Rechenschwäche, -störung oder -erwerbschwierigkeit?
Die Schwierigkeiten mit Buchstaben und Zahlen
Menschen mit Teilleistungsschwäche leiden oft unter dem Vorurteil, sie seien minderbegabt. Als Konsequenz ständiger negativer Rückmeldungen auf Schulleistungen reagieren Schüler mit Lernunlust, geringem Selbstwertgefühl bis hin zur Schulverweigerung.
8. April 2017, 21:58
"Wenn die Diagnose Legasthenie oder auch Dyskalkulie - also Rechenerwerbsschwierigkeit - gestellt wird, bedeutet dies nicht, dass eine Schullaufbahn eingeschränkt ist. Von beiden Schwächen spricht man nur bei durchschnittlicher oder überdurchschnittlicher Begabung. Es heißt nur, dass man in einem Teilbereich Schwierigkeiten hat", sagt Roswitha Öhler von "Sprawunkel", einem Privatinstitut für Legasthenie, Dyskalkulie und Lernförderung im 9. Wiener Gemeindebezirk.
Auch ihre Kollegin Bibiane Friedrich, ebenfalls Legasthenie-, Dyskalkulie- und Lerntrainerin, sieht kein Problem, dass auch legasthene Kinder bei guter Förderung und dem Glück, auf einfühlsame und engagierte Lehrer zu stoßen, eine Höhere Schule besuchen können.
Definitionen und Kategorien
Die Weltgesundheitsorganisation WHO führt Rechenschwäche als "Rechenstörung" auf. Mit "Störung" ist gemeint, dass die Rechenleistung eines Kindes eindeutig unter dem Niveau liegen muss, welches aufgrund des Alters, der allgemeinen Intelligenz und der Schulklasse zu erwarten ist.
Die Lese- und Rechtschreibfähigkeiten müssen im Normbereich liegen. Pädagogen und Schulpsychologen widersprechen dieser Auffassung mit dem Argument, dass dieses Kriterium eine willkürliche und wissenschaftlich nicht begründbare Festlegung einer Grenze darstellt und rechenschwache Kinder von Fördermöglichkeiten ausschließt.
Für sie sind rechenschwache Kinder jene Kinder, die trotz Bemühens in ihrem kindlichen Denken mangelhafte Vorstellungen, fehlerhafte Denkweisen und dadurch ungeeignete Lösungsmuster für die mathematischen Grundlagen wie Zahlenaufbau und Grundrechenarten entwickeln.
Rechenerwerbsschwierigkeiten treten in unterschiedlichen Ausprägungsgraden und Erscheinungsbildern und in etwa gleich häufig wie Lese-/Rechtschreibschwierigkeiten auf.
Erschreckende Zahlen
Das Europäische Parlament geht in Bezug auf funktionalen Analphabetismus von einer Größenordnung von zehn bis zwanzig Prozent in den Mitgliedsstaaten aus. In Österreich spricht man von 300.000 Erwachsenen, das sind 3,5 Prozent der Bevölkerung, die nicht ausreichend lesen und schreiben können, um allein am Arbeitsmarkt oder im privaten Bereich zurecht zu kommen.
Laut neueren Schätzungen gibt es bis zu 600.000, das sind 7,5 Prozent, funktionale Analphabetinnen und Analphabeten in Österreich. Grundlage dieser Berechnung ist die PISA-Studie 2000 der OECD, nach der 14-18 Prozent der 15-16jährigen als Risikogruppe zu sehen sind. Allein für das Burgenland ergibt dies - je nach Berechnungsgrundlage - eine Zahl von 10.500 oder von 21.000 Personen.
"Spring über Deinen Schatten"
Unkompliziert und völlig kostenlos bieten die Burgenländischen Volkshochschulen in den vier Regionalstellen Halbturn, Eisenstadt, Oberwart und Jennersdorf Alphabetisierungskurse an, bei denen jene, die nicht oder nicht ausreichend Lesen und Schreiben können, jederzeit einsteigen können.
Sie laden ein: "Kommen Sie in unsere VHS-LernBar". Das Motto lautet: "Spring über Deinen Schatten. Lern lesen und schreiben". Denn: "Ein Leben als Analphabet ist schwieriger als Lesen und Schreiben zu lernen".
Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 18. Mai bis Mittwoch, 20. Mai 2009, 9:30 Uhr
Tipp
Informationen zu den gratis Alphabetisierungskursen der Burgenländischen Volkshochschulen erhalten sie unter der Telefonnummer 0664 10 600 60
Link
Burgenländische Volkshochschulen - Alphabetisierung und Basisbildung