Die Macht der Konsumenten

Überfluss und Krise

Die Umweltzerstörung, der Klimawandel, die weltweite Ausbeutung von Billiglohnarbeitern, die Prekarisierung der Arbeit im Westen und zuletzt die Wirtschaftskrise stellen die Zukunftsfähigkeit der westlichen Konsumgesellschaft zunehmend in Frage.

Der Soziologe Ulrich Beck über die Konsumgesellschaft

"Der moderne Konsument könnte sich mit der Formel identifizieren: Ich bin, was ich habe und was ich konsumiere", schrieb der Soziologe und Psychoanalytiker Erich Fromm in seinem Buch "Haben oder Sein”. Das Werk erschien 1976, wenige Jahre, nachdem die erste Ölkrise die Gefahren und Grenzen einer auf unbeschränktes Wachstum angelegten Ökonomie deutlich gemacht hatte.

Heute wirft die internationale Finanzkrise erneut all jene Fragen auf, mit denen sich Erich Fromm bereits vor dreißig Jahren beschäftigte: "Wir leben in einer Gesellschaft, die sich vollständig dem Besitz- und Profitstreben verschrieben hat. (...) Die meisten Menschen sehen die auf das Haben gerichtete Existenz als die natürliche, ja die einzig denkbare Art zu leben an."

Der Beginn der Konsumgesellschaft

Als Erich Fromm sein Werk verfasste, hatte gut die Hälfte aller Österreicher noch gar nichts von dem, was die meisten heute für unabdingbar halten: Telefon, Fernseher, Pkw. An einen Computer dachte der Durchschnittsbürger noch nicht einmal.

Die Konsumgesellschaft, die sich in den USA in der Zwischenkriegszeit voll entwickelte, bildete sich in Europa erst in den 1950er und 1960er Jahren heraus. Erst in den 1980er und 1990er Jahren beschleunigte sich die Globalisierung mit all ihren bekannten Phänomenen - darunter der Überschwemmung europäischer Märkte mit Billigprodukten aus Billiglohnländern.

Alte und nach wie vor aktuelle Kritik

Erich Fromm war keinesfalls der erste Kritiker der Konsumgesellschaft. Diese Kritik nahm bereits Ende des 19. Jahrhunderts in den USA ihren Anfang. Philosophen, Theologen, Soziologen, Wirtschaftswissenschafter, Journalisten und viele andere reihten sich in der Folge in die Riege der Konsumkritiker ein.

Verdummung, Verführung, Manipulation, pathologisch übersteigerter Konsum, wunschloses Unglück, der eindimensionale Mensch - das sind nur einige Schlüsselbegriffe dieser Kritik. Ob sie etwas bewirkt hat, ist eine andere Frage.

"Der schlafende Riese Konsument erwacht"

Seit der Millenniumswende ist nun eine neue Entwicklung auszumachen. Eine neue Welle von Büchern und Filmen dokumentiert zum einen die neu entstehenden internationalen Netzwerke gegen die Auswüchse der Konsumgesellschaft und der Globalisierung.

Zum anderen sprechen sie den Konsumenten als verantwortungsvollen Bürger mit Handlungsmacht an. "Der politische Konsument entdeckt seine Macht. Der schlafende Riese Konsument erwacht", formuliert es der deutsche Soziologe Ulrich Beck.

Hör-Tipp
Dimensionen, Dienstag, 24. März 2009, 19:05 Uhr

Buch-Tipps
Erich Fromm, "Haben oder Sein", ins Deutsche übersetzt von Brigitte Stein, dtv-Verlag 1979

Wolfgang König, "Kleine Geschichte der Konsumgesellschaft", Franz Steiner-Verlag 2008

Wolfgang Ullrich, "Haben wollen", Fischer-Verlag 2006

Ulrich Beck, "Macht und Gegenmacht im globalen Zeitalter", Suhrkamp-Verlag 2002

Tanja Busse, "Die Einkaufsrevolution. Konsumenten entdecken ihre Macht", Blessing Verlag 2006