Einer, der auszog, das Fürchten zu lernen
Fritz Molden im Porträt
Nach dem Zweiten Weltkrieg hat er eine große politische Karriere vor sich, aber er gründet lieber eine Zeitung, später einen Verlag. Seine Bücher sind aus dem Stoff, aus dem Fritz Moldens Leben ist. Jetzt wird der Professor ohne Matura 85.
8. April 2017, 21:58
Aufgewachsen ist er hinter grünen Jalousien - was so viel bedeutet wie gutbürgerlich in einer Döblinger Villa - als Sohn des Chefredakteurs der "Neuen Freien Presse" Ernst Molden und der Schriftstellerin und späteren Hymnendichterin Paula von Preradovic. Unter seinen Vorfahren sind eine Reihe von Schreibenden, später wird er in ihre Fußstapfen treten, als Journalist, Autor und Verleger.
Doch zuerst kommt die Politik. Fritz Molden erlebt als Kind die Februarkämpfe um den Karl-Marx-Hof, ganz in der Nähe seines Elternhauses, die Ermordung von Kanzler Dollfuss, eines Freundes der Familie, schließlich die Okkupation Österreichs.
Im Widerstand
"Ich hab keine Chance gehabt, mit den Nazis zu sympathisieren", sagt er. Vor seinen Augen wird seine Mutter blutig geprügelt, sein älterer Bruder Otto aus dem Haus getrieben und ins Gefängnis gesteckt, der Vater ebenso. Der erst 14-Jährige schließt sich dem katholischen Widerstand an. Eine der ersten Aktionen ist ein Marienfest. Die Pfarrjugend, als einzige katholische Organisation, die noch nicht verboten ist, lädt die jungen Leute zur gemeinsamen Andacht in die Stephanskirche.
Bis dahin, erinnert sich Molden, haben sich zu solchen Kirchenfeiern ein paar hundert "Kerzlschlucker" versammelt, aber am 7. Oktober 1938 ist alles anders: 12.000 Menschen erscheinen auf dem Stephansplatz und hören Kardinal Innitzers Predigt zu. Innitzer, der bedauert, Hitler nicht früher durchschaut zu haben, sieht eine Möglichkeit, seinen Fehler gutzumachen. Seine scharfen Worte von der Kanzel werden auf den ganzen Platz übertragen.
"Innitzer sagte, gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist. Doch das gilt nur für einen guten Kaiser. Wir sind heute in einer Zeit, wo wir dem Kaiser nichts geben können, denn er ist nicht gut. Damit war eindeutig Hitler gemeint!", erinnert sich Molden.
Katholische Jugend gegen HJ
Auf dem Stephansplatz bricht eine unglaubliche Stimmung aus. Unter den Jugendlichen herrscht Jubel, eine neue Hoffnung, dass es doch möglich ist, sich gegen die Diktatur zu wehren. Die Nazis, die nicht voraussehen, welche Formen diese katholische Feier annehmen wird, kommen zu spät, um die Versammlung aufzulösen. Erst gegen Ende, als die Kundgebung vorbei und ein Großteil der Leute schon wieder weg ist, taucht ein Rudel HJ-Führer auf, aber sie können nichts mehr ausrichten.
Am nächsten Tag veranstaltet die HJ eine Kundgebung am Stephansplatz und wieder erscheint die katholische Jugend, um dagegen aufzutreten. Es kommt zu Auseinandersetzungen und Prügeleien, und noch am selben Tag lernt Fritz Molden die "Liesl", wie die Wiener das Untersuchungsgefängnis auf der Elisabethpromenade (heute Rossauerlände) nennen, von innen kennen.
Mit Glück überlebt
1941 wird Molden wegen versuchten Landesverrats zu acht Jahren Haft verurteilt. Statt im Gefängnis landet er beim Strafbataillon in der Ukraine, ein Todeskommando, aber er hat Glück und überlebt. Bald darauf gehört er der österreichischen Widerstandsbewegung 05 an, taucht unter und hilft unter Einsatz seines Lebens mit, den Kontakt zu den Alliierten herzustellen und die erste österreichische Regierung ins Leben zu rufen.
Die Unabhängigkeit bewahrt
"Einer, der auszog, das Fürchten zu lernen, es aber nie gelernt hat." So Fritz Moldens Selbstbeschreibung 1982, nachdem sein Verlag in Konkurs geht. Es ist das Ende einer von mehreren Karrieren. Die politische Laufbahn, die ihm nach 1945 als Sekretär von Außenminister Gruber vorgezeichnet scheint, gibt er bald wieder auf, ebenso den diplomatischen Dienst in den USA. Er gründet Zeitungen, erbaut eine Druckerei, verdient damit eine Menge, nur um Jahre später alles wieder zu verkaufen, weil er sich seine Unabhängigkeit bewahren will.
Anfang der 1960er Jahre beginnt er, Bücher zu verlegen. Mit Hildegard Knefs "Der geschenkte Gaul" gelingt ihm einer der größten Verkaufserfolge der deutschsprachigen Literatur. Auch selbst tritt er immer wieder als Autor in Erscheinung, zuletzt mit seinen politischen Erinnerungen "Vielgeprüftes Österreich".
Hör-Tipp
Hörbilder, Samstag, 4. April 2009, 9:05 Uhr
Buch-Tipp
Fritz Molden, "Vielgeprüftes Österreich: Meine politischen Erinnerungen", Amalthea Verlag