"Die Bar ist wie mein zweites Zuhause"

Der Mann am Klavier

Simon Schott, 1917 in Bayern geboren, liebte schon als Schüler den Jazz. Klavier spielen lernte er durch Zuhören. In Paris machte er seine Liebe zur Musik zum Beruf: als Barpianist. Heute noch spielt Simon Schott in einer Hotelbar - mit 92 Jahren!

Simon Schotts Begegnung mit dem Dalai Lama

Das 5-Sterne-Hotel "Vier Jahreszeiten" in München. Gemütlich in der Hotelbar sitzend, fällt der Blick bald auf den Mann am Klavier. Ein älterer, gepflegter Herr mit schwarzem Anzug und schwarzem Hut sitzt da am Klavier und lässt seine Finger über die weißen und schwarzen Tasten gleiten. Der Mann am Klavier heißt Simon Schott. Am 28. November 2009 hat er seinen 92. Geburtstag gefeietn, und noch immer sitzt er jeden Abend am Klavier.

Privatdetektiv Nick Foldex

Es ist eine Freude, dem Mann am Klavier zuzuhören und zuzuschauen. Mit scheinbarer Leichtigkeit spielt er Melodien aus seinem großen Repertoire. Auf die 25 Jahre im Hotel ist Simon Schott durchaus stolz, viele wechseln oft, sie fahren von Stadt zu Stadt, von Hotel zu Hotel - das sei seine Sache nicht, sagt er. Nicht mehr, müsste man vielleicht sagen, hat er doch früher auch in Paris und in London gespielt, aber die unruhigen Jahre sind längst vorbei. Jetzt gehe es darum, gut mit sich und dem Alter umzugehen, meint er.

Auf dem Klavier, an dem Simon Schott jeden Abend für drei Stunden spielt, liegen einige CDs, die er eingespielt hat: "Simon Schott plays your favorite evergreens" ist darauf zu lesen, es sind bereits mehrere CDs mit Evergreens erschienen, CDs, die man direkt bei ihm erwerben kann.

Neben diesen Aufnahmen liegt auch ein dickes Fischer-Taschenbuch auf dem Klavier. Auf fast 400 eng bedruckten Seiten sind da drei Kriminalromane des Schriftstellers Simon Schott in einem Band versammelt. "Die Foldex-Krimis" lautet die Überschrift auf dem Band, auf dem Cover sieht man Simon Schott, die Arme verschränkt, mit Hut, Anzug und Krawatte und entschlossenem Blick - ganz so als wäre er selbst die Hauptfigur seiner Romane, der Privatdetektiv Nick Foldex.

Der Mann im Hintergrund

Immer wieder kommt Simon Schott im Gespräch ganz schnell auf sein geliebtes Klavier zu sprechen. Es hat sein Leben bestimmt, von frühesten Kindheitstagen an. Als Schüler liebte er schon den Jazz, Klavier spielen lernte er durch Zuhören. Die Liebe zur Musik war also früh da. Aber seine Biografie ist auch geprägt durch zwei Kriege: Geboren noch zur Zeit des Ersten Weltkrieges, muss er im Zweiten Weltkrieg als Soldat einrücken. Kurz vor Kriegsende ist Simon Schott von der deutschen Wehrmacht desertiert. Eher aus Versehen landet er in der französischen Widerstandsbewegung, eine Tätigkeit, die ihm das Bleiben in Frankreich nach 1945 erleichtern sollte. Simon Schott bleibt 17 Jahre lang in Paris, er macht seine Liebe zur Musik zum Beruf.

Harry McElhone, der Besitzer der berühmten "Harry's New York Bar" in Paris, hört in diesen Jahren nach dem Krieg von einem jungen Musiker, der in den Nachtklubs und Bars von Montmartre Klavier spielt. Er engagiert ihn für einen Abend - ein Engagement, das schließlich sieben Jahre lang dauern sollte. Die Bar wird rasch zum Treffpunkt der "famous and rich people". Es werden nach dem Krieg zahlreiche amerikanische Filme in Paris gedreht, amerikanische Filmstars, Schriftsteller, Modeschöpfer sind zu Gast in der Bar und hören dem Mann am Klavier zu.

"Ein Barpianist darf sich nicht in den Vordergrund spielen", sagt Simon Schott. "Er bleibt im Hintergrund und sorgt dafür, dass sich alle wohlfühlen." So war auch sein Kontakt mit den Stars und Prominenten ein zurückhaltender, freundlicher. Lieblingslieder wurden gespielt, Drinks wurden spendiert, man plauderte kurz, Entspannung war angesagt.

Melodien, die herausfließen

Mehr als 2.000 Melodien hat Simon Schott im Kopf. Wobei beim Spielen improvisiert wird, mit fließenden Überleitungen zum nächsten Lied. Wann gerade welche Melodie aus seinem Spiel herausfließt und sich gleichsam in den Vordergrund drängt, das überrascht ihn oft selbst. "Man könnte schon nachdenklich werden über so manches, das sich nicht leicht erklären lässt", sagt Simon Schott.

Simon Schott hat sich das Klavierspielen selbst beigebracht, als Jugendlicher, ein Üben und Lernen nach Gehör, ein Nachspielen und immer wieder neu probieren. Notenblätter wird man bei ihm am Klavier vergeblich suchen. "Gute Barpianisten spielen frei, ohne Noten", sagt Simon Schott.

Filmpartys und Spelunken

Simon Schott hat in all den Jahren in mondänen Clubs, in Nachtlokalen, bei Modeschauen, auf Filmpartys, bei Feiern von Rennstall- und Yachtbesitzern, aber auch in lauten Matrosenkneipen und Spelunken aller Art gespielt, wie er - beinahe wehmütig - erzählt. Die Arbeit als Pianist in großen Hotelbars war stets die angenehmste.

In Pension zu gehen, daran habe Schott als Barmusiker nie gedacht. Das Hotel weiß um seine Beliebtheit und seine musikalischen Fähigkeiten und lässt den 92-jährigen Musiker jeden Abend gerne spielen - so lange er sich gesundheitlich dazu im Stande fühlt. Als "besten Barpianisten der Welt" bezeichnen ihn so manche Stammgäste.

Hör-Tipp
Menschenbilder, Sonntag, 27. Dezember 2009, 14:05 Uhr

Mehr dazu in oe1.ORF.at

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Hotel Vier Jahreszeiten München

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