Die Verlage des einstigen Leselands DDR

Wo sind sie geblieben?

Die DDR war zwar eine üble Diktatur, sie galt aber zu Recht als "Leseland" - wurden dort doch mehr Bücher gelesen als in der BRD und in Österreich. Manche DDR-Verlage waren auch im Westen renommiert. Doch was geschah mit ihnen nach der Wende?

Christoph Links, jetzt Leiter eines kleineren Privatverlages in Berlin, war in den letzten Jahren der DDR, von 1986 an, im bekannten ostdeutschen Aufbau-Verlag tätig. Er beschreibt, wie anders die Arbeit in einem DDR-Verlag gegenüber der in einem westlichen Verlag war. Der wichtigste Unterschied: Da die DDR eine kommunistische Diktatur war, gab es natürlich Zensur. Jedes Manuskript musste behördlich geprüft werden, bevor es in Druck gehen durfte.

Das Buch als Fenster zur Welt

Die Zensur war zwar hart, sie traf die Buchverlage aber nicht in dem Ausmaß, wie die Massen-Medien, also Zeitungen, Radio oder Fernsehen. Diese bekamen nämlich wöchentlich Tabu-Listen übermittelt, worüber sie nicht berichten durften. "So etwas war bei einem Buch mit Autoren, die eigenständig denken und nicht so erpressbar sind, wie angestellte Journalisten, natürlich ganz anders", erklärt Links, "dadurch konnten in Büchern Themen behandelt werden, die sonst blockiert waren."

Das wiederum führte dazu, dass Bücher in der DDR auf viel stärkeres Interesse stießen als im Westen. Dazu kamen aber, erklärt Christoph Links, noch andere Gründe: Bücher waren so etwas wie Fenster zur Welt: "Es war auch ein Stück Lebenserfahrung und Lebensersatz für das, was man in einem reglementierten Alltag selbst nicht tun konnte."

Wiedervereinigung gefährdet Verlage

Die DDR-Verlage funktionierten natürlich auch wirtschaftlich anders als jene im Westen. Sie hatten erheblich mehr Personal, besonders die Lektorate waren überbesetzt. Im Aufbau-Verlag etwa waren von 170 Mitarbeitern 70 Lektoren.

Dagegen gab es nur sehr kleine Vertriebs- und Werbeabteilungen, weil der Vertrieb staatlich geregelt und Werbung nicht notwendig war. Die Verlage hatten ja für ihre Sparten mehr oder weniger ein Monopol und keine Konkurrenz. Und wenn Verlage, was meistens geschah, Gewinn machten, so hatten sie den Großteil davon an den Staat abzuführen.

Das alles erwies sich 1990 nach der Wiedervereinigung als großes Handikap. Die DDR hatte ja zu bestehen aufgehört und war der Bundesrepublik beigetreten. Nun gab es natürlich keine Zensur mehr, sondern Demokratie und Rechtsstaat. Aber es galt bundesdeutsches Recht, was für die ostdeutschen Verlage weitere Nachteile brachte, denn das Urheberrecht in der DDR galt bis 50 Jahre nach dem Tod des Autors, im Westen waren es 70. Die Ausgaben der Differenzzeit verschwanden vom Markt.

Ausverkauf an den Westen

Da die meisten DDR-Verlage in staatlichem oder quasistaatlichem Eigentum standen, wurden sie in der Regel durch die sogenannte Treuhand privatisiert. Direkt und ohne öffentliche Ausschreibung und dabei wurden, sagt Christoph Links, westdeutsche Investoren bevorzugt - noch dazu Verlage, die häufig ein ähnliches Profil hatten: "Das führte dazu, dass die Verlage, die an West-Profis gingen, binnen weniger Jahre geschlossen wurden, weil man sich die interessanten Autoren und Rechte gesichert hatte und den produktiven Bereich nicht mehr brauchte."

Besser ging es Verlagen, die an branchenfremde Investoren verkauft wurden, wie etwa dem Aufbau-Verlag, der zunächst von einem Frankfurter Immobilienhändler und dann von einem Berliner Kaufmann erworben wurde. Grundsätzlich aber führten die hausgemachten Handikaps und die Verkaufspolitik der Treuhand zu einem Kahlschlag in der ostdeutschen Verlagslandschaft: Von 78 Verlagen im Jahr 1990 sind nur noch zwölf übergeblieben, die nur noch 18 Prozent der früheren Titel herausbringen. Und die Zahl der Mitarbeiter ist von 6.000 auf weniger als 600 gesunken. Das sei, meint Links, nur zum Teil wegen der Überkapazitäten notwendig gewesen. Aber auch hier habe die Treuhand Fehler gemacht. Die Zusagen, die sie sich von den neuen Eigentümern geben hatte lassen, dass so und so viele Mitarbeiter beschäftigt blieben, wurden nie kontrolliert, ebenso wenig wie die versprochenen Investitionen in die Verlage.

Insgesamt sei die Privatisierung der Verlage typisch für den Umgang mit der ostdeutschen Wirtschaft gewesen, so Links. Man hätte damals vollkommen auf Regional- und Strukturpolitik verzichtet und das räche sich heute bitter. So hätten die ostdeutschen Länder keine eigene Wirtschaftskraft entwickeln können und seien 20 Jahre nach dem Mauerfall immer noch auf Transferzahlungen aus dem Westen angewiesen.

Und das Leseverhalten der Ostdeutschen hat sich mittlerweile dem der Westdeutschen angeglichen, sagt Christoph Links. Das Bücherlesen steht bei den Freizeitinteressen nur noch auf Platz sieben und ist gerade dabei, von der Computernutzung überholt zu werden.

Mehr zum Thema DDR in oe1.ORF.at
Der Weg zum Mauerfall
Die deutsche Wiedervereinigung

Hör-Tipp
Europa-Journal, Freitag, 17. April 2009, 18:20 Uhr

Buch-Tipp
Christoph Links, "Das Schicksal der DDR-Verlage. Die Privatisierung und ihre Konsequenzen", Links Verlag

Links
Links Verlag
Aufbau Verlag

Übersicht

  • Wendejahr 1989