Noch ein Traumpaar

I Capuleti e i Montecchi

Bellinis "I Capuleti e i Montecchi" ist in einer Traumpaar-Besetzung erschienen: Die Gesamtaufnahme mit den Wiener Wiener Symphonikern unter Fabio Luisi bietet die Sopranistin Anna Netrebko als Julia und die Mezzosopranistin Elina Garanca als Romeo.

Ausschnitte mit Netrebko und Garanca

Ein Star macht noch keinen Sommer, doch ist es nicht schon ein Zeichen von Bescheidenheit, wenn sich der Medien-Hype in der Opernwelt von drei Sängern der gleichen Stimmlage, aber unterschiedlicher Qualität, auf ein Traumpaar - allerdings ebenfalls unterschiedlicher Qualität - reduziert.

Bisher hat sich Anna Netrebko im Vergleich mit Rolando Villazon als krisenfest erwiesen. Bisher. Bis zum "Lucia"-Debakel an der Met vor mehr als zwei Monaten. Das war es zwar vor allem für ihn, aber die Messlatte bei Traumpaaren wird eben von hypertrophen Erwartungen geschärft. Und Villazon hat danach auch die weltweite Live-Übertragung dem Polen Piotr Beczala überlassen, während sie den Kampf mit der ihr nicht mehr ganz adäquaten Partie erfolgreich wieder aufnahm.

Glasharmonika

Jetzt in Wien hat Netrebko vor der "Lucia"-Serie sicherheitshalber gleich abgesagt - allerdings nur ein hohes Es, einen Ton, den einst die Callas im Triumphakt ihrer mexikanischen "Aida"-Vorstellungen gerne einlegte.

Wohl kaum als Kompensation, aber doch als beträchtliche Attraktion hatte die Staatsoper für die März-Serie der "Lucia" erstmals eine Glasharmonika gespendet. Die Klänge werden immer abwechslungsreicher.

Gleichgeschlechtliches Traumpaar

Auch auf CD. Denn die neueste Operngesamtaufnahme mit der Netrebko präsentiert nicht das gewohnte, sondern ein gleichgeschlechtliches Traumpaar: Anna Netrebko und Elina Garanca in Bellinis "Romeo und Julia" mit dem etwas anderen Titel "I Capuleti e i Montecchi".

Erstmals erleben konnte man dieses Paar in Bellinis Oper im April des Vorjahres auf dem Podium des Wiener Konzerthauses und im Kostüm bestreiten die beiden derzeit eine "Capuleti"-Aufführungsserie auf der Bühne der Royal Opera am Covent Garden, die vom 3. März bis zum 11. April 2009 geplant war, aber schon am dritten Abend durch eine Netrebko-Absage unterbrochen worden ist. Eine gewisse Eri Nakamura hat dann neben der Garanca am 7. April einen großen Erfolg verbuchen können.

Damen im Doppelpack

Von Mozart über Bellini und Humperdinck bis zu Richard Strauss sind Frauenduette beliebt, obwohl sie kaum mehr klanglichen Kontrast bieten, als drei Tenöre. Dennoch, hier sind wir immerhin beim Original - nicht bei Bearbeitungen. Und ein Tenor ist auch noch dabei, ein beachtlicher Tenor mit einer den Damen ebenbürtigen Höhe, der Malteser Joseph Calleja als Tebaldo.

Bei einem Liebespaar dieser vokalen Qualität lässt es sich verschmerzen, dass Romeo nicht auch Tenor singt, wie es einst Jaime Aragall unter Claudio Abbado 1967 in der Mailänder Scala getan hat. Erstaunlicherweise ist der Spanier der einzige männliche Romeo von Rang in der Schallplattengeschichte dieser Oper, wenn man von Veriano Lucchetti absieht.

Mangelnder Kontrast?

Aber dennoch: Die Verschmelzung der Frauenstimmen in Ehren, sie ist bei Netrebko und Garanca hervorragend gelungen, ergäbe nicht auch hier ein größerer Kontrast der Stimmen ein Mehr an Wirkung, wie etwa die glasklaren Schärfe der jungen Gruberova vor der Folie des markanten, mediterranen, fast schon männlichen Mezzosoprans der Baltsa.

Damals, bei diesem Livemitschnitt aus der Londoner Royal Opera von 1984 (EMI) hat Riccardo Muti nicht nur die Sänger zu höchster Subtilität bei der Phrasierung der nicht enden wollenden Bellinischen Melodienbögen anregen können, sondern auch das Orchester der "Covent Garden" - was die Soli von Klarinette, Horn und Harfe betrifft - zu nahezu kammermusikalischem Spiel.

Wiener Symphoniker kompetent

Übrigens traten die Damen Netrebko und Garanca jüngst in derselben Pierluigi-Pizzi-Inszenierung in der Royal Opera in London als Julia und Romeo auf, die damals 1984 mit dem Traumpaar von damals - Edita Gruberova und Agnes Baltsa - Premiere gehabt hat.

Der Gerechtigkeit halber darf aber nicht verschwiegen werden, dass die Neuaufnahme nicht nur aufnahmetechnisch weit besser gelungen ist, sondern auch die Wiener Symphonikern unter Fabio Luisi höchste Kompetenz für den instrumentalen Teil der Bellini-Partitur bewiesen haben.

Ein Garanca-Solo

Liebhaber von Interpretationsvergleichen können Elina Garanca als Romeo an sich selber messen, denn nahezu gleichzeitig hat die DG ein Garanca-Recital auf den Markt gebracht, das nicht nur virtuos gesungenes Belcantorepertoire von Rossini und Donizetti enthält, sondern auch die Auftrittsszene des Romeo aus "I Capuleti e i Montecci" - mit Ildebrando d’Arcangelo und Matthew Polenzani als Bellini-Partner und dem Orchester des Stadttheaters Bologna unter Roberto Abbado. Aufgenommen ein halbes Jahr nach der Wiener Produktion.

Die Frage, wer singt besser, sie oder sie, muss jeder Garanca-Fan für sich selbst entscheiden, doch den glücklichen Besitzern der Gesamtaufnahme sei versichert: Schon der Rest, ohne den doppelten Romeo, lohnt die Investition.

CD-Tipps
Vincenzo Bellini, "I Capuleti e i Montecchi", Anna Netrebko. Elina Garanca, Joseph Calleja, Tiziano Bracci, Robert Gleadow, Wiener Singakademie, Wiener Symphoniker, Fabio Luisi, Deutsche Grammophon

Elina Garanca, "Bel Canto", Filarmonica del Teatro Comunale di Bologna, Roberto Abbado, Deutsche Grammophon

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