Sieben Dekaden blaue Noten

70 Jahre Blue Note

Ohne die sogenannten Blue Notes würden Blues und Jazz gar nicht funktionieren. Ohne die kleine Terz oder die verminderte Quint etwa. Und auch ohne das Label Blue Note Records wäre der Jazz wohl um einiges ärmer. Heuer feiert das Label Geburtstag.

Lee Morgan Quintet: "The Sidewinder"

Was ist eigentlich eine Blue Note? Ohne jetzt allzu musiktheoretisch werden zu wollen, sag ich einmal ganz verkürzt: Fast die kleine Terz zum Beispiel und fast die kleine Quint sozusagen, aber eben nur fast, allerdings in unserem Notensystem nicht anders aufzuschreiben. Blue Note, das ist aber auch der Name eines legendären Plattenlabels.

Dieses Label feiert heuer seinen 70. Geburtstag. Der Name des Labels steht für hohes musikalisches Niveau und hervorragende Klangqualität. Damit wurde es legendär und zum geschätzten Tonträgerhafen für viele der wichtigsten Jazzmusiker. Für Größen wie Herbie Hanckock, Horace Silver, Clifford Brown und viele mehr.

Die Gründer

Begonnen hat alles 1939. Mit dem Löwen und dem Wolf. Gemeint sind Alfred Lion, dem aus Berlin emigrierten Alfred Löw und dem etwas später zugereisten Fotografen Francis Wolff. Wenn ihnen wohl die Erfahrung im Metier zunächst gefehlt haben sollte, so hatten sie dafür umso mehr Leidenschaft für die Sache.

Anlässlich der Gründung seines Labels schrieb Lion bereits 1939: "Blue Note interessiert sich für den Antrieb, aus dem der Jazz als Kunstform kommt, und nicht für die sensationsheischende und kommerzielle Ausstaffierung." Die Musiker waren für ihn Freunde und nicht nur Lieferanten und diese wiederum erwiderten derlei Respekt und kamen offen auf Lion zu.

Talentsucher Ike Quebec

Hauptberuflich und damit ausschließlich konnten sich Lion und Wolff dem Label erst etwa ab 1943 widmen, damals stieß ein Saxophonist zu Blue Note, der auch abseits seines eigenen Instruments noch wichtig werden sollte für die weiteren Jahre: Ike Quebec. Neben der Produktion seiner Platten hat er auch die Szene nach aufblühenden Talenten durchsucht. Und zwar überaus erfolgreich, waren doch seine ersten Empfehlungen zwei junge Männer mit den Namen Thelonious Monk und Bud Powell.

Zwischen 1947 und 1952 nahm Monk bei Blue Note bereits längst als Standards geltenden Nummern wie etwa "Ruby my dear", "Monks Mood" und "Straight no Chaser" auf. So richtig verkäuflich waren die Aufnahmen des exzentrischen Modernisten in den frühen Jahren allerdings noch nicht.

Energetischer Zweikanal-Sound

Etwas leichter ging das mit Bud Powell, der Charlie Parker des Klaviers, wie er auch genannt wurde. Ein wesentlicher weiterer Pianist im Hause Blue Note war unbestritten Horace Silver, er lieferte Hits wie "Song for my Father", "Sister Sadie" und "Strollin".

Aber ganz wesentlich ist der fantastische Sound von Blue Note ab den 1950er Jahren auch mit einem anderen Namen verbunden: Rudy van Gelder. Denn ab da lieferte den klaren und energetischen Zweikanal-Sound jener Tonmeister, der bald zu den gefragtesten der Branche gehören sollte. So etwa für viele Alben vom Hammondorgel-Meister Jimmy Smith.

Verkauf des Labels an Liberty

Gerade an einem der wesentlichen Höhepunkte in der Geschichte von Blue Note, Anfang der 1960er Jahre, also in jener Zeit, in der etwa Herbie Hancock seinen "Watermelon Man" und "Cantaloupe Island" aufnahm, kam auch eine wesentliche Zäsur. Nach dem Tod von Ike Quebec begann Alfred Lion immer mehr mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen, wollte dem finanziellen Druck entfliehen und verkaufte schließlich an den Pop-Konzern Liberty.

1967 stieg er dann ganz aus dem Geschäft aus. 1971 verstarb auch noch Francis Wolff. Wenn auch die Marke noch einige Jahre sehr wohl weiterbestand, nach dem erneuten Verkauf 1979 an EMI wurde sie schließlich vorübergehend ganz eingestellt.

Auferstehung in den 1980er Jahren

Doch schon in den 1980er Jahren sollte die Auferstehung erfolgen. Ein fantastisches Archiv, die Erfindung der CD und das neue Interesse am Jazz - all das sollte zu einem neuen Höhenflug führen. Einige wesentliche Namen dieser Zeit: Sänger wie Bobby McFerrin, Diana Reeves und Cassandra Wilson. Sowie dann in den 1990ern Joe Lovano, John Scofield und viele mehr.

Aber auch die CD-Neuauflage der alten wichtigen Platten war für den Erfolg entscheidend. Manche gingen sogar besser als einst. Ebenso erfolgreich die Bearbeitungen des alten Materials. Zum Beispiel die von der britischen Jazz-Rap-Band US3 nachgeföhnte Version von Hancocks "Cantaloupe Island", jener Remix, der die Charts auf der ganzen Welt eroberte.

Label-Star Norah Jones

Und Blue Note heute? Ein Name ragt da wohl deutlich heraus. Norah Jones, die Grammy-überhäufte Ravi-Shankar-Tochter, die ab 2002 die Pop-Charts eroberte. Doch letztlich wird von den Fans bis heute die Treue zur eigenen Vergangenheit, also jener immer wieder neu aufgelegte, und allem Anschein nach auch heute noch bestens verkäufliche Schatz aus den Archiven von Blue Note Records.

Hör-Tipp
Spielräume, Sonntag, 26. April 2009, 17:30 Uhr

Link
Blue Note Records