücke und zwei Erzählbände veröffentlicht, sein jüngstes Werk ist Anfang dieses Monats erschienen: der Erzählband "Und hieb ihm das rechte Ohr ab".

Grenzen ausloten

Die Protagonisten in Clemens Bergers Geschichten haben eines gemeinsam: Sie loten Grenzen aus, sie überschreiten diese oder sie gehen an ihre eigenen physischen oder psychischen Grenzen. Da gibt es etwa Alfred, die Hauptfigur der Titelgeschichte. Der Arbeiter aus dem Burgenland spielt in den Passionsspielen einer Laientheatergruppe den Judas, versinkt und verschmilzt dabei immer mehr in und mit seiner Rolle.

In "Schwere Geburt" zieht sich Iris, eine Malerin, in ein Häuschen am Eisenberg südlich von Oberwart zurück. Dort wird sie beauftragt ein Altarbild zu malen: "Christi Geburt". Das Ergebnis ist so realistisch, dass es zum Skandal in dem burgenländischen Dorf wird.

Grenzen überschreiten

Auch in den ersten beiden Romanen Clemens Bergers überschreiten die Protagonisten Grenzen. In "Paul Beers Beweis" nimmt ein Mann nach dem Unfalltod seiner Frau eine neue Identität samt neuem Namen an. Sein Freund wiederum interessiert sich für die "alte" Lebensgeschichte so sehr, dass er in diese eintaucht und die fremde Geschichte immer mehr zu seiner eigenen macht.

In "Die Wettesser" gehen die Protagonisten an ihre körperlichen Grenzen: sie stopfen in surreal anmutenden und doch auch in Wirklichkeit existierenden Wettbewerben Hot Dogs, Reis, Kohl, Shrimps oder Butter um die Wette in ihre Münder.

Blick auf die Grenze

"Dass Grenzen und das Überschreiten von Grenzen für meine Arbeit so wichtig wurden, hat bestimmt auch mit der realen Grenze, an der ich aufgewachsen bin, zu tun", meint Clemens Berger. Vom Eisenberg aus, einem mit Weinfeldern übersäten Berg und in seiner Kindheit ein beliebtes Ausflugsziel seiner Familie, sieht man diese Grenze zu Ungarn, die noch vor gar nicht allzu langer Zeit "eiserner Vorhang" genannt wurde.

Da wie dort sehe es gleich aus, da sei nichts, was eine Grenze hätte sinnvoll erscheinen lassen, kein Berg, hinter dem die Landschaft plötzlich verändert wäre, kein Gewässer, das unterschiedliche Ufer trennte, nur Weite (...). Die Grenze sei gezogen worden, einmal so, dann wieder so, und immer hätten die einen wie die anderen Gründe gefunden, sich denen jenseits der Atlaslinie überlegen zu fühlen.

Hör-Tipp
Tonspuren, Freitag, 20. März 2009, 22:15 Uhr

Buch-Tipps
Clemens Berger, "Und hieb ihm das rechte Ohr ab. Erzählungen", Wallstein Verlag

Mehr dazu in oe1.ORF.at

Clemens Berger, "Der gehängte Mönch. Erzählungen", Edition Lex Liszt

Clemens Berger, "Paul Beers Beweis", Skarabaeus Verlag

Clemens Berger, "Die Wettesser", Skarabaeus Verlag

Clemens Berger, "Gatsch. Und Jetzt", Zwei Stücke, Edition Lex Liszt