Bodenhaftung nicht verlieren
Ottfried Fischer im Interview
Wie bereits in seinen vorherigen Kabarettprogrammen, entwickelt Ottfried Fischer eine Bühnenfigur, die in die Abgründe von Gesellschaft und Politik eintaucht und Werte wie Heimat, Patriotismus und Religion hochhält. Augenzwinkernd und hintergründig.
8. April 2017, 21:58
Damals im Paradies
Steigende Flüchtlingszahlen, weltweites Migrantentum, Patriotismus-Debatte. Die UNO beschließt das "Jahr der Heimat". Organisiert wird das in unzähligen Kommissionen, nach Maßgabe europäischer Richtlinien mittels nationaler Heimatschutzgesetze.
Einen dieser Heimatexperten - mit dem Schwerpunkt "originäre heimatliche Ausdrucksformen" - stellt Ottfried Fischer in seinem neuen Bühnenprogramm dar. Vor dem Hintergrund von Leitkulturen und Globalisierung, Fundamentalismus und Moral geht es um die Werte Heimat, Patriotismus, Religion und Glauben: Verwurzelung contra Vertreibung, sowie das Recht auf Freiheit und Heimweh.
Ursula Burkert: Ihr neues Programm "Wo mir die Sonne scheint" ist ein Kabarettprogramm zur Heimat. Wie ist Ihr Heimatbegriff zu verstehen?
Ottfried Fischer: Ich teile den Heimatbegriff in meinem Programm in zwei Komponenten auf: in den ideellen und den kommerziellen, kann man sagen. Der kommerzielle oder materielle hat durchaus seine negativen Seiten. Er klingt furchtbar, wenn man die Volksmusik hernimmt, zu großen Teilen, beziehungsweise wird sie missbraucht für irgendwelche unanständigen Ziele von Staaten oder Regierungen. Aber der ideelle Heimatbegriff hat auch den Vorteil und die Aufgabe, den Menschen eine Bodenhaftung zu geben, ihm die Möglickeit zu geben, Wurzeln zu schlagen, er ist ein sinnstiftendes Element, macht ihn stark und lässt ihn überleben in einer welt, die heute von der Globaliserung geprägt ist und das auch sehr stark erfordert.
Ist es nicht in Anbetracht unserer Vergangenheit und des heutigen grassierenden Rechts-Populismus ein wenig gefährlich, mit Worten wie "Heimat" und "Wurzeln" zu hantieren?
Ich meine nicht die klassische Scholle, Blut und Boden. Das meine ich nicht. Ich meine mit "Wurzeln" Bodenhaftung zu haben, zu wissen, wo man steht, und eine Stärke zu haben, sich selbst auch durchsetzen zu können in einer Gesellschaft, in der man lebt. Auch den Mut zu haben, eine Meinung zu verbreiten, den Mut zu haben, die Wahrheit zu sagen, den Mut zu haben, gegen Schlechtes einzutreten. Aber dazu braucht man selbst Kraft und einen Standpunkt. Ich finde, da hat der Katholizismus einen gewissen Sinn, auch wenn er als Religion manchmal sehr stark versagt, wenn man seine Exponenten so anschaut, die es so gibt oder gegeben hat, aber eine katholische Grundausbildung ermächtigt einen ja doch, positiv über die Verhältnisse zu denken und sich dafür einzusetzen, wenn man's richtig anwendet. Jetzt glaube ich eben, dass Heimat eine Aufgabe hat und nicht nur Karl Moik bedeutet. Man muss sich zu Wort melden, man muss Flagge zeigen. Im Programm habe ich den Satz drinnen: "Wenn die Würde in Gefahr ist, ist man verpflichtet, das Leben mitzugestalten, das man mitlebt."
Wie definieren Sie den Unterschied zwischen "wertkonservativ" und "blödkonservativ" - zwei Begriffe, die in Ihrem aktuellen Programm von Wichtigkeit sind?
"Blödkonservativ" wäre ewig gestrig und das heißt ja, nichts zu lernen. "Wertkonservativ" heißt, die guten Werte bewahren, daraus lernen und weiterhin gute Werte ins Leben zu rufen und zu erhalten. Als Linker muss man immer sich und den anderen beweisen, warum man links ist, wenn man nicht in das gemachte Bett des rechten Staates gefallen ist. Deswegen ist es links ein bisschen schwieriger. Allerdings fällt mir auf in Zeiten der großen Koalitionen und der unklaren Mehrheiten, dass links und rechts nicht mehr das Problem ist, sondern wertkonservativ und falsch progressiv. Man muss eher von nicht-rechts sprechen als von links, weil - wie man erleben konnte - ein Zu-weit-Links auch wieder in Rechts ausartet. Ich finde, dass "wertkonservativ" für meinen Geschmack auf einer links angesiedelten Seite ganz gut liegt.
Sie haben einmal den Begriff "Antisemitismus light" geprägt. Was ist darunter zu verstehen?
Dieses lockere Umgehen mit irgendwelchen Charaaktereigenschaften, die man Juden unterschiebt, z. B. wenn einer viel Geld hat und man stellt dann nebenbei lakonisch fest, dass das auch ein Jude ist, das ist zwar noch nicht als Antisemitismus gebrandmarkt, aber im Großen und Ganzen ist das der Anfang der Geschichte, weil sich da was setzt oder nicht ausgerissen wird, was schädlich ist. Deswegen meine ich, dass Hanns Dieter Hüsch schon richtig liegt mit seiner Idee, dass der Faschismus in der Küche losgeht, aber es nicht das Problem des kleinen Mannes ist; es ist ein Problem der Gesellschaft, mit manchen Dingen sehr oberflächlich umzugehen, eben mit solchen Sachen, die ich "Antisemitismus light" nenne.
Mir geht es so als Deutschen, wenn ich mich mit der Vernichtung des jüdischen Volkes beschäftige, dass mich eine sehr starke Beklommenheit ergreift. Ich bin zwar nicht schuld an der Sache, weil ich damals noch nicht gelebt habe, aber ich finde, uns steht die Beklommenheit gut zu Gesicht und wir müssen aufgrund unserer Vergangenheit verantwortlich sein wollen, damit das nicht mehr passiert. Das ist eine sehr wichtige Haltung, die wir auch vermitteln müssen. Es muß bei aller Vergangenheitsbewältigung eines gewährleistet werden, dass dabei rauskommt ein "nie wieder!". Das kann nicht herauskommen, wenn es zu einer Abstumpfung führt. Deshalb finde ich Martin Walser mit seiner Moralkeule nicht ganz so falsch. Er hat sich nur fahrlässig verhalten, weil er sich als Schriftsteller so schlecht ausgedrückt hat. Aber inhaltlich liegt er eigentlich richtig, finde ich.
Wen erreichen Sie mit Kabarett? Jene, die ohnehin so denken, wie Sie selbst, oder ermöglicht Ihre Fernsehpopularität durch Sendungen wie "Der Bulle von Tölz" oder "Pater Braun" auch andere Publikumsschichten anzusprechen?
Beim Kabarett erreicht man natürlich schon die Leute, die so denken, wie man selber denkt, diese Leute freuen sich darüber. Warum soll man diesen Leuten, die so denken wie man selbst, nicht etwas Gutes tun, indem man sie bestätigt? Das halte ich eigentlich für eine ganz gute Sache. Ich glaube aber nicht, dass immer nur die gleichen Leute ins Kabarett gehen. In meinem Fall ist es so, dass ich aufgrund meiner Fernsehpräsenz sehr viele Leute erreiche, die normalerweise nicht ins Kabarett gehen. In Deutschland ist es ja im Gegensatz zu Österrich noch so, dass sehr streng getrennt wird zwischen E und U, zwischen Comedy und Kabarett, und da erreiche ich manchmal auch Comedy-Leute. Im Großen und Ganzen ist Kabarett eine Übung für Insider, das ist richtig, aber man erreicht in manchen Fällen auch andere.
Hör-Tipp
Contra, Sonntag, 10. Mai 2009, 22:05 Uhr
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Ottfried Fischer
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