Wachstums- und Reifungsprozess mit Strauss
Interpretin im Vergleich mit sich selbst
Lebenslanges Lernen. Das klingt bedrohlich. Aber Meisterinterpretinnen und -interperten wie Renée Fleming empfinden es als Luxus, als ungemeines Privileg und Herausforderung, Aufnahmen von geliebten Werken ein zweites Mal auf CD festzuhalten.
8. April 2017, 21:58
Fleming mit Eschenbach und Thielemann
Die "Vier letzten Lieder" sind trotz ihres vergleichsweise kurzen Umfangs bis heute eine Quelle anhaltender Inspiration. "Ich singe sie schon seit 14 Jahren", erklärte die amerikanische Sopranistin Renée Fleming in einem Gespräch, "und oft, öfter als alles andere habe ich die 'Letzten Lieder' schon gesungen - und ich werde sie wahrscheinlich immer singen. Die Details, besonders die Texte, sind mir wichtiger geworden. Sie noch einmal aufnehmen zu dürfen, ist ein Luxus. Normalerweise hat man kaum dazu Gelegenheit, sie auch nur einmal einzuspielen. Am Anfang habe ich gezögert, denn ich wiederhole Aufnahmen nicht so gern. Es gibt ja auch eigentlich keinen Grund dazu, denn es gibt so viel Repertoire, das es wert ist, eingespielt zu werden. Aber dann habe ich doch bemerkt, wie ich mich verändert habe. Beim ersten Mal, mit Christoph Eschenbach damals, war ich wirklich sehr brav und habe noch eher versucht, eine Interpretation zu finden. Jetzt passen die Lieder mir einfach besser. Ich verstehe die Tiefe der Texte heute eher. Und wenn man etwas ein zweites Mal aufnimmt, dann muss man es natürlich auch ganz anders machen als beim ersten Mal".
Größere Freiheit und Gelassenheit
Die Aufnahme mit dem Houston Symphony Orchestra unter Christoph Eschenbach, der Renée Fleming den Weg zu Richard Strauss gewiesen hatte, entstand im März 1995. 2008 hat Renée Fleming noch einmal die "Vier letzten Lieder" aufgenommen, mit Christian Thielemann und den Münchner Philharmonikern.
Richard Strauss ist Flemings erklärter Lieblingskomponist, sie liebt die Gräfin, die Marschallin, Arabella und Daphne. Die Rollen passen ihr, so meint Fleming, nicht nur von den Temperamenten her, sondern stimmlich sei es, als seien diese Opernrollen für sie geschrieben worden. Was sie nun bei den "Vier letzten Liedern" anders gemacht habe, wird Renée Fleming im Interview gefragt:
"Christan Thielemann und auch das Orchester haben eine Menge zur Interpretation beigetragen. Er hat gemeint, sie dürfe nicht sentimental sein, sondern lebendig und auch flexibel, sie klingt frischer. Aber das Publikum muss entscheiden, das ist wirklich Geschmackssache - und ich liebe auch meine Arbeit mit Christoph Eschenbach, die ein bisschen romantisch und eher ausschweifend ist."
Lebenslanges Stimmesuchen
Bevor sie die "Vier letzten Lieder" sang, habe sie 18 Aufnahmen studiert, sagt Renée Fleming, die ein autobiographisches Buch geschrieben hat, in dem sie hauptsächlich über ihre Stimme schreibt, eine Biographie, die von der Suche nach der "inneren Stimme" handelt und dem dauerndem Kampf mit sich selbst, gegen die eigenen Ängste, die einen täglich begleiten.
Jeden Morgen und tagsüber, immer wieder frage sie an bei ihrer Stimme: Bist du da? "Ich lebe mit dem Gedanken, dass man im Jahr sieben Tage in stimmlicher Höchstform ist - und an diesen Tagen nicht engagiert."
Hör-Tipp
Ausgewählt, Mittwoch, 13. Mai 2009, 10:05 Uhr
Buch-Tipp
Renée Fleming, "The Inner Voice: The Making of a Singer", Penguin
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