25 Jahre "Menschenbilder"

Vom geglückten Leben

Am 20. Mai 1984 erklang zum ersten Mal die Kennmelodie der "Menschenbilder". Sie war seit jenem Tag rund 1.500 Mal im Programm von Ö1 zu hören. Sonntag für Sonntag erzählt seither ein Mensch aus seinem außergewöhnlichen, "geglückten" Leben.

Was ist mit uns geschehen
dass wir so vereinzelten
in diesem großen Bogen Zeit?


So klingt Shakespeares "Wintermärchen" in der deutschen Übertragung von Peter Handke.

Was ist mit uns geschehen? Haben wir zu wenige Fragen gestellt? Waren wir nicht neugierig genug auf die Lebensgeschichte, auf den Lebensbogen der anderen?

Fragen stellen

"Niemand ist mehr neugierig, wir sind eine un-neugierige Gesellschaft geworden", klagt der Zeichner Tomi Ungerer, der zu seiner Ausstellung in einem Wiener Innenstadtpalais in Gummistiefeln kam und sich beim Gespräch bald auf den roten Teppich legte, um auch das Muster des Steinbodens darunter zu studieren.

Die "Menschenbilder" im Programm von Österreich 1 - jeden Sonntag um 14:05 Uhr - sind neugierig. Sie stellen Fragen - nach den biografischen Wegen und Umwegen, nach frühen Erinnerungen, Gerüchen, Klängen, nach politischen und privaten Ereignissen, nach Entscheidungen, die notwendig wurden...

Nicht vom "glücklichen" Leben wird in diesen Porträts erzählt, es ist ein Nachdenken über das "Geglückte" in einem Leben- über einen Neuanfang, über das Umgehen mit Abschieden, über den schwierigen Schritt zur Versöhnung.

Ein Mensch erzählt, mit seiner Sprache, seinem Schweigen, seinem Stolpern in der Stimme - und andere hören zu, machen sich ein "Bild", ihr "Bild". Ein "Menschenbild" entsteht - Sonntag für Sonntag - im Kopf der Zuhörer.

Erzählen lassen

Hubert Gaisbauer hat die "Menschenbilder" begründet. Am 20. Mai 1984 war die erste Sendung dieser Reihe zu hören, seither gibt es die "Menschenbilder" - Sonntag für Sonntag - im Programm von Österreich 1, an die 1.500 Sendungen wurden bislang ausgestrahlt.

Das Erzählen im Radio lässt ein Bild entstehen, das auf wunderbare Weise unsichtbar bleibt und doch lebendig wird. Immer wird beim Hören Eigenes mitgedacht, immer stellt jedes gehörte "Menschenbild" auch das eigene Selbstbild in Frage. Wie hätte ich mich verhalten? Hätte ich diesen Schritt gewagt? Man hört anderen zu, und das eigene Leben rückt näher.

Große Nähe

Für mich als Journalist sind die "Menschenbilder" ein Glücksfall. Das Privileg der erlaubten Neugier, schafft - auch mit dem Mikrofon in der Hand - oft große Nähe. Mit Tomi Ungerer bei einer Ausstellung auf dem Boden liegend die feinen Risse im Stein zu beobachten; mit Joachim-Ernst Berendt im Hotelzimmer schweigend eine Aufnahme der Planeten im Weltall, der "Urtöne", zu hören, auch das dunkle ruhige Schrummen der Erde; mit Peter Bichsel über den Tod seines Vaters und den Geruch von Äpfeln zu reden; Wolf Biermann mit der Gitarre neue unfertige Lieder singen zu hören; Astrid Lindgren am Arm durch einen tiefverschneiten Park in Stockholm zu führen...

Es ist ein "Privileg", "Menschenbilder" gestalten zu dürfen - und es ist eine Anmaßung. Ein Leben in fünfzig Minuten? Jede Sendung ist eine Annäherung. Nicht mehr.

Die "Menschenbilder" - so hoffe ich - sind menschenfreundlich. Sie erzählen, was Menschen prägt, was sie aus der Bahn wirft, was sie tröstet, was sie ermutigt. Sie zeigen, was mit Menschen geschieht und geschehen kann im "großen Bogen Zeit". Und sie erzählen davon, dass vieles verloren geht, wenn es nicht zur Sprache kommt. In den "Menschenbildern" ist Platz für diese Sprache.

"Die Menschenbilder" haben ein Stammpublikum gefunden, für sie gehört die Sendung "zum Sonntag dazu". Dieser aufmerksamen und treuen Hörerschaft sei im Namen der Redaktion herzlich gedankt.

Hör-Tipp
Menschenbilder, Sonntag, 24. Mai 2009, 14:05 Uhr