Nur ein Spiel? - Teil 4
Das Wiener soziale Kompetenztraining
Forschungsergebnisse belegen: Konflikte zwischen türkischen und kroatischen, zwischen serbischen und österreichischen, zwischen kurdischen und bosnischen Jugendlichen sind keine kulturellen oder ethnischen Konflikte: Es sind soziale Konflikte.
8. April 2017, 21:58
Die Konflikte zwischen Jugendgruppen unterschiedlicher kultureller, ethnischer oder religiöser Herkunft, wie sie in Mitteleuropa auftreten, spiegeln einen globalen Konflikt wider: das Aufeinanderprallen unterschiedlicher Gesellschaften mit unterschiedlichen Verhaltensformen, erklärt der Gewaltforscher und Philosoph Klaus Theweleit.
Via Internet und Fernsehen sind die unterschiedlichen Weltbilder simultan und allgegenwärtig und rivalisieren miteinander. Die aktuelle Weltwirtschaftskrise und die wachsende Jugendarbeitslosigkeit verschärfen die Konflikte.
Brennpunkt Schule
Der Ort, an dem heute in europäischen Gesellschaften Normen und Werte etabliert werden, die für alle Kinder und Jugendlichen verbindlich sind, dieser Ort ist die Schule. Hier ist es auch möglich, Rahmenbedingungen zu schaffen, die soziales Lernen unterstützen, denn soziale Kompetenzen müssen erworben werden. Und es sind die Lehrer, die diese vermitteln sollten. Dafür werden sie aber nicht ausgebildet. Trotzdem sind sie tagtäglich im Klassenzimmer gefordert, Konfliktmanagement zu betreiben. Manche Lehrer erwerben darum in ihrer Freizeit und auf eigene Kosten Zusatzqualifikationen, um diesen Anforderungen gerecht zu werden.
Maria Kotrc-Erlinger ist Lehrerin an der AHS Maroltingergasse und Lehrbeauftragte an der Pädagogischen Hochschule in Wien. Sie hat sich zur systemischen Familientherapeutin ausbilden lassen. Ihr Ziel war es, die Gruppenprozesse einer Klasse professionell betreuen zu können. "Eine durchschnittliche AHS-Lehrerin betreut im Tag im Minimum 150 Schüler, die Beziehungserwartungen an sie oder ihn stellen. Damit muss man umgehen lernen."
WISK
Um im Sozialisationsfeld Schule die Kompetenzen von Lehrern und Lehrerinnen und Schülern und Schülerinnen zu fördern, haben die Psychologin Christiane Spiel und ihre Mitarbeiterinnen Moira Atria und Dagmar Strohmeier das "Wiener Soziale Kompetenztraining", kurz WISK genannt, entwickelt.
Das Ziel von WISK ist es, dass alle Beteiligten eines Konfliktes - Täter, Opfer, aber auch die Zeugen - lernen sollen, ihr Verhalten zu verändern. WISK agiert aber auch auf der Schulebene, denn nur, wenn alle Lehrer an einem Strang ziehen, lässt sich Gewalt unterbinden. Darum werden die Grundzüge des Programms von ausgebildeten WISK-Mitarbeiterinnen an interessierten Schulen in einer pädagogischen Konferenz vorgestellt.
Die weiße Feder
WISK formuliert nicht nur allgemeine Richtlinien, wie Schulleitung und Lehrer, Eltern und Schüler besser mit Konflikten umgehen lernen, WISK bietet auch ein zwölfwöchiges Trainingsprogramm an, das in ausgewählten Klassen durchgeführt wird. Im Rollenspiel wird geschult, wie man auf soziale Konflikte besser und kompetenter reagieren kann. Das Ziel von WISK ist es, die Eigenverantwortlichkeit der Schülerinnen und Schüler zu stärken.
Mario Gollwitzer hat die Wirkung der WISK-Programme evaluiert und auf die Nachhaltigkeit der Effekte untersucht. Und er hat festgestellt, dass die Kinder nachhaltig lernen, mehrdeutige Situationen besser zu verstehen und gewaltfrei darauf zu reagieren.
WISK ist Teil eines Gesamtpakets an Maßnahmen, die unter dem Begriff "Die weiße Feder" vom Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur ins Leben gerufen wurden. Das Ziel dieser Initiative ist es, in der Öffentlichkeit einen Common Sense gegen Gewalt zu schaffen, der alle Lebensbereiche berührt.
Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 30. März bis Donnerstag, 2. April 2009, 9:05 Uhr
Link
Gemeinsam gegen Gewalt